Freitag, 14. September 2012

W318II: Balkantour 2012 – Tag 5 = Bericht (5)

| In Bosniens überfüllter Tourismusmetropole und in der leeren Bergwelt der Republika Srpska |

Photos with English Commentary:
 
Am Dienstag brachen wir von Sarajevo aus zu einer Tour in zwei sehr unterschiedliche Regionen Bosnien/ Herzegowinas auf. Zuerst ging es über die Bundesstraße 17, die an der eindrucksvollen Schlucht des Flusses Neretva entlang führt, nach Mostar. Die Stadt ist berühmt wie überschätzt und zudem die einzige Stadt in Bosnien, die Anzeichen von Massentourismus hat. Die Frau, die die Parkgebühren (1€ pro Stunde) einsammelte, wollte uns gleich eine Stadtführung zu einem an sich vernünftigen Preis anbieten – angeblich hat man da viel günstigeren Eintritt in Museen, die angeblich 6€ kosten sollen – war aber auch nach meiner Ablehnung, dass wir uns lieber alleine umsehen wollten, noch freundlich. Unverschämt waren nur einige Roma-Frauen und -Kinder, die auf die Mitleidstour machen wollten um ein paar Euros für Essen zu erbetteln. Da man leider in Bosnien in jedem Ort gleich ein Dutzend Arme unterstützen müsste, gaben wir gleich gar nichts. Außer in Mostar wird man übrigens auch nirgendwo in BiH angequatscht, dass man doch dieses Mitbringsel oder jenes Souvenir kaufen solle oder mal dieses und jenes Restaurant (allesamt überteuert: man sollte lieber nicht in Mostar essen, sondern lieber in einem Motel in der Umgebung!) besuchen. Wirklich aufdringlich waren aber wieder einmal nur die Roma.
IMG_7415 Was bei Mostar aber insgesamt doch etwas enttäuschend ist, ist der geringe Umfang der Altstadt. Das hat nicht nur mit der erschreckenden Geschichte der Stadt, die durch die Zerstörung der Brücken durch die kroatischen Faschisten in den 1990ern geteilt war, zu tun. Der Ort ist einfach im Kern klein – und modern etwas drumherum gewuchert. Außer ein paar Moscheen, ein paar spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Steinhäusern und ebenjener berühmten Fußgängerbrücke mit ihrer charakteristischen Bogenform und den herrlichen Befestigungstürmen an ihren jeweiligen Enden, gibt es nichts zu sehen in dieser Stadt, die wohl – wenn die Horden von Touris nicht währen – ein verschlafenes Dorf wäre. Mehr als eine Stunde braucht man für die Besichtigung von Mostar nicht einzuplanen. Das viel unbekanntere Blagaj, 10km östlich von Mostar, sollte man aufgrund zweier architektonischer Highlights unbedingt auch besuchen. Dort muss man dann auch mindestens zwei Stunden einplanen.

Blagaj fängt zwar erst nicht so toll an – ein unglaublich verrotteter aber bespielter Fußballplatz am Ortseingang, bald darauf eine beschädigte Kirche die gerade wiederhergestellt wird und dann noch eine richtige Kirchenruine, die daran erinnert, dass es auch Aggressionen der Serben gegen die Kroaten u.a. auch in Bosnien gab (die Kirchen sind nämlich katholisch und damit den orthodoxen Extremisten aus Serbien Feind Nummer 2 nach den bosniakischen Muslimen) – doch dann erreicht man über einen schmalen Asphaltweg entlang des Ufers der Neredva die Tekke (bosnisch Tekija) des lokalen Derwischordens. Diese muslimischen Mystiker könnte man auch als Mönche des Islam bezeichnen, wobei eine Tekke dann als Kloster verstanden werden muss, was von der Ausrichtung einer solchen Einrichtung auch korrekt ist. In dieses unheimlich spektakulär unter fast 100m hohen und richtig erdrückenden Felswänden gelegene islamische Konvent kommt man sogar gratis rein. Wenn keine Gebetszeiten sind, kommt man unter Beachtung der üblichen Kleiderregeln auch in den Innenraum – wir schafften es sogar noch in der Karenzzeit zwischen Gebetsruf und Gebetsbeginn durch die Räumlichkeiten, die teilweise sehr schön verzierte Holzdecken haben, zu gehen.

Auf einem der Felsen etwas oberhalb der Tekke liegt eine Burganlage, die der perfekt Englisch (also sogar richtiges, d.h. britisches Englisch) sprechende Bosnier, dem wir dort begegneten, zu Recht als „amazing“ bezeichnete. Sćepangrad ist wirklich toll gelegen da oben auf dem Felsen mit Blick in ein enges und weites Tal. Einfach dem Schild „Stari Grad 1km“ nach: Nach 500m hört der Asphalt auf und es beginnt der schlechteste Schotterweg (500m Länge) den ich je gefahren bin; da ich aber mit dem frontgetriebenen Dacia Crossover durchgekommen bin, würde ich nur von der Benutzung des Weges abraten, wenn man ein normal niedrig liegendes Auto wie Opel Zafira oder Ford Corsa hat. Über tolle Trampelpfade kommt man in 30 Minuten zur Burg hoch, wo zwar Sicherungsarbeiten laufen, aber keinerlei Absperrungen vorhanden sind. Die Mauern der Ruine sind außer auf der Südseite ganz gut erhalten. Allerdings kann man nur auf einen von vier vorhandenen Wehrtürmen klettern. Der reicht aber schon wirklich für einen Wahnsinns-Überblick!

Ab Blagaj wird es sehr ruhig auf den kurvenreichen Landstraßen. Hat man die Republika Srpska erreicht, wird es noch ruhiger. Kaum ein Ort – hier und da mal ein Gehöft, teilweise unbewohnt vor sich hin verfallend, teilweise auch zerschossen – und kaum ein Auto. Nur Berge, Bäume, Weiden, Rinder (auch mal auf der Straße) und primitive Parkplätze am Wegesrand; die besseren sogar mit Quellen, an denen man sich seine Flaschen abfüllen kann. Eindrucksvoll war eine Bushaltestelle, neben der ein durchgerostetes und von Kugeln durchsiebtes Buswrack vor sich hin gammelt – in 100m Entfernung ein kleiner Fußballplatz, dahinter eine baumbestandene Kuh- und Schafweide und irgendwo hinter dem 500m entfernten steinigen und spärlich bewachsenen Hügel dann ein kleines Dorf, wo die Spieler für diesen Bolzplatz herkommen werden.

Der erste richtige Ort kommt erst 40km nach Blagaj und heißt Nevesinje, danach sind aber wieder fast 50km Wildnis bis Gacko. Da fanden wir dann auch endlich ein Restaurant, dass einen guten Eindruck machte. Da bekam man auch zu einer solchen Unzeit wie 16.15 noch eine Pizza und Palatćinka (Käse, Schinken und Hühnerfleisch kross überbacken mit saurer Soße) – für nur 6€ pro Person – serviert. Gegenüber des Restaurants wird gerade eine kleine orthodoxe Kirche gebaut, dahinter steht gleich eine winzige Moschee, gegenüber dann ein Heldendenkmal der jugoslawischen Armee und in Reichweite sind schroffe Kalkberge. Jedes zweite Haus im Zentrum dieser kleinen Industriestadt war übrigens mit Graffitis, die Ratko Mladić – den erst letztes Jahr nach Einsichtigkeit der serbischen Regierung, die ihn 15 Jahre lang deckte, wegen Kriegsverbrechen in Srebrenica und Sarajevo gefassten Ex-General – als „Serbischen Helden“ hochleben lassen, beschmiert.

Die Fahrt durch die Neretva-Schlucht wurde noch von der 30km hinter Gacko auf halbem Weg nach Foča beginnenden Sutjeska-Schlucht getoppt, da diese Schlucht noch enger, höher und zerklüfteter ist. Eine herrliche Gegend – und menschenleer! Was man doch auch im dicht besiedelten Europa alles für Ecken findet – da versteht man die Begeisterung der deutschen Mitbesitzerin im Hotel „Bavaria“ in Foča, die in die Heimat ihres Mannes gezogen ist, um mit ihm ein Hotel zu betreiben, gegenüber Bosnien und anderen Gebieten Ex-Jugoslawiens. Begeisternd für uns war die hervorragende Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis dieses Motels: Großes Zimmer in toller Lage, darin auch eine Kochecke mit Kühlschrank, zudem eine ordentliche Dusche, Internetanschluss und Frühstück für nur 19€. Da sich Foča für Tagesfahrten nach Mostar, Sarajevo und die östliche Republika Srpska (Višegrad usw.) eignet, bzw. auch als Sprungbrett in den Norden Montenegros, kann ich das „Bavaria“ nur empfehlen. Wenn man nach Bosnien kommt, sollte man dieses hervorragende Hotel ruhig aufsuchen!
Wir waren übrigens aus dem zweiten genannten Grund nach Foča gekommen: Am Mittwoch stand der Länderpunkt Montenegro an, der mit einem Spiel im nur 200km aber selbst bei den wenigen Besichtigungen (außer Landschaft gibt’s halt nicht viel im Nordteil des kleinen Landes mit dem vielsagenden Namen Montenegro/ Crna Gora/ Schwarzenberg) doch 7 Stunden entfernten Plav.
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Statistik:
Grounds: 784 (heute kein neuer; diese Saison: 16 neue)
Sportveranstaltungen: 1.597 (heute keine, diese Saison: 20)
Tageskilometer: 310 (310 Auto)
Saisonkilometer: 5.910 (5.400 Auto/ 510 Fahrrad/ 0 Flugzeug/ 0 Bahn, Bus, Tram/ 0 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 133
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 317

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