Donnerstag, 15. September 2011
W267III: Kirchenburgen und Altstädte Transsilvaniens bzw. Siebenbürgens
Photos and English version:
Das Kernland Siebenbürgens bzw. Transsilvaniens stand für uns heute auf dem Programm: aufgrund der schlechten Infrastruktur muss man, wenn man Rumänien unter Zeitdruck besucht, sich die besten Sachen auswählen und andere gute Orte links liegen lassen oder sich bei den kleineren Sachen auf dem Weg maximal ein paar Minuten aufhalten. Trotz Zeitdruck (also in einem Tag 375km von Cluj über Sibiu und Sighişoara nach Târgu Mureş zu schaffen, was bei guten Straßen mehr als nur vier Zwischenstopps locker zulassen würde) haben wir aber mehrere wichtige und sehr sehenswerte Orte besichtigen können.
Wir begannen aber erst einmal nach dem einfachen Frühstück im Hotel Beta in Cluj damit, die wenigen Sehenswürdigkeiten der Klausenburger Altstadt abzufahren. Da wären die folgenden Punkte zu nennen: die orthodoxe Kathedrale mit gegenüberliegendem Theater, die katholische Kirche mit dem angrenzenden Platz, die Synagoge... na ja; und das war’s aber auch schon.
Ein paar Kilometer nach Westen raus und rauf auf die Autobahn. Die ist lächerliche 50km kurz und nach 40km durch die schöne, grüne, bergige Landschaft mussten wir runter bei Turda – von da an fährt man aber ganz ordentliche Landstraßen bis Sibiu nur phasenweise überlastet. Sibiu ist auch als Hermannstadt bekannt und das ein oder andere Schild – eine deutsche Bäckerei, deutsche Grabplatten in der Kathedrale usw. – erinnert auch noch an das deutsche Erbe. Das kulturelle Erbe ist aber – auch wenn Sibiu 2007 Kulturhauptstadt wurde – reichlich angegammelt. Wenn man Sibiu gesehen hat, weiß man warum Essen neben Istanbul als europäische Kulturhauptstadt gewählt wurde. Ein paar bescheuerte Theaterveranstaltungen und Konzerte veranstalten reicht dafür schon: wenn man dann noch einen arroganten Selbstdarsteller als Bürgermeister hat, braucht man keine ordentlichen Straßenzüge: da reichen verfallene Ackerbürgerhäuser an jeder Ecke. Sibiu hält leider absolut nicht das, was es großkotzig verspricht. Nur ein paar Kirchen und wenige gut erhaltene Häuser verschiedener Bauepochen lohnen sich. Wie versifft der Ort leider ist, sieht man am besten, wenn man auf den Wehrturm oder die Kathedrale (niedriges Entgelt, 0,50€ oder 1€ umgerechnet) steigt: die Dächer sind bei 90% der Häuser verrottet.
Den Niveauunterschied zwischen dieser Farce und Show „Kulturhauptstadt“ und dem seriöse „Weltkulturerbe“ ist dann ersichtlich, wenn man von Sibiu nach Biertan kommt. Um ins Dorf Biertan, dass für seine Wehrkirche bekannt ist, zu kommen, hat man zwei Wege zur Auswahl. Durch Unaufmerksamkeit an der Hauptkreuzung in Mediaş nahmen wir den zweiten, etwas längeren aber eigentlich besseren – denn man muss nicht die Strecke von der Straße Nr. 14 hin und wieder zurück fahren um nach Sighişoara weiter zu reisen. Biegt man in Mediaş auf Höhe des Stadtzentrums rechts ab, geht es auf engen, recht gut asphaltierten Straßen knapp 10km geradeaus bis Moşna, wo es einen weiteren schönen Komplex einer Wehrkirche – d.h. eine Kirche und oft noch mehrere Nebengebäude die von einer massiven Mauer umschlossen sind: so ein mittelalterliches Bauwerk kenne ich in Deutschland nur einmal und auch wenig spektakulär; Horka bei Niesky in Sachsen – zu sehen gibt. Schon nahe bei Mediaş steht ein kleineres, etwas heruntergekommenes Exemplar in Frauendorf, also Axente Sever. Nach Moşna taucht nach etwa 7km rechts ein Schild nach Biertan (Birthälm) auf, das nach scharf links in den Wald deutet. Wer kein richtiges Auto hat, hätte eh nicht bis hierher fahren dürfen – aber mit einem Dacia wie dem meinen so einen unbefestigten Weg mit 40, 50 entlang zu fahren ist kein Problem. Nach 3km gibt es auch wieder richtigen Asphalt: da hat man das recht idyllische und sehr gleichförmig gebaute Richiş (Reichesdorf) erreicht. Wen jetzt die dauernde Erwähnung deutscher Namen wundert: Rumänien empfinden es als historische Gegebenheit und nicht als politische Provokation, dass ihre Orte, die teilweise auch noch ethnische Deutsche zu ihren Bewohnern zählen oder zumindest recht viele Einheimische vorweisen können die sich mit deutscher Sprache, Kultur usw. befasst haben, auch deutsche Namen tragen. In Tschechien z.B. würde man aber auch nie wie in Rumänien die Ortsschilder untertiteln (oftmals sind die Schilder in Rumänien auch ungarisch untertitelt).
Aber wieder zurück nach Biertan: dort gibt es zwar wenige sehenswerte Privat- oder Verwaltungshäuser aber eine alles überstrahlende Wehrkirche, die für 6 Lei (1,50€) zu besichtigen ist. Dicke Ringmauer, mehrere holzverkleidete Türme, eine Hauptkirche, zum oberen Teil führt ein holzüberdachter Treppengang, dann der Blick in die grüne Hügellandschaft: eine tolle Gegend dort in Biertan!
Über Dumbravăni, einem völlig heruntergekommenen Dreckskaff wo es eine historisch ganz interessante Kirche gibt – die Minderheit der Armenier ist allerdings fast völlig verschwunden (teils assimiliert, teils abgewandert) in Rumänien – fuhren wir nach Sighişoara. Mit seiner Berglage ist Sighişoara schon um einiges interessanter als Sibiu und vergleicht man dann die Gebäude – vor allem die spektakulären Wohntürme, die Wehrkirche, die Stadtmauer, den kleinteiligen Marktplatz mit den weitestgehend sanierten Häusern usw. mit Hermannstadt, kann man nur sagen, dass das sehr sehenswerte Schäßburg – also Sighişoara – klar vorm mittelmäßigen und somit auch einfach überschätzten Sibiu einzuordnen ist. Natürlich ist Sighişoara auch Weltkulturerbe – und nicht etwas „Kulturhauptstadt“.
Schließlich fuhren wir noch nach Târgu Mureş, einer Großstadt mit ganz ansehnlichem aber kleinteiligem Altstadtkern, wo wir ein Hotel gebucht hatten: die Vila Chesa klingt etwas hochtrabend, aber für nur 29€ im Doppel- bzw. wie wir hatten 35€ im Dreibettzimmer diese Qualität zu liefern ist topp! Aber das ist halt Rumänien: nicht zu kleine, saubere, ordentliche Zimmer auf europäischem Stand – sogar Internet gratis und Frühstück auch im Preis inbegriffen – und dann so niedrige Preise. Auch das Abendessen im angrenzenden Restaurant war für 23€ ziemlich billig: drei Leute und dann jeder 0,5l Getränke, eine große Suppe und ein ordentliches Fleischgericht mit Beilage und Salat.
Was den Altstadtkern dann angeht: entlang eines rechteckigen Boulevards reihen sich zwei Kirchen, diverse ansehnliche Wohn- und Geschäftshäuser (darunter auch Jugendstilgebäude), das Rathaus und der Kulturpalast – das spektakulärste Gebäude der Stadt. Unweit davon ist die Zitadelle, die von außen besser aussieht als von innen (trutzige Mauern mit Türmen bewährt gegen kahlen und vermüllten Innenhof) und auch eine weitere Kirche umschließt. In Târgu Mureş ist übrigens neben Rumänisch nicht Deutsch die wichtigste Sprache, sondern wieder Ungarisch. So erklärte uns ein Typ den Weg in die Festung auf Rumänisch und Ungarisch, und mehrere Plakate in der Stadt wiesen in Rumänisch UND Ungarisch auf ein Erstligafußballspiel zwischen FCM Târgu Mureş und Astra Ploieşti hin. Das wäre als wenn Schalke 04 ihre Spielplakate Deutsch und Türkisch aushängen würde: aber die meisten Türken im Ruhrgebiet sