Freitag, 14. September 2012
W319IV: Balkantour 2012 – Tag 14 = Bericht (14)
| Blutrachetürme, Schluchten, militärisch gesicherte Klöster und ein zünftiges Fußballspiel im Kosovo |
K.F. Kosova (Vushtrri) ----------------------------------- 0
K.F. Drita (Gjilan) ----------------------------------------- 1
Datum: Donnerstag, 6. September 2012 – Anstoß: 16.00
Wettbewerb: Sogenannte „Raiffeisen Super League“ (1. kosovarische Fußballliga/ Halbprofiliga außerhalb der FIFA/ UEFA)
Ergebnis: 0-1 nach 95 Min. (47/48) – Halbzeit: 0-1
Tor: 0-1 33. Nr. 23
Verwarnungen: Xh. Mulloi, Zeneli, Kera (Kosova), Nr. 99, Nr. 7, Nr. 3, Nr. 1 TW (Drita)
Platzverweise: keine
Vergebener Handelfmeter: 64. Min., Jetulanu (Kosova) schießt über das Tor
Spielort: Stadioni i Futbollit Ferki Aliu (Kap. 4.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 4.000 (darunter ca. 50 Gästefans)
Unterhaltungswert: 8,0/10 (Gutes und spannendes Spiel, starker Support von den Fans)
a) Football in Kosovo: Kosova Vushtrri vs Drita Gjilan
Wir besichtigten zwar nicht das Patriarchenkloster, aber in die Rugova-Schlucht fuhren wir schon rein, da uns der eine kosovarisch-schweizerische Monteur den Hinweis gegeben hatte, dass die Gegend nicht mehr unter serbischer Verwaltung steht. Also vorbei an einem Militärposten und hinein in die kurvenreiche Stichstraße, die als Piste nach Montenegro rüberführt. Wir fuhren das spektakuläre Tal, das teils mit mehr als hundert Meter hohen Felswänden flankiert wird, auf der Straße, die weitestgehend gut asphaltiert durch drei enge Tunnel und dann unasphaltiert durch mehrere Furten führt, entlang.
Nach Erreichen des Wendepunktes Bogë, eine Siedlung von Almhütten, fuhren wir zurück nach Pejë und weiter nach Izniq, wo es mehrere Blutrachetürme, also Wehrtürme, gibt. Den größten und besterhaltenen kann man auch innen besichtigen. Im benachbarten Deçan brach der Verkehr fast zusammen, doch in Richtung Kloster war nichts los. Wir passierten einen Militärposten mit Panzersperren und parkten dann auf Anweisung der italienischen KFOR-Soldaten oberhalb der Klosteranlage. Dann mussten wir die Pässe abgeben und bekamen einen Passierschein „Visitor/ KFOR“. Es hat schon seine Gründe, warum ein solcher Sicherheitsaufwand betrieben wird! Das Kloster an sich ist sehr sehenswert, wobei die mittig stehende Klosterkirche innen etwas abgewittert ist und deshalb saniert wird. Außen wurde schon schön Sandgestrahlt.
Über Umwege kamen wir nach Vushtrri, wo nun endlich der Zusatzländerpunkt Kosovo abgehakt werden konnte. Einen Zusatzländerpunkt gibt es dann, wenn ein Staat einen eigenen Verband mit entsprechenden Wettbewerben und möglichst auch Nationalmannschaften hat, jedoch nicht der FIFA angehört. Gehört er einem Kontinentalverband an (wie z.B. Palau der OFC) zählt das Land auch nur als Zusatzpunkt. Wenn es gänzlich nicht anerkannt wird – wie Kosovo, Südsudan, Abkhasien, Grönland oder Nordzypern (alle Länder haben Ligen und Auswahlteams; Grönland sogar eine Handball-Wertverband-Zulassung, aber allesamt keine Verbandszugehörigkeit im Fußball vorzuweisen) – dann ist es natürlich erstrecht nur ein Zusatzpunkt.
