Dienstag, 23. März 2010

W189-SY19: Bei den Byzantinern in Serdjilla, den Umayyaden in Idlib und den Freunden in Saraqib

Umayya Idlib (أمية الإدلبي) - Al-Majd Dimashq (المجد الدمشقي)
Freitag, 12. März 2010 - Anstoßzeit 14.30
Daury As-Suriyy Al-Mukhtarafiyn (دوري السوري المخترفين); Syrische Profifußballliga
Ergebnis: 1:0 nach 95 Min. (46/49) - Halbzeit 0:0
Tor: 1:0 46. ’Amar Zakkour
Verwarnungen: Aly Diyab, Mustafa Qatarmiys (beide Al-Majd)
Platzverweise: keine
Spielort: Mal’ab Al-Balady (ملعب البلدي/ Stadtstadion, Kap. 7.500 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 4.000 (keine Gästefans?)
Spiel: 6,0/10 (In der 2. Halbzeit klar besser mit vielen Chancen für die Umayyaden)
Sightseeing: 8,0/10 (Schöne Landschaft mit eindrucksvollen und ausgedehnten Ruinen)
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Dead Cities: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623664212610/detail/

UMAYYA vs AL-MAJD: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623667770088/detail/

Der scheiß Wecker hatte sich automatisch auf die deutsche Zeitzone verstellt und weckte uns eine Stunde später, als erwünscht. Alles in allem war das aber kein Problem: wir kamen noch früh genug nach Serdjilla. Diese Stadt gilt als die größte und besterhaltene der Toten Städte. In der Tat füllt sie gut einsehbar ein ganzes Tal und viele der Häuser, vor allem das Haupthaus und der Gasthof, sind in einem beeindruckend guten Zustand. Viele der Türstürze waren auffällig schön gestaltet. Für diese Anlage waren 75 Pfund angemessen, Studenten durften sogar gratis rein. Die Beschilderung war übrigens ausgesprochen informativ und in fehlerfreiem Englisch. Das Französisch und Arabisch daneben war sicherlich auch korrekt. In ganz Syrien hatte ich keine solchen Informationstafeln auf diesem Niveau erlebt. Nur Qatna und Masyaf waren noch ähnlich gut.

Im nahegelegenen Al-Barah gibt es dann eine sehr ausgedehnte aber weniger gut erhaltene byzantinische Stadt zu sehen. Die Highlights sind die beiden Grabtürme, die mehrgeschossig, nach oben verjüngend überdacht und mit Friesen und Säulen verziert sind. Zwischen den Ruinen picknicken Familien, hüten Bauern ihre Schafe und spielen Kinder Fußball.

Fußball ist dann das richtige Stichwort, denn für uns ging es weiter nach Idlib. Dort stand das Erstligaspiel des 8. von 14. – Umayya Idlib, die, wie schon zuvor erwähnt, nach der Dynastie der Umayyaden benannt sind – gegen den 3. – Al-Majd aus Damaskus – an. Al-Majd heißt übrigens „Der Ruhm“ oder „Die Glorie“. Die Glorreichen wollen an Al-Jaish und Al-Karameh vorbei zum Meistertitel und waren also favorisiert gegen das Mittelfeldteam, was zu Beginn der Saison einen tollen Lauf hatte und mehrere Spieltage lang die Tabelle anführte. Das Hinspiel hatte Umayya 2:1 gewonnen.

Wir hatten uns in den Hintertorbereich gesetzt. Um uns herum waren viele kleine Kinder, die mit ihren Vätern ins Stadion gegangen waren; hinter uns zum Beispiel einer mit vier Jungen und zwei Mädchen im Schlepptau, die alle unter 10 Jahre alt waren. Somit hatten wir den Hauptsupportbereich gut im Blick, wo auch der Trompeter, der Trommler und der Einheizer prima die Rhythmen wie „Un, dos, tres: Olé, olé, olé“ oder „insha allah: yallah, yallah“ vorgaben. Die Stimmung war dank des prallgefüllten linken Haupttribünendrittels wirklich gut. Gästefans schien es keine gegeben zu haben. Außerhalb des Stadions saßen auch noch einige Zuschauer auf ihren Balkonen und Dächern: zwei Männer machten es sich auf ihrem Dach mit einem Sonnenschirm und Plastestühlen bequem – eine junge Frau guckte mit einem Kleinkind im Arm von ihrem Balkon aus zu. Zwei Reihen hinter uns saß übrigens noch ein türkischer Groundhopper, der die Visumsfreiheit für Türken auf diese Art auskostete.
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Nach einem erneuten Sieg für Umayya sah es in der ersten halben Stunde nicht aus. Bis auf zwei Male nur Al-Majd vorm Tor – mehrmals musste der Ersatztorwart Samer Hamdany (Djihad al-Agha wurde nach den viel Streit auslösenden Fehlern im Spiel davor auf die Bank gesetzt) klären, was er auch hervorragend tat. Dann nach 30 Minuten mal ein Pfostentreffer für Umayya, der eine Weckfunktion zu haben schien. Sie rissen nach und nach das Spiel an sich, was nach der Pause, in der Kinder auf dem Feld kickten und übrigens ungewöhnlich viele Menschen beteten – das waren keine Massen, aber mit etwa 15 Leuten viel mehr als in den anderen Stadien: der Stadionsprecher eröffnete hier auch seine knappe Moderation mit Bismillah ar-Rahman ar-Rahiym (Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Gnädigen) – mit dem goldenen Tor der Partie belohnt wurde. ’Ammar Zakkour erzielte aus über 20 Metern mit einem leicht aufsetzenden Schuss ins Eck, den der Torwart hätte haben können, aber zum Glück nicht zu fassen bekam, das 1:0. Mehrere Zuschauer waren über den Zaun gesprungen und feierten. Jetzt ging auch ein paar Minuten lang das ganze Stadion mit.
Auch danach stellte sich Umayya nicht hinten rein, wie sie es gegen ’Afrin taten, sondern spielten offensiv weiter, was sie zwar in der Abwehr ab und an in Gefahr brachten, doch Torwart Samer Ram Hamdany fischte alles prima vor der Linie ab. Die Chancen zu einem klareren Sieg – ein 2:0 oder 3:0 wäre in Ordnung gegangen – vergaben die Umayyaden dann leider alle. Vor allem der schwarzafrikanische 19er verstolperte fast jeden Ball... Unglaublich, so viel Unfähigkeit! Aber nach einiger Nachspielzeit und einer letzten Ecke für Al-Majd, pfiff der Schiri ab.

Ein verdienter Sieg für Umayya, der sogleich einen Platzsturm von mindestens 200 Leuten auslöste, die friedlich ihre Mannschaft feierten. Da wurden Spieler auf die Schultern gehoben und umarmt – das ist mal fannaher Profifußball!
An unserem Auto trafen wir dann noch den Einheizer wieder, der uns sofort wiedererkannte (vom Spiel bei ’Afrin) und begrüßte. Dann ging es für uns zum Restaurant Mashwar auf der Bezirksgrenze zwischen Idlib und Halab, wo ’Amar schon auf uns wartete. Der gab uns gleich mal Idlib-Eis (Vanille-Eis mit Weizenstärke, Milch und so etwas ähnlichem wie Rosenwasser) aus und holte Saa’d heran. Die beiden hatten wir ja eine Woche zuvor beim Spiel von Saraqib gegen Murik kennengelernt. Saa’d überredete uns, mit zu sich nach Hause zu fahren, wo wir dann auch seine Familien – Vater, Mutter, Cousins, Bruder – kennen lernten. Sein älterer Bruder holte dann sehr leckere Hühnchen-Wraps und Süßigkeiten vom nächsten Imbiss. Wir hätten auch auf deren Wunsch bei ihnen übernachtet, wenn wir nicht alle Sachen in Hama gehabt hätten. Wirklich sehr angenehm, wie gastfreundlich Familie Bariysh ist!
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Statistik:
Ground Nr. 402 (ein neuer Ground; diese Saison: 71 neue)
Sportveranstaltung Nr. 966 (diese Saison: 108)
Tageskilometer: 330 (Auto)
Saisonkilometer: 24.730 (17.290 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 2.320 öffentliche Verkehrsmittel/ 2.120 Fahrrad)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 53
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 189

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