Montag, 22. März 2010

W187-SY7: Durch die Wüste an den Euphrat – von Palmyra nach Dayr az-Zour

PALMYRA: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623528552955/
Syrian Desert: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623652597562/
DSC01234
Palmyra gilt als die berühmteste Sehenswürdigkeit Syriens. Über die römische Ruinenstadt bzw. die arabische Neustadt wird immer viel gefaselt – mitunter oberflächlich oder ohne Sinn und Verstand. Einige der wichtigsten Aussagen über Palmyra ist, dass die Ruinen ausgedehnt und extrem eindrucksvoll, gar die schönste Ruinenstadt der Welt, seien. Andererseits, wird stets über den extremen Einfluss des Tourismus auf die Stadt und das Preis-Leistungs-Verhältnis gemeckert: Essen schlecht und teuer, Hotels dreckig und teuer, Einwohner bescheißen einen dauernd, Beduinen-Guides gehen einen auf den Sack...

Definitiv hat der Tourismus einige Sitten verdorben. Es versuchen schon immer wieder Geschäftemacher einen Waren anzudrehen – doch weder aggressiv, noch so aufdringlich und unverschämt wie z.B. in vielen Ecken Tunesiens. Vor allem, wenn man am Morgen durch die Ruinen Palmyras geht, muss man eher auf die Köter der Beduinen oder andere streunende Viecher achten, als auf Guides und die Händler mit ihren „Äntik Coins“ und „Look Sir: Keffiyeh“. Leider sind in Palmyra zu viele Leute auf Tourismus angewiesen – doch so schlimme Verhältnisse wie im Lonely Planet Guide beschrieben, herrschten zumindest während meiner Anwesenheit nicht im Entferntesten. Mittlerweile würde ich diesen angeblich besten Syrien-Reiseführer auch nur noch eingeschränkt empfehlen.
DSC01254
Zur Größe und Schönheit der Ruinen kann man nicht viel schreiben: man kann sich ohne dagewesen zu sein keine wirklich zutreffende Vorstellung machen, wie riesig ausgedehnt die Stadt ist und in welch gutem Zustand etliche der Gebäude sind. Wir haben mit Laufen und Autofahren etwa 90% der Ruinen gesehen – einzig einige schlecht erhaltene (v. a. Grabkammern und Türme am Rande) haben wir ausgelassen – und dafür vier Stunden gebraucht. Zu Fuß alles zu besichtigen, nimmt etwa acht Stunden in Anspruch. Teilweise waren wir völlig allein, aber zum Haupttempel, der unheimlich groß und hoch ist, waren Österreicher, Japaner und andere in Bussen gekommen. Japaner waren übrigens am Stärksten vertreten, was die Touristen angingen. Die stärksten Sehenswürdigkeiten waren der Haupt- oder Baal-Tempel, die erste Hälfte der Hauptstraße mit ihren prima erhaltenen Säulen bis zum Tetrapylon, das Theater, die Agora und die arabische Burg. Eintritt kosten nur der Baal-Tempel (ca. 1,40€, für Studenten bis 26 Jahren nur 0,20€) und Theater und Burg für je die Hälfte des genannten Preises. Die Burg ist eine besondere Erwähnung wert, da man einen Wahnsinnsblick auf die Umgegend hat – und außerdem sollte man als jemand, der auch nur ein bisschen Ahnung von Burgen hat, nicht auf das Gesabbel der Reiseliteratur, die die Burg als wenig lohnend da völlig leer, bezeichnet, hören. Es befindet sich in der Tat nicht ein einziges Ausstellungsstück in der Burg und der Blick von der Auffahrt vor der Zugbrücke ist auch nicht viel schlechter, als vom Turm, doch der Kenner weiß die unglaubliche Verschachtelung der Burgmauern zu schätzen: überall läuft man in den verwinkelten Gängen vor eine Sackgasse und man braucht eine Weile, um sich in den zinnenbewährten Türmen mit schmalen, hohen Schießscharten zurecht zu finden. Im Übrigen ist diese Burg sehr schlecht gesichert: an zwei Stellen tun sich Löcher von fast einem Meter Durchmesser auf, die zwar gut zu sehen sind, aber in untere Etagen bzw. einen Brunnenschacht führen. Ein Absturz in letzteren (ca. 20 Meter) ist sicher tödlich.

