Montag, 21. März 2011

W240V: Ein Derby zwischen Beşiktaş und Fenerbahçe – und viel Rennerei für Galatasaray

Beşiktaş „Cola Turka“ (Kadınlar/ FR) 76:79 n.V. Fenerbahçe (Kadınlar/ FR)Datum: Samstag, 5. März 2011 – Tip-off 13.00
Liga: Türkiye Kadınlar Basketbol Ligi (1. türkische Frauen-Basketball-Liga)
Ergebnis: 76:79 nach 45 Min. – Viertelergebnisse: 17:15, 18:13, 20:20, 13:20; Verlängerung 8:11 Punkte: Santos 18, Salkauske 14, Marques 14, Kartaltepe 10, Sales 10, Şencebe 8, Horasan 2 (Beşiktaş); Yilmaz 15, Coughtry 14, Zogota 13, Matovic 13, Vardarli 8, Tunçluer 5, Horakova 4, Nevlin 4, İvegin 3 (Fener)
Fouls: Marques 5, Sales 4, Taşçi 3, Salkauske 2, Horsan 2, Atac 1, Kartaltepe 1, Santos 1 (Beşiktaş 19); Matovic 5, Nevlin 4, Yilmaz 4, Zogota 4,Vardarli 3, Coughtry 3, Tunçluer 2, Horakova 1 (Fener 26)
5. Foul: Marques (Beşiktaş) und Matovic (Fener)
Freiwürfe Beşiktaş: 18 von 33 (=55%), Fener: 19 von 26 (=73%);
Gesamtquote: 37 von 59 (=62,7%)
Spielort: BJK Akatlar Spor Ve Kültür Kompleksi/ sogenannte „ColaTurka Arena“ (Kap. 3.200 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 500 (davon ca. 10 Gästefans)
Unterhaltungswert: 6,5/10 (Lahmer Beginn, aber dann immer besser und spannender werdend; dazu gute Stimmung)

Galatasaray S.K. (İstanbul) 0:0 Kardemir KarabüksporDatum: Samstag, 5. März 2011 - Anstoß 19.00
Liga: „Spor Toto“ Süper Lig („Sportwetten Super-Liga“ - 1. Profifußballliga der Türkei)
Ergebnis: 0:0 nach 95 Min. (45/50) – Halbzeit: 0:0
Tore: ach leck mich...
Verwarnungen: Gökhan Zan, Milan Baros (G’Saray); Hakan Özmert, Şenol Akın (Karabük)
Platzverweise: keine
Spielort: Ali Sami Yen Spor Kompleksi/ sogenannte Türk Telekom „Arena“ (Kap. 52.650 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 17.000 (davon ca. 200 Gästefans)
Unterhaltungswert: 3,5/10 (Karabük nur hinten drin, Galatasaray aktiv und gar nicht schlecht, aber unfähig ein Tor zu machen; Stimmung O.K.)

Sightseeing: 7,0/10 Punkten!

Photos and English Version:
a)
ISTANBUL – ALL SIGHTS FROM HAGIA SOPHIA AND BLUE MOSQUE TO ANADOLU CASTLES AND ÜSKÜDAR
b)
Beşiktaş „Cola Turka“ 76:79 (ET) Fenerbahçe – Istanbul Women’s Basketball Derby
c)
Galatasaray 0:0 Kardemir Karabükspor – Süper Lig, Turkish Professional Football Top Flight

Videos:
d)
Beşiktaş „Cola Turka“ 76:79 (ET) Fenerbahçe (Match Scene and Support)
e) Crappy Match, Cool Fans - but this is no support, that's just singing against the club's management!
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Unser Samstag in Istanbul war ziemlich für den dortigen Sport reserviert. Dabei sahen wir sogar ein Derby zwischen Beşiktaş und Fenerbahçe.

Erst einmal aber machten wir uns nach dem Frühstück mit der Metro von Sultanahmet aus gen Kabataş auf und besichtigten folgende Punkte nördlich des Goldenen Horns (Haliç): Dolmabahçe Sarayı (ein eindrucksvoller, neobarock anmutender Prachtbau mit Meerblick), einen Park mit Atatürk Reiterstandbild oberhalb des Inönü Stadions, einen weiteren Park mit einem Atatürk Denkmal sowie einer Art Hall of Fame der Türken (Büsten von Metehan über Atilla und Timur bis Atatük) und schließlich den Taksim Platz mit einem weiteren nationalistischen Denkmal und einer daneben liegenden armenisch-orthodoxen Kirche, die Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und innen doch sehr eindrucksvoll ausgestaltet ist.

Dann ging es weiter mit der Metro bis 4. Levent, wo es östlich der eindrucksvollen Glasfassaden von Bankgebäuden und so Zeug ein Derby zwischen den berühmt-berüchtigten Erzrivalen von Beşiktaş und Fenerbahçe stieg. OK, OK... Es war nur Frauenbasketball – aber immerhin ein Duell der beiden renommierten Istanbuler Clubs, die zu Deutsch „Wiegenstein“ und „Laternengarten“ heißen. Und wer meint, türkischer Frauenbasketball sei langweilig, hat so wie so keine Ahnung und ist genauso unterbelichtet wie derjenige, der bei so einem Duell verschleierte Spielerinnen erwartet. Erstens sind fast 50% Ausländerinnen auf der Platte und 2. würde es mich nicht wundern, wenn den Spielerinnen das Tragen von Kopftüchern sogar verboten wäre – so tolerant wie z.B. Syrien ist die Türkei halt nicht: muslimische Sportlerinnen werden da so diskriminiert wie das weiter westlich auch oft der Fall ist. Was Syrien dahingehend angeht: ich erinnere mich noch an ein aktuelles Volleyballfoto aus der Frauenliga, das eine Doppelberührung am Netz zeigt: die eine Spielerin mit kurzem Trikot und kurzer Hose, die andere mit langer Trainingshose und langen Ärmel sowie eng anliegendem Kopftuch. So ein Foto kann man in der Türkei bestimmt nicht aufnehmen...
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Im Sportkomplex von Akatlar fand jedenfalls das Spiel des 6. gegen den 2. von 12 statt. Führen tut übrigens Galatasaray, wobei Fener punktgleich ist und BJK mit 7 Punkten dahinter liegt. Der Akatlar Sportkomplex hat als Zentrum die „Cola Turka Arena“ – dieses Produkt der Ülker-Firma verunstaltet nach westlicher Manier auch den Vereinseinamen der Basketballabteilung von Beşiktaş. Seltsam, dass der linksgerichtete Proleten- und Studenten-Club damit keine Probleme zu haben scheint. Fenerbahçe hingegen trägt keinen Namenszusatz – der Club von der asiatischen Seite ist übrigens (was sich vor allem beim Männerfußball und -basketball zeigt) ein Sammelbecken für Kemalisten, Nationalisten und Neo-Faschisten. Die „Arena“ hat eine ziemlich auffällige, glatte und mehrfarbige Steinfront und innen ordentliche schwarze und weiße Sitze. Man sitzt sehr nah am Spielfeld und hat überall einen guten Blick – nur 5€ für einen Tribünenplatz (auch beim Männerbasketball) ist völlig O.K. Oberhalb der einen Hintertortribüne sind Presselogen, gegenüber ist ein Gerüst mit BJK-Adlern aufgebaut. Die Deckenkonstruktion ist würfelförmig.

In die Halle passen 3.200 Leute, zu diesem Frauenspiel erschienen nur etwa 500, was in Halle/ Saale bei den Lions in der 1. Bundesliga auch der Fall war, als ich mir mal dort ein Frauenspiel ansah. Die Lions würden sicherlich gegen beide Teams hier gewinnen, doch von einem schwachen Spiel konnte nicht die Rede sein. Nur war die Wurfquote erschreckend schwach bis ins dritte Drittel hinein. Erst dann wurden auch mal Dreier erzielt und mehr Freiwürfe versenkt. Die schwächsten Spielerinnen, die auch frei unterm Korb noch gegen den Ring warfen, waren übrigens bei beiden Teams Ausländerinnen – die besten Scorer allerdings auch…
Das vierte Viertel war das Beste und sah den Gast einen sieben Punkte Rückstand, der eine Minute vor Schluss noch vier Punkte betrug, aufholen. Der Ausgleich zum 68:68 ist auch einer türkischen Spielerin von BJK geschuldet gewesen, die bei 38.50 zwei Freiwürfe verwarf, obwohl sie zwei bzw. drei Minuten zuvor noch mit zwei guten Distanzwürfen traf.
Die Verlängerung wurde dann von Beşiktaş so hastig ausgespielt, dass Fener mit bis zu sechs Punkten davonzog und durch ihre abgeklärtere Spielweise mit drei Punkten gewann. Die Spielerinnen liefen übrigens gesittet jubelnd zügig in die Kabinen und tanzten nicht arrogant „Auswärtssieg“ brüllend durch die Halle, wie ich das in Deutschland dauernd bei Handballspielen (teils sogar mit frechen Gesten gegen die Heimfans) erlebe.

So richtig Derby-Stimmung kam nicht auf, da bis auf ein paar Angehörige hinter der Spielerbank keine Asiaten da waren. Aber die Adler von Beşiktaş hatten einige stimmgewaltige Basketballfanatiker auf der Tribüne. Hinterm Korb standen dauernd junge Leute auf ihren Sitzen und feuerten mit den bekannten, klangvollen Melodien des türkischen Sports an. Ein Knaller war natürlich der dicke Opernsänger der in einer Auszeit ein Vereinslied wie eine Arie sang und sein glatzköpfiger Kumpel, der andere Fans richtig anheizte. Besonders gut auch: das verblödete Kampfgericht blickte nicht durch und wollte der Heimmannschaft einen Punkt zu wenig gut schreiben – gerade in der Phase wo die nicht immer sicheren Schiedsrichter drei Fehlentscheidungen zuungunsten der Besiktas Damen getroffen hatten – was die Fans mit Sprechchören der korrekten Trefferzahl richtigzustellen wussten. Das Kampfgericht fiel aber nicht darauf herein, als sie anfingen den Punktestand von Fener um einen Treffer niedriger als korrekt hereinzurufen...
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Wir blieben nicht noch zum Männerspiel, sondern machten einen Odyssee zum Fußball bei Galatasaray. Die scheiß Arena ist eine einzige Baustelle, zu der man, wenn man nicht per Metro (Seyrantepe Depo) kommt und von dort aus läuft, über abenteuerliche Trampelpfade neben der Autobahn kommt. Wir hatten erwartet, dass es wie bei jedem richtigen Profiverein, der über Internet seinen Kartenvorverkauf abwickelt, die Karten an einer speziellen Kasse abzuholen gibt – doch die Ordner, die auch aufgrund einiger Türken, die diesen Fehler gemacht hatten, echt überfordert waren, schickten uns zurück zur Biletix-Geschäftsstelle (Biletix ist die Drecksfirma, die diese sauteuren Tickets vertickt). Die fanden wir dann im Einkaufszentrum „Istinye Park“ unter mithilfe von zwei freundlichen, älteren Bauarbeitern. Mit dem Taxi, dass uns am Standstreifen der Autobahnausfahrt vor der Besucherauffahrt zum Stadion herauslassen musste, fuhren wir dann eine knappe halbe Stunde vor Anpfiff wieder zum Stadion. Trotz dieser hirnrissigen Organisation dieser scheiß Biletix-Firma – man muss tatsächlich an bestimmten (auch nur an bestimmten!) Büros, die man auch noch vorher kennen soll, vor dem Spiel die Karten abholen – waren wir noch deutlich vorm Anstoß im neuen Ali Sami Yen Stadion.

Dass nur die drei großen Istanbuler Clubs die Meisterschaften gewinnen würden, stimmt natürlich nicht. Gerade in den letzten drei Jahren hat sich einiges getan und vergangene Saison ist Bursaspor Meister geworden. Auch in dieser Saison sind die Istanbuler Clubs alles andere als Dominant. Einzig der Nationalistenclub von der asiatischen Seite der Stadt, Fenerbahçe, mischt vorne mit. Galatasaray, der Verein des Bürgertums und wohl beliebteste Verein überhaupt und auch von mir sehr geschätzte Club aus der gleichnamigen Siedlung im Stadtteil Beyoğlu, ist nur 9. von 18. Das Hinspiel in Karabük, einem Ort im Nord-Anatolien, zwischen Ankara und Istanbul einige Kilometer vom Schwarzen Meer weg gelegen, der soviel wie „Brombeerbusch“ (wörtl. „Schwarzbusch“) heißt, ging auch 2:1 an den derzeit auf Platz 10 liegenden Stahlwerksverein. Mit einer Betriebssportgemeinschaft hat der Club freilich nichts mehr gemein: die Profiligen in der Türkei sind wie in Deutschland auch vom Kommerz mit seinem riesigem Geld- und Marketingaufwand, Show, Zockerei und Sponsorennamen überschüttet. Ob man nun Bundesliga oder Süper Lig, Bayern München oder Beşiktaş guckt: überall dasselbe widerwärtige Kommerzgehabe. In der Türkei sogar eher noch schlimmer, da die Sponsoren sogar die Liganamen versauen und es seit Jahrzehnten ein Problem mit penetranter Werbemaschinerie in allen Lebenssituationen gibt. Ein Highlight war der „Geschenkekrieg“ der Tageszeitungen in den 1980ern, als alle Zeitungen mit Werbegeschenken a la „Kauft diese Zeitung und Ihr erhaltet ein Bügeleisen gratis dazu! – Nein, kauft unsere! Wir geben euch eine Waschmaschine dazu!“ Kunden ködern wollten.
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Was die Süper Lig in meiner Gunst aber trotzdem vor der Bundesliga stehen lässt, ist die Atmosphäre in den Stadien. Für die absolut asozialen Eintrittspreise von 15€ bis 150€ bei großen Clubs (wir haben pro Karte 24€ bezahlt!) bekommt man in solchen gesichtslosen Kommerztempeln wie der nach der Telekom benannten „Arena“ an der Autobahn echt gute Stimmung geboten.

Die „Arena“ ist ja nun, trotz ihrer gewaltigen Ausmaße und der irgendwie doch spektakulären Lage ein 0815-Bau, der völlig gesichtslos und regelmäßig, aber ohne jedes Detail in drei Rängen (der mittlere ist aber nur ein kleiner Logenrang) erbaut wurde. Die grauen Betontreppen sind abartig hässlich. Die Dachkonstruktion uninteressant. Jeder der roten Sitze ist langweiliger aus als der andere.

Aber die Atmosphäre ist alles andere als langweilig: auch wenn heute verhältnismäßig wenige Fans kamen und die Zahl der Gästefans, die aber ziemlich geschlossen mit den üblichen Schlachtengesängen hinter ihrer Truppe standen, eher gering war – Galatasaray rockte schon. Wechselgesänge im ganzen Stadion, viel Hüpfen, Schalparaden, aber leider vor allem (trotz allem aber gut klingende) Gesänge gegen das Präsidium, das man weghaben will. In der Halbzeit klagte uns das ein freundlicher Fan von Galatasaray, der nach der typischen Manier in der Türkei und arabischen Ländern das Gespräch nicht so plump eröffnet, wie in Deutschland üblich, sondern erst mal nach Befinden, Herkunft und ob man nur wegen dem Spiel in Istanbul sei, fragt. Er meinte: „Galatasaray spielte ja schon eine gute erste Halbzeit, aber sie haben nicht getroffen und Spiele davor zu oft verloren – und nur der Sieg zählt für die drei großen Clubs, bei Misserfolg gibt es Stress“.

Getroffen haben sie dann leider in der gesamten Spielzeit nicht – und der Stahlwerkerverein erst recht nicht. Die hatten zwei Torchancen nach Kontern in den ganzen 95 Minuten – Karabük stellte sich nur hinten rein. Leider hat Galatasaray einfach nicht mehr die Qualität, um eine schwache Mannschaft, die außer Verteidigen gar nichts zu können scheint, deutlich in die Schranken zu weißen. An der „stählernen“ Kardemir-Abwehr bissen sich die Galatasaray-„Löwen“ die Zähne aus. Der Ballbesitz für G’Saray lag bei etwa 90% - und 90 ist auch für uns eine interessante Zahl, denn zwischen diesem gar nicht mal schlechten oder langweiligen aber auch erst recht nicht guten Spiel von Galatasaray und Karabükspor sowie dem wirklich schwachen Kick von Bennstedt gegen Dessau im Mai 2010 hatten wir 90 Spiele lang kein 0:0 gesehen. Gerade dieses Statistikspielchen macht den Besuch von Fußballspielen dann noch spannender als sowieso: „Treffen sie nun oder treffen sie nicht?“ Meistens treffen sie schon – wie unsere Statistik beweist: gehen wir bis März 2008 zurück, dann haben wir in drei Jahren 240 Spiele und davon nur 5 torlose (Torschnitt übrigens 4,0 pro Spiel) gesehen, wobei die längste Serie ohne 0:0 bei 101 Spielen hintereinander lag. Mal schauen, wie lange die neue Serie nun hält...
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Statistik:Grounds: 534 (heute zwei neue Grounds; diese Saison: 84 neue)
Sportveranstaltungen: 1.236 (heute zwei, diese Saison: 123)
Tageskilometer: 40 Öffentliche Verkehrsmittel (Metro, Taxi, Standseilbahn)
Saisonkilometer: 22.270 (12.070 Auto/ 4.620 Bahn, Bus, Tram/ 2.830 Fahrrad/ 1.950 Flugzeug/ 800 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 0 (Bis heute zweitlängste Serie: 90 Spiele ohne 0:0, längste überhaupt: 101)
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 240

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