Das Stadion „Ferki Aliu“ ist schon einen Besuch wert. Stacheldraht bestückte Mauern und massive sowie ebenfalls Stacheldraht bewährte Tore umschließen den unebenen Platz mit den zwei Tribünen auf den Längsseiten und dem bisschen VIP-Zelt und Umkleidekabinen hinter dem einen Tor. Die Tribünen sind echt der Knaller: Rostige Metallkonstruktionen, die mal Schalensitze bekommen sollten, und nun wacklig und rostbraun ohne Geländer aber mit großen Zwischenräumen am umzäunten Spielfeld herumstehen. Drumherum stehen zumeist gerade mal halbfertige Häuser, von deren Treppen, Fenstern, Dächern und Balkonen fleißig Eintritt gespart wird. Die niedrigere aber bessere Tribüne kostet 2€, die höhere aber verrottetere Tribüne nur 1€.
Unabsichtlich nahmen wir letztere, sodass wir nahe an den Stimmungsmachern von Kosova Vushtrri saßen, die zum Einlauf der Teams gleich mal Rauchbomben in den Vereinsfarben blau-weiß abfackelten. Im Laufe des Spiels kam auch der ein oder andere Feuerwerkskörper ans Tageslicht – mal auf der Tribüne, mal auf dem Feld abgebrannt. Die ein oder andere Flasche flog auch nach den Gästen aus dem südkosovarischen Gjilan, die von einer Bus- und einer Autoladung Fans unterstützt wurde. Die Autofahrer waren von Anfang an auf der Tribüne gegenüber von uns da – die Busfahrer kamen erst zur 40. Minute, wobei sie dann auch blöderweise das einzige Tor ihrer Mannschaft und somit auch den einzigen Treffer der ganzen Partie verpassten. Pech gehabt, doch die Mannschaft und dann den Sieg feierten sie trotzdem unablässig. Die Atmosphäre wirkte nicht sonderlich feindselig, auch wenn ab und an mal was geflogen kam – das ist normal im Kosovo. Es hat sich niemand geprügelt und niemand hat das Feld gestürmt. Ein paar Feuerwerkskörper und Wurfgeschosse sind das normale Maß an Unterstützung und ergänzen die akustischen Anfeuerungen, die man auch woanders auf dem Balkan in diesen Melodien hört.
Das Spiel wusste übrigens ebenso zu gefallen, wie die Atmosphäre im Stadion. Vushtrri machte zu Beginn etwas mehr, doch je mehr Drita ins Spiel kam, umso mehr geriet Vushtrri ins Schwimmen. Das 0:1 war ein starker Konter nach über einer halben Stunde. Mit dem Wechsel legte Kosova Vushtrri dann richtig los. Drita Gjilan hatte kaum eine Chance in Hälfte zwei. Doch die Chancenverwertung der Heimelf war so schwach, dass sie nicht einmal einen Elfer verwandelten. So blieb es beim 0:1 und wir machten uns auf die Piste.
Fünf Minuten Grenzabfertigung, zehn Minuten Essen einkaufen und vier Stunden Fahrt. Erstaunlich schnell fanden wir zum Hotel IKEA auf dem Unicampus in Tirana. Es war nur eine echte Umstellung, dass man jetzt wieder mit Albanisch klarkommen musste. Auch in Tirana spricht fast niemand eine Fremdsprache, was ja im Kosovo nirgendwo der Fall war – wenigstens etwas Englisch oder oft sogar Deutsch konnten die Leute alle.
Grounds: 790 (heute ein neuer; diese Saison: 22 neue)
Sportveranstaltungen: 1.603 (heute 1, diese Saison: 26)
Tageskilometer: 490 (490 Auto)
Saisonkilometer: 8.860 (8.270 Auto/ 510 Fahrrad/ 80 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug/ 0 Bahn, Bus, Tram)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 137
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 319
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