Noch schnell an einer der fünf oder sechs abgewrackten Tankstellen Palmyras getankt und dann ab nach Osten. Nach 50 km Schnellstraße (100 für Autos, 80 für Busse erlaubt – jeder Bus versucht 110 zu halten, jedes neuere Auto 130-140) kommt irgendeine geschlossene Stadt, die wohl für die Arbeiter in den Erdölförderbetrieben der Umgebung gedacht ist: auffällig ist der lustige Fußballplatz mit den rostigen Toren direkt an der Schnellstraße. Nach 80 km kommt as-Suchna. Dort soll die Bevölkerung generell aggressiv sein. Nun gut, die Kinder dieser Kleinstadt in der Wüste klopften immer mal ans Auto, wenn wir im Schritttempo über die verschlammte Straße (es regnete fast ununterbrochen – alle Wadis waren gut angefüllt) mit den viel zu vielen Schlaglöchern und Schwellen (völlig schwachsinnig, diese Geschwindigkeitsverringerungsmaßnahme: niemand, nicht einmal mit einem dicken Geländewagen, fährt in diesem Asi-Nest die zugelassenen 40 km/h), fuhren. Wobei die Kinder nicht aggressiv, sondern eher neugierig bis nervend wirkten.
DSC01639
Wenn man in as-Suchna in der Mitte des Ortes den Wegweiser zum Wüstenschloss Qasr al-Hayr ash-Sharqy gefunden hat, ist die ab Ortsende asphaltierte Straße bis zur nächsten Ansiedlung sehr gut fahrbar. Dann ist sie wieder verschlammt und uneben. In at-Tayyibeh geht’s rechts ab und irgendwann tut sich vor einem ein Wahnsinnspanorama mit dem östlichen Umayyaden-Wüstenschloss auf. Angeblich ca. 1€ Eintritt (Studenten 0,20€) aber von Guides und Ticketverkäufern nichts zu sehen. In den Innenhof des kleineren Hauptschlosses kann man nur durchs Gitter gucken. In der befestigten Stadt kann man herum laufen wie man will: wie tief das unabgedeckte Brunnenloch in der Mitte des einen Hügels ist, wollte ich gar nicht wissen... Beide Gebäude sind quadratisch und mit etlichen völlig gleich gebauten und schön verzierten Türmen bewährt. Dazwischen steht ein Minarett einer Moschee. Einige der Mauern und vor allem Säulen scheinen noch aus römischer Zeit – manche der Umayyaden-Bauwerke waren vorher römische Tempel oder Kastelle – zu stammen. Die 25km lange Strecke bis zur Hauptstraße zurück (keine Stichstraße, sondern ein Bogen, der einen etliche Kilometer östlich von as-Suchna auf der Strecke nach Dayr az-Zour führt) war drei Mal unterbrochen. Zwar nur für wenige Kilometer, teils sogar nur wenige hundert Meter, aber die hatten es in sich: völlig verschlammter Lehm- und Sandboden mit Unebenheiten, Wellen und Schlaglöchern bis 50 cm Tiefe – nach dem starken Regen jetzt natürlich Wasser gefüllt – und teilweise gar kein Belag mehr. Wer da mit einem Nissan Sunny durchkommt, ist schon ein richtig guter Fahrer. Ein Fahrer ohne Arabischkenntnisse hat in dieser Ecke übrigens nur mit einheimischer Begleitung etwas zu suchen – die Abzweige zu finden ist wirklich schwierig!

Nach Dayr az-Zour ist dann allerdings kein Problem. Über die Stadt wird auch nur Schlechtes geschrieben, aber zumindest über den Markt kann man nicht meckern: sehr lebhaft, viel Auswahl (v. a. an Obst und Gemüße) und das Restaurant „Leilaty“ ist ebenso gut und vernünftig im Preis wie das Hotel „New Umayyad – [أمية الجديد: Umayya al-Jadiyd]“. Das Restaurant hat nicht nur gutes und preiswertes (kein Gericht über 4,50€) Essen, sondern auch eine tolle Architektur mit Kronleuchter und Holztäfelung sowie ordentlichen Service. Das nach den Umayyaden-Kalifen benannte Hotel sehr saubere Zimmer, guten Service (lasst den Kofferträger ruhig die Taschen für 25 oder 50 Pfund Baqshish schleppen!), einwandfreie Einrichtung und gute Wasserversorgung.
DSC01667
Statistik:
Tageskilometer: 300 (Auto)
Saisonkilometer: 21.220 (13.780 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 2.320 öffentliche Verkehrsmittel/ 2.120 Fahrrad)

Keine Kommentare: