Dienstag, 23. März 2010

W189-SY18: Durch Syriens grünen Westen II; von Hama über Masyaf nach Tartous und wieder zurück

Castles I: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623542378491/

Castles II:
http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623542946741/detail/?page=2 (See page 3 as well)!

Eine weitere unserer Touren in das westliche Bergland (zwei weitere folgen noch, jedoch lassen wir viele kleine Sehenswürdigkeiten wie kaum erhaltene und versteckt liegende Burgen oder Bergdörfer mit schönen Gebäuden aus: in West-Syrien gibt es besonders viel zu entdecken) führte uns zuerst nach Masyaf.
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Masyaf ist eine versiffte Kleinstadt mit Plattenbauten, Bauruinen, kleinen Betonhäusern und einfachen Moscheen – man achte auch, von Süden kommend, auf den völlig vergammelten, aber gerade noch so bespielbaren Fußballplatz der Amateurmannschaft von Masyaf (allerdings wird derzeit etwas daran gebaut, die Anlage könnte also aufgewertet werden). Das einzige Highlight des Ortes ist eine Burganlage der Ismailiten, die allerdings auch andere Bauphasen (byzantinisch, osmanisch usw.) erlebte. Und die Burg hat es in sich! Dank der Aga Khan Stiftung ist die Anlage in einem wirklich guten Zustand: fast jeder Raum begehbar, kaum Schutt oder Baustoff und völlig ausreichende und wenig auffallende Sicherungen – ich habe in Syrien noch nicht eine Burg gesehen, die derart gut gesichert war: noch „europäischer“ als Marqab. Der Abenteuerfaktor geht trotzdem nicht ganz verloren, denn in einigen Räumen – die Burg ist in Teilen tief in den Berg gebaut, sodass sie auch extrem verwinkelt und sehr weitläufig auf mehreren Ebenen verteilt ist – ist man ohne Taschenlampe wirklich blöd dran und muss auch mal unter nur hüfthohen Durchlässen hindurch steigen. Der Blick von der Burg ist nicht schlecht, wobei man ihn auch von mehreren Ebenen aus hat: die höchste Ebene ist dann mit Beton versiegelt.

Weiter ging es durch die schöne Berglandschaft, in der wir einen Frühstücksstopp an einer Imbissbude einlegten. Imbissbude heißt in Syrien ein mit Wellblech überdachter, gartenhüttengroßer dreiseitiger Steinbau, in dem sich ein Ofen mit offenem Feuer befindet, wo eine Bauernfamilie Brotfladen mit Gemüse, Gewürzen und anderem belegt, was eine Art arabische Pizza bedeutet. Zu trinken gibt es stark gesüßten Tee. Die Leute sind ausgesprochen freundlich. Wir sitzen auf Plastehockern neben der Straße, auf der alle drei Minuten vergammelte, rußende und stinkende LKWs mit 15 km/h vorbeifahren – alle 30 Sekunden kommt ein Moped mit ein bis vier Leuten, von denen 98% keinen Helm tragen; nur alle 2 Minuten fährt mal ein Auto vorbei. Nach einer Weile trottet eine Kuh knapp neben mit vorbei und versucht die Straße zu verstellen, was der Besitzer des Imbisses aber zu verhindern weiß. Der Bauer, der die Viecher hütete, kam in der Zwischenzeit auch schon an.

Zur Mittagszeit sind wir in Tartous. Den Leuten von der Küste wird in Syrien immer eine besonders gechillte Haltung nachgesagt. Generell stellt man schon ab dem Bergland 20km westlich von Hama, Homs und Jisr ash-Shurghur fest, dass die Männer hier durchweg europäisch herumlaufen, sich auffällig die Haare stylen, wie in Hama, Dayr az-Zour oder Halab kein einziger, und besonders gut drauf sind und nur etwa 10% der Frauen und Mädchen Kopftuch tragen. Doch auch die Frauen, die eins tragen, streichen nicht selten mit Schminke, engen Jeans und Blusen ihre Attraktivität heraus. Gesichtsschleier sind in den Bezirken Tartous und Al-Ladhiqiyah wohl völlig unbekannt. Hier trifft man eher eine junge Kleinstadtschönheit mit offenen, langen Haaren, riesigen Ohrringen, kurzem Rock und hohen Absätzen an.
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Zurück zum Sightseeing: da gibt es in Tartous leider nichts Nennenswertes. Ich habe mal Bilder vom Stadion des Zweitligisten As-Sahel Tartous gesehen: passt 100%ig zu der vergammelten Altstadt. Die Häuser in der Altstadt sind abgewohnt, zugemüllt, verrußt, mitunter schimmlig und Pflanzen bewachsen. Hinter einem modernen Hotel findet man die Hauptsehenswürdigkeit: die Kreuzritterkathedrale, in der sich ein Museum befindet. Die Neustadt ist deutlich attraktiver vom Wohnen her, doch für den Touristen langweilig. Auch in Amrit, wenige Kilometer südlich der Stadt, gibt es wenig zu sehen: der Ort war mal eine phönizische Hafenstadt. Man sieht aber nur noch geringfügige Mauerreste des Hafens und zweier Tempel. Am Sehenswertesten sind noch die ca. sieben Meter hohen Nekropole, deren unterirdische Grabkammern frei zugänglich sind, und das griechische Stadion.

Als wir nach zügiger Autobahnfahrt – Autobahn fahren ist schon cool in Syrien: niemand fährt die erlaubten 110, sondern alles zwischen 30 und 90 und dann erst wieder ab 120 bis 160, auf dem Mittelstreifen grasen Schafe, auf dem Standstreifen parken LKW-Fahrer, die zum Pausemachen quer über die Fahrbahnen und den Grünstreifen in der Mitte rennen, um auf die Raststätte auf der anderen Fahrtseite zu kommen, weswegen die Touren- und Rennradfahrer die zweite Spur benutzen müssen, bis sie wieder auf dem Randstreifen, mitunter im Windschatten eines sehr langsamen Transporters, weiter fahren können und der ein oder andere Bauer hat direkt neben dem Standstreifen auf der angrenzenden Wiese oder dem auf die Autobahn führenden Feldweg, der auch Traktoren die Zufahrt zur Autobahn ermöglicht, was auch immer wieder genutzt wird, seinen Obst- und Gemüsestand aufgebaut – in Hama ins Restaurant gingen, war es noch hell, doch noch vor Bezahlen der wie immer niedrigen Rechnung (mit Trinkgeld für (pro Person) zwei Getränke, einen Salat und ein Fleischgericht mit Reis und Soße zusammen nur 10€) rief der Muezzin zum Sonnenuntergangsgebet Salat al-Maghreb.
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Statistik:
Tageskilometer: 260 (Auto)
Saisonkilometer: 24.400 (16.960 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 2.320 öffentliche Verkehrsmittel/ 2.120 Fahrrad)

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