Dienstag, 23. März 2010
W188-SY10: Wie immer ein ungleiches Duell – Syrien gegen Libanon
Syrien (سوريا) - Libanon (لبنان)
Mittwoch, 3. März 2010 - Anstoßzeit 14.30
Qualifikation zur Asienmeisterschaft 2011 im Katar (Qualifikationsrunde, Gruppe 4, 6. Spieltag)
Ergebnis: 4:0 nach 94 Min. (47/47) - Halbzeit 2:0
Tore: 1:0 3. Muhammad Zeynou, 2:0 10. Abd al-Fattah al-Agha, 3:0 47. Djihad Al-Hussayn, 4:0 60. Abd al-Razzaq al-Hussayn.
Verwarnungen: Aly Diyab (Syrien)
Platzverweise: keine
Spielort: Malaab Al-Abasiyyin (ملعب العباسيين, Kap. 30.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 22.000 (davon vllt. 10 Gästefans)
Spielqualität: 6,0/10 (Syrien gut, Libanon scheiße => völlig einseitig)
Sightseeing: 5,0/10 (Nur ein Sight: ein sehr gutes Beispiel für die Architektur eines Khans)
MATCH SYRIA vs LEBANON: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623530866751/
Khan al-Arous: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623527690347/
Der Bäcker in der Nähe des „Cairo“-Hotels freut sich über unseren erneuten Besuch. Die Croissants und Schokoröllchen aßen wir allerdings erst auf der Autobahn von Hama nach Damaskus, wobei wir eine der inoffiziellen Raststätten nutzten: da, wo der Standstreifen etwas breiter ist, gibt er oft einen Weg in ein Feld oder Dorf frei – da man an der Einmündung meist vorbei fährt, fährt man auf dem Standstreifen einfach rückwärts oder wendet. Hinter niedrigen, windgebeugten Nadelbäumen kann man dann sein Auto abstellen und nach der Pause wieder auf die Autobahn auffahren.
Auf Höhe des Armeemuseums von Damaskus begann der Verkehr dichter zu werden. Vorm Revolutionstunnel standen und fuhren dann statt den zugelassenen zwei Autos und ein LKW/ Bus nebeneinander, zwei Busse, drei Autos und ein Fahrrad in einer Reihe. Wir schaffen es trotzdem in einer halben Stunde zum neuen Souq, wo wir wieder kostenfrei am Randstreifen einer breiten Nebenstraße parkten. Auch in dieser abgerissenen Gegend braucht man in Syrien keine Angst um sein Auto haben: das bricht niemand auf! Es sind nur ein paar Minuten Fußweg zum Abassidenstadion, wohin das Spiel der syrischen Nationalmannschaft leider verlegt wurde. Eigentlich sollte es im neuen Nationalstadion in Halab (Aleppo) stattfinden. Das alte Nationalstadion hat ja nun wirklich schon bessere Tage erlebt: vor allem die Anzeigetafel ist der Hammer – und Scheißhäuser gibt es nur im VIP-Sektor.
Jedenfalls ist nicht viel los: kaum Sicherheitskräfte und drei Stunden vor Anpfiff kaum Fans da. Ich frage einen Mann, der mit Auskunft über das Spiel gibt. Alles wie im Internet 10 Tage zuvor herausgefunden – außer dem Punkt, das freier Eintritt gewährt wurde. Also erstmal noch mit den Soldaten am Falafel-Stand anstellen und dieses wirklich gute Schnellgericht vor der Geschäftsstelle vom Nady Al-Muhafazat essen. Dann haben wir noch eine syrische Flagge für lächerliche 0,60€ an einem inoffiziellen Stand (O.K. eigentlich gibt es auch gar keine offiziellen Verkaufsstände) erstanden und sind dann rein in die Hütte.
