Dienstag, 23. März 2010
W187-SY8: Ab Salamiyah wird’s grün – vom Euphrat durch die Wüste nach Hama
RUSAFA, HALABIYA, AR-RAQQA: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623653520876/
ITHRIYA, SALAMIYA, SHMAYMIS: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623529146053/
Um 3.45 Uhr war man dann plötzlich wach im Umayyaden-Hotel: der Muezzin der benachbarten Moschee fing an über Lautsprecher aus dem Koran zu rezitieren. Das erste Gebet gab es gleich im Anschluss um 4.15, was mit der Zeile „As-Salat khayr min an-naum“ = „Das Gebet ist besser als der Schlaf“ endete. Na toll. Ich wollte aber noch pennen. Mit 6.30 Uhr war der Wecker eh früh genug gestellt...
Das Frühstück war jedenfalls reichhaltig und gut. Am Morgen hatte es zwar Probleme mit dem Wasser gegeben, aber dafür kann das Hotel, was ich wirklich nur empfehlen kann, wenn jemand eine ähnliche Route wie ich hat (oder z.B. eine Basis für einen Tagesausflug nach Palmyra oder Doura Europos braucht), nichts. Die Stadt wirkte zwar auch bei Tageslicht mit ihren vielen Bauruinen düster, doch die Leute waren – entgegen einiger Berichte – völlig O.K.
Fährt man den Euphrat nach Norden entlang, kommt man schnell nach Halabiya. Auf der von der Hauptstraße abzweigenden Strecke sollte man sich wirklich nur per Auto bewegen: überall Beduinen – ohne Vorurteile schüren zu wollen, aber diesen Leuten gegenüber sollte man vorsichtig sein, da sie einfach am Rande der Gesellschaft leben und somit immer wieder für Ärger sorgen – und vor allem Hunde, die von ebendiesen „Wüstensöhnen“ unangekettet gelassen werden und jedem Auto – und natürlich auch allem anderen Fremden – nachjagen. In Halabiya war allerdings angenehm, dass diese räudigen Scheißviecher mit ihren Schafen beschäftigt waren. Man konnte ungestört die enorm befestigte Stadt begutachten, die dreieckig auf den Berg gesetzt ist. Einige der Wehrtürme kann man besteigen, wobei man überall mit Löchern im Boden rechnen muss. Dreckig ist es auch überall. Den oberen Bereich mit dem Palas zu begucken, ist einige Lauferei. Der Blick auf den Euphrat mit seinem dünnen Grünstreifen im Wüstenbereich ist jedenfalls prima.
Gegenüber von Halabiya liegt noch eine andere Ruinenstädte: Zalabiya. Um diese zu erreichen, muss man an der Potonbrücke vorfahren und warten, bis die Militärs mit den Kalaschnikows die Kette herunterfallen lassen. Die uniformierten Männer waren übrigens solche der freundlichen Sorte. Diese Art Militärangehörige hat man in Syrien leider viel zu selten. Aber die vier freuten sich wirklich über Besuch aus „Almaniya“. Die Ruine Zalabiya ist aber wohl nur wegen dem Blick nach Halabiya lohnenswert, wobei man auch am Ende der befestigten Straße (nach Zalabiya scheint die Straße aber derzeit asphaltiert zu werden) einen guten Blick auf Halabiyas fantastische Mauern hat. Wir sparten uns also nach Zalabiya hoch zu fahren und fuhren gleich am rechten Ufer bleibend nach Ar-Raqqa.
Die drei Ost- bzw. Nordostbezirke (Bezirk = Gouvernorat = Muhafazat = محافظة) Dayr az-Zour, Al-Hasakeh und eben Ar-Raqqa sind die strukturschwächsten des ganzen Landes. Während Dayr az-Zour noch ganz O.K. war, aber leider nichts Sehenswertes bot, war Ar-Raqqa einfach nur versifft. Das Drecksnest erreicht man erst nach dutzenden Ortsdurchfahrten, die durch trostlose aber wenigstens fruchtbare Euphrathinterlandlandschafen führen. Unzählige Köter versuchen sinnlos dem Auto hinterher zu jagen, einige Dörfler hocken nichts tuend vor ihren Lehmhütten, andere Bauern arbeiten an Autos oder fahren auf die Felder. Irgendwann tut sich dann vor einen ein schönes Panorama auf: man wähnt sich im Iran oder Usbekistan, wenn man die neue Moschee der Stadt Ar-Raqqa sieht. Ob immer so asoziale Jugendliche vorm Tor rumgammeln weiß ich nicht. Jedenfalls wollte ich nicht unter deren Belästigung das Gotteshaus betrachten. Also weiter zur Stadtmauer, die man allerdings auch nicht ohne bettelnde Beduinen besichtigen kann. Diese Anlage ist riesig und verdeutlicht den Absturz dieser Stadt. Zu Zeiten des Kalifens Harun ar-Rashid bedeutend in der arabischen Welt, heute eine der verkommendsten Städte Syriens, die dieses wunderbare Land überhaupt nicht repräsentieren kann.
Also auf nach Rusafa bzw. Sergiopolis. Nur Achtung: unorthodoxe Streckenführung! So wie der Ort Al-Mansura (bei manchen Karten völlig falsch als „Hamam“ angegeben) zu Ende ist, muss man links über den doppelt durchgezogenen Strich abbiegen und eine Tankstelle oder Autowerkstadt an der rechten Seite passieren. Der schlecht asphaltierten Straße folgen, bis diese auf eine besser asphaltierte stößt. Nach rechts ab und nach wenigen Kilometern den arabischen Wegweiser الرصافة als Bestätigung sehen. Nach einer kurzen Fahrt tun sich dann immense Mauern von ein Mal einem Kilometer Ausdehnung vor einen auf. Wir kamen, entgegen den Behauptungen, es würde Eintritt verlangt, kostenlos durch ein ungesichertes Tor rein. Eigentlich stand eh alles offen. In der Mondlandschaft lief auch kaum jemand zum Besichtigen herum außer ein paar Italienern, Briten und Arabern. Die gefährlichen Zisternen sind abgedeckt, Mauerabbrüche aber nicht gesichert. Die Stadtmauer, die noch eindrucksvoller als, wenn auch nicht so schön gelegen wie, Halabiya ist, kann in Teilen bestiegen werden. Ein architektonisches Highlight ist die byzantinische Basilika, die auch das höchste Gebäude darstellt. Einige der Kapitelle in der Basilika sind frisch restauriert worden. In der Mondlandschaft innerhalb der Mauern befindet sich aber nicht nur die Basilika, sondern auch noch der ein oder andere halbwegs erhaltene Bau. Die Krater und Verwerfungen kommen vom Schutt zusammengefallener Gebäude.
Jetzt übernahm ich mal das Steuer und brachte uns sicher über wirklich gute, komplett asphaltierte und fast immer abmarkierte, aber etwas schmale Wüstenstraßen von Rusafa nach Ithriya (links im Ort ist ein kleiner römischer Tempel, wo das Dach fehlt, aber sonst noch alle vier Mauerseiten erhalten sind – das dazugehörige Kastell ist nicht mehr erkennbar) und schließlich nach As-Salamiyah. Dort wird es grün. Eigentlich schon ab Shaykh Hilal hört die Wüste auf und wird von fruchtbarer Steppe verdängt. In as-Salamiya läuft kaum eine Frau oder ein Mädchen verschleiert herum, während die Männer oft altmodische Gewänder tragen. Die einzig auffällig gekleideten Mädchen waren die, die gerade als wir am Sportkomplex vorbei fuhren, in Judo- oder Karate-Gi vom Kampfsport kamen. Die Stadt hat die höchste ismailitische Population weltweit: bei angeblich über 100.000 Einwohnern mindestens 80.000 Ismailiten. Diese sind eine Abspaltung vom schiitischen Islam, die das Imamat bis heute fortführen. Derzeitiger Imam ist übrigens ein Geschäftsmann, Großaktionär und: ehemaliger Skirennfahrer. Die Aga Khan Stiftung ist übrigens in ismailitischer Hand.
Kurz ein paar Fotos von der größten Mosche mit dem extrem schlanken Minarett, dann in den Vorort Qal’a Shamamiys; Sonnenburg. Diese Burg erhebt sich wie eine Krone auf einem Vulkankegel. Als wir unser Auto unterhalb abstellten, probierten sich gerade zwei Freunde im Hill-Climbing mit einem Moped: also volle Hütte mit der Karre den 40-50% steilen Burgberg hoch, bis diese nicht mehr kann und beide zur Seite in den feinen Kreidestein kippen. Eine Runde führte uns nun um den Wallgraben herum und dann zuerst den falschen Weg (den Linken) genommen, der nur in eine Höhle führt. Der rechte Weg führt vor eine nicht ganz einfach zu erklimmende Feldwand mit Stufenresten. Nur so kommt man ins Innere der Burg. Rechts ist mal wieder ein ungesicherter Schacht, der nicht der einzige in der ziemlich verfallenen Anlage ist. Sie gibt allerdings einen super Blick auf die umliegende Landschaft frei – für einen Burgenfreund schon allein wegen der Kletterei einen Besuch wert!
Hama ist noch mehr einen Besuch wert. Wir fanden nach kurzem Suchen ein Hotel – das bekannte und gute Budgethotel Cairo (Funduq Al-Qahira) für 16€ die Nacht pro Doppelzimmer – wo mir der Hotelier gleich beim Arabischlernen behilflich sein wollte: der konnte zwar Englisch, erklärte mir aber alles geduldig auf Arabisch. Im Restaurant, wo wir ein wirklich gutes und großes Shish-Kebab für nur 4€ pro Person bekamen, dann das gleiche. In den Gesprächen wurde in Hama übrigens eine höhere Religiosität deutlich, als in den anderen Städten, wo wir bisher Halt gemacht hatten. Hohe Religiosität aber auch starker Konservativismus wird den Einwohnern dieser Stadt Hama – der Stadt der Wasserräder – ohnehin in ganz Syrien nachgesagt. Aber besser, als das, was man den beiden nächstgelegenen Bezirkshauptstädten nachsagt: in Idlib sind angeblich alle schwul und in Homs alle so blöd, dass man sie z.B. den ganzen Tag mit einem Blatt Papier beschäftigen kann, wenn man auf beide Seiten „bitte wenden“ schreibt...
Statistik:
Tageskilometer: 470 (Auto)
Saisonkilometer: 21.690 (14.250 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 2.320 öffentliche Verkehrsmittel/ 2.120 Fahrrad)
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