Montag, 18. Juli 2011

W259IV: Überraschendes Unentschieden von Erfurt gegen den Favoriten aus Halle

Erfurter TC Rot-Weiß 3:3 TC Blau-Weiß Halle
Datum: Sonntag, 17. Juli 2011 – Beginn 11.00
Wettbewerb: 1. Tennisbundesliga der Herren bzw. „Tennis Point“ Bundesliga (Profiliga)
Ergebnis: 3:3, dabei 7:7 Sätze und 57:57 Spiele
Einzel: Łukasz Kubot 7:5, 7:5 Potito Starace / Ivo Minář 3:6, 3:6 Jarkko Nieminen / Uladzimir Ignatik 4:6, 6:0, 10:6 Andreas Seppi / Marco Mirnegg 2:6, 2:6 Robin Haase
Doppel: Ivo Minář, Uladzimir Ignatik 6:1, 3:6, 4:10 Jarkko Nieminen, Christopher Kas / Łukasz Kubot, Oliver Marach 6:3, 7:6 (11:9) Potito Starace, Robin Haase
Spielort: Tennisanlage am Steigerwald, Platz M (C, Centre Court) und Platz 2 (Kap. 300 bzw. 200 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 300 (davon 280 zahlende, keine Gästefans erkennbar)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Tennis auf diesem hohen Niveau ist auch trotz der enormen Länge von knapp 7 Stunden durchgängig unterhaltsam)
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Photos and English version:

So einmal im Jahr kann man sich ruhig mal Tennis angucken, zumal wenn man es nicht weit zur hochklassig besetzten Bundesliga hat. Hochklassig besetzt bedeutet natürlich, dass die deutsche Bundesliga fast frei von deutschen Spielern ist (von den heute auf beiden Seiten 10 eingesetzten Spielern war mit dem Hallenser [also Halle/ Westfalen] Christopher Kas gerade mal ein einziger Deutscher auf dem Platz) – aber Hauptsache gutes Tennis, sonst wären diese sechs, sieben Stunden dauernden Veranstaltungen langweilig.

Langweilig wurde es heute nie. Vor rund 300 Zuschauern fanden vier ordentliche bis sehr gute Einzel und zwei sehr gute Doppel im Nieselregen statt. Nach einem Satz des recht deutlichen Einzels des Tschechen Minář auf dem Centre Court, der gegen den Finnen Nieminen ziemlich glatt verlor, wechselte ich auf den aufgrund des Fliederbaums sehr idyllischen Platz 2. Dort unterlag Erfurts Ösi Mirnegg dem niederländischen Haase sehr deutlich. Beim 2:6, 2:6 konnte er noch so laut auf feinstem Österreichisch fluchen – er sah keinen Stich.

Nach diesen ersten beiden Einzelspielen war eine deutliche Niederlage der Erfurter zu befürchten. Doch nach einer Runde Roster am Grillstand – was denn? hat der Nicht-Tennisfan etwa gedacht, es gebe keine Bratwurst auf dem Tennisplatz? Sind doch auch nur Sportfans; Kavier und Sekt habe ich jedenfalls keinen gesehen! – hatte Erfurt seine interessantesten Spieler auf dem Platz. Der junge Weißrusse Ignatik, derzeit wohl bester Tennispieler aus der osteuropäischen Diktatur, verlor den ersten Satz gegen den favorisierten Italiener Seppi zwar knapp mit 4:6, doch kämpfte sich spektakulär mit einem 6:0 und einem 10:6 im Champions-Tie-break zurück. Von diesem Spiel habe ich allerdings auch nur einen Satz gesehen, da mich der Pole Kubot doch mehr interessiert hat. Kubot gewann in einem sehr ausgeglichenen und sehr guten Spiel 7:5, 7:5 gegen Starace aus Italien.
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Die parallel ausgespielten Doppel fingen hervorragend an: Ignatik und Minář fegten Nieminen und Kas mit 6:1 im ersten Satz vom Platz, während Kubot und Marach mit einem 6:3 gegen Starace und Haase aufwarten konnten. Leider brachen Ignatik und Minář im zweiten Satz ein. Als der zweite Satz von Kubot/ Marach gegen Starace/ Haase gerade einmal halb vorbei war, hatten die Erfurter auf Platz 2 bereits das Spiel mit 3:6 und 4:10 abgegeben. Bei Kubot/ Marach - Starace/ Haase ging es auf höchstem Niveau hin und her. War schon sehr spannend, auch wenn man sich gerade so zurückhalten konnte, den Erfurtern mit lautem Anfeuern und Meckern Feuer unterm Arsch zu machen – aber das darf man ja leider nicht im Tennis... – denn wie sie immer wieder Breaks kassierten und scheinbar aussichtslos in Rückstand gerieten, nur um das Spiel noch länger zu machen, erforderte Ausdauer auf den Zuschauerrängen. Von einem 5:6 Rückstand erholten sie sich überraschned und retteten sich in den Tie-break, der denkbar knapp nach mehrfachem Rückstand (teilweise sogar 3 Punkte, so beim 1:4) mit 11:9 an Erfurt ging.

Für die gar nicht mal so hohen 10€ (Schüler, Studenten und so zahlen sogar nur 5€) Eintritt bekam man ganze sieben Stunden Sport geboten. Und das sogar auf hohem Niveau! Also wenn man diesem Sport gar nichts abgewinnen kann, weil man z.B. Zweikämpfe mit Körperkontakt vermisst, braucht man sich das gar nicht erst live angucken, aber jedem den das Filzball-Karbonschläger-Spiel auch nur ein bisschen interessiert, kann ich einen Besuch bei Erfurt nur empfehlen. Vielleicht fahren wir nächste Saison mal nach Halle/ Westfalen oder Aachen, um einen wirklichen Vergleich zu haben. Aber so eine idyllische Anlage wie Erfurt findet man sicher nicht noch mal in der ersten Liga, zudem ist das Publikum auch normal (also gut: für ein Fußballpublikum wäre das natürlich immer noch sehr spießig – wenn man beim Service von einem Gästespieler das berühmte „Arschloch, Wichser, Hurensohn“ anstimmt, regen sich bestimmt alle auf – aber mit normal meine ich eben das Fehlen von total affig gekleideten, elitären Gestalten, wie beim Pferderennen jedes Mal beobachtet), und die Eintrittspreise sind eher im unteren Bereich der Bundesliga. Tennis zu gucken ist sowieso generell billiger als Tennis zu spielen – beim Fußball oder Handball ist das ja mitunter umgekehrt. Wobei man ruhig mal einen Blick auf die Tennispoint-Website werfen sollte: so eine komplette Ausrüstung (von Schläger über Schuhe bis Trainingsanzug) kriegt man durch Sonderpreise problemlos unter 250€. Aber das ist in vielen Vereinen kaum die Hälfte des Jahresbeitrags (sieht man mal von positiven Ausnahmen wie TSV Leuna Tennis - 108€ oder so - ab). Nun ja... In Sachen Spielqualität hat Erfurt ja heute bewiesen, dass sie mit Spitzenteams mithalten können, auch wenn mehr als der derzeit belegte 5. Platz (von 9) eher vermessen zu verlangen wäre.

Nach dem Spiel wollte meine Freundin noch die Erfurter Altstadt sehen – und die gucke ich mir aber auch gerne noch mal an, auch wenn ich sie schon ganz gut kenne. Erfurt ist definitiv eine der sehenswertesten Städte Thüringens und Deutschlands. Verglichen mit manchen wenig ansprechenden Landeshauptstädten wie Magdeburg, Stuttgart, Düsseldorf oder Hannover ist die 205.000-Einwohner-Stadt schon echt topp!
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Statistik:
Grounds: 590 (heute kein neuer Ground; diese Saison: 139 neue)
Sportveranstaltungen: 1.312 (heute eine, diese Saison: 200)
Tageskilometer: 60 (60 Fahrrad)
Saisonkilometer: 44.110 (22.270 Auto/ 10.200 Flugzeug/ 5.660 Bahn, Bus, Tram/ 5.170 Fahrrad/ 810 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 41
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 259

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