Dort ging es gleich mit Essen weiter: ein freundlicher junger Syrer hatte für seine Kumpels Pizza und andere Teigwaren mitgebracht und bot uns auch etwas an. Hätte er uns nicht gesagt, dass unsere deutsche Nationalmannschaft am selben Tag ein Freundschaftsspiel gegen Argentinien hatte, hätten wir das vergessen. Das Spiel zwischen den beiden einstigen Erzrivalen, die sich jetzt mal wieder angenähert haben, war doch viel interessanter. Nur leider war die Gruppenkonstellation schon vor diesem Spieltag recht klar: Syrien hatte sich schon nach dem vierten Spieltag als erstes Team überhaupt über die Qualifikationsrunde für die Asienmeisterschaft 2011 im Katar qualifiziert. China hatte zwei Punkte mehr gesammelt, aber schon alle Spiel ausgetragen, sodass ein Sieg für den Gruppensieg hermusste. Vietnam war vier Punkte vorm Libanon. Syrien hatte die letzten beiden Spieler 0:0 gespielt (in China, gegen Vietnam, wobei letzteres die Qualifikation bedeutete) und davor im Libanon trotz Personalsorgen 2:0 gewonnen, in Vietnam 1:0 gesiegt und gegen China 3:2 gewonnen.
Trotz diesem Erfolg ist die Unzufriedenheit in der Fanszene, die sonst ausbleibenden internationalen Erfolge betreffend, sehr hoch. Dass mehrfach Jugendteams wie die U-19 und U-17 bei Weltmeisterschaften bis ins Viertelfinale kamen, wird nicht als genug erachtet. In der Tat hat sich Syrien seit 20 Jahren nicht einmal mehr für die Asienmeisterschaft der Männer-Nationalmannschaften qualifiziert (bei den Jugendteams waren sei häufig dabei, haben aber nie den Titel geholt – die Frauen-Nationalmannschaft ist ziemlich schwach und spielt nur kleine Turniere wie West-Asien-Spiele). Dass die Jugendteams international erfolgreicher sind als die Männer, kann man aber in vielen Ländern Asiens und Afrikas beobachten.
Kürzlich habe ich auf „Justin TV“ (eine mehr als einfach nur asoziale Abzockplattform für Internetfernsehen, aber mit „Ultra Surf“ kann man da kostenlos prima Sender gucken: das ist halt dumm, dümmer, Justin TV) beim Gucken des Livestreams von der syrischen Fußballliga im Chat folgende Unterhaltung mitgekriegt: Ein Südkoreaner (Y) und zwei Syrer (Z3) und (B1) unterhalten sich über eben dieses Thema.
Y: Who is the best player in Syria national team ?
Z3: there are few […] Z3: firas alkhateeb
B1: me
Z3: jihad alhosain
Y: […] Thank you for teaching me
Z3: do you know that we have excellent players in europe but our coach is racist » he did not want to invite them
Y: LOL » racist? *** » we must kick out of racism […]
Z3: i mean that because they say born in syria
Y: oops...
Z3: or they dont speak arabic very well
Z3: i mean did not born in syria
Y: ok […]
Z3: corruption is the main reason of our backward in football
Y: ah ha!
Z3: imagine two years ago for example […] one business man offered 20 million dolaars to bring good coach and better conditions for our national team » they refused […] we all know that they refused because they did not recieve bribes […] trust me we got the talants but very very very bad system » any way do not worry […] we hope things will change soon
Y: yeah. Middle East has the highest growth potential » i think also Syria
Z3: there is big pressure towards changes
Y: in korea, it's problem personal connections. The Coach is selecting players national team about personal connections
Z3: personall connections is something we have since ever […] sport should be about ability not connections
B1: this is the main issue insyria
Y: what is doing police?
B1: all selection depend on personal connections only
Die Lage im libanesischen Fußball wiederum, ist noch viel komplizierter. Während Syrien ab und an Erfolge hat, spiegelt der libanesische Sport das Land perfekt wieder: der Libanon ist einfach ein gescheiterter Staat. Was man mit so einem Gebilde anfangen soll, will ich nicht entscheiden. Da die libanesische Fanszene sich so derartig asozial untereinander benimmt, sind die meisten Spiele seit Jahren nur vor einem ausgesuchten Publikum vor 300 bis 2.000 Leuten ausgetragen worden. Die großen Stadien sind also an sich für den Arsch. Völlig korrupt ist das Sportsystem dort natürlich auch. Die sportliche Infrastruktur beginnt langsam zu verrotten. Der libanesische Fußball ist also einfach nur tot. Und bis er wiederbelebt werden kann, müssen schon einige gesellschaftliche Probleme zumindest in Ansätzen gelöst werden, wozu aber ein gescheiterter Zwergstaat leider nur schwerlich in der Lage sein wird.
Was die Nationalmannschaft des Libanon bei diesem Spiel gegen Syrien da fabrizierte, war vom Anstoß weg das oben beschriebene Bild. Dass sie extra so gespielt hätten, um die neuen freundschaftlichen Beziehungen zu Syrien (in der Politik wurden Botschafter ausgetauscht und diplomatische Beziehungen erweitert, beim Fußball begrüßten die syrischen Fans die libanesischen Spieler heute mit „Ahlan wa-Sahlan, ya Lubnan“ (Willkommen, oh Libanon), was bei einem Spiel vor fünf Jahren noch ganz anders klang und in richtig fetzigen Ausschreitungen mit dutzenden Verletzten und mehreren Tausend zertrümmerten Sitzschalen endete) nicht zu gefährden, konnte man natürlich nicht behaupten. Außer Hassan Ma’touk von Al-’Ahad Beirut, der ab und an etwas nach vorne brachte, bekamen diese Zedernkicker kaum einen Ball unter Kontrolle. Drei Chancen im ganzen Spiel sind echt übel. Die hatte Syrien schon nach 10 Minuten gehabt. Und zwei davon führten schon zu Toren, die Muhammad Zeynou und Abd al-Fattah al-Agha prima mit Schüssen aus einiger Entfernung erzielten. Diese Phase war auch die beste Supportphase (wir hatten uns wieder in den Hardcore-Fanblock gesetzt). Mit zunehmender Spielzeit führte die syrische Mannschaft die libanesische vor, was zu einer Lässigkeit auf der Tribüne führte, die ein konsequentes Supporten unterband. Bei einem Gegner, den man nicht ernst nehmen kann, wird halt nicht wild angefeuert, sondern nur noch sporadisch die eigene Truppe mit Sprechchören wie „Allah –Suriyya – Bashar ou bass“ (Nichts außer Gott, Syrien und Bashar [al-Assad, dem Diktator]) nach vorne gedrängt.
Nach der Pause erzielte der Gastgeber gleich noch das 3:0 durch einen Torwartfehler. In der Folgezeit vergab Syrien noch auf haarsträubende Art und Weise einige sehr gute Chancen, ehe sie noch das vierte Tor drauflegen konnte. Eine halbe Stunde lang ließ Syrien dann den Ball in den eigenen Reihe laufen, um im Dreiminutentakt erfolglos vor dem libanesischen Tor zu erscheinen. 7:0 oder 8:0 wäre angemessen gewesen. Das 4:0 war für die Versagertruppe aus dem Zedernstaat noch schmeichelhaft. Ansonsten waren wir natürlich auch so zufrieden wie die syrischen Fans, mit denen wir noch etwas über das Spiel sprachen. Viele der Zuschauer waren übrigens Schüler, die mit ihren Heften und Schulranzen ins Stadion gegangen waren und nun wieder in die Schule zurück oder zum Hausaufgabenmachen nach Hause liefen.
Wir kamen schnell aus Damaskus raus und fuhren noch mit dem letzten Licht den Khan al-Arous, die Karawanserei der Braut, an, welche ein tolles Beispiel für eine befestigte Karawanserei bietet: Eingangsbereich mit Turm, von da aus ausgehend ein quadratischer Grundriss mit Bogendecken in den Ställen und Schlafbereichen und im Innenhof, der stets irgendwo Schatten gibt, befindet sich genau in der Mitte ein Brunnen. Dieser Khan liegt allerdings sehr bizarr in einem Wadi unterhalb spektakulärer, aber fast vegetationsloser Berge zwischen der Autobahn und einem Gewirr von Zufahrtsstraßen zu ebendieser Autobahn. Auf dieser war auf dem Weg nach Hama mächtig was los: ein LKW, der uns mit 120 km/h überholte, reiche Syrer, die mit ihren dicken Autos wie die Deutschen konstant mit mindestens 160 km/h auf der linken Spur fahren und diese mit wildem Auf- und Abblenden freihalten, Sammeltaxis, die einen auf dem Standstreifen entgegen kommen und eine plötzlich auftauchende Baustelle, die in der Behelfsabfahrt nur wieder in eine andere Baustelle führt, wo das Auto zum mittlerweile wohl 10. Mal in dieser Woche auf der unebenen Straße aufsetzte.
Statistik:
Ground Nr. 397 (ein neuer Ground; diese Saison: 66 neue)
Sportveranstaltung Nr. 961 (diese Saison: 103)
Tageskilometer: 450 (Auto)
Saisonkilometer: 22.320 (14.880 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 2.320 öffentliche Verkehrsmittel/ 2.120 Fahrrad)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 49
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 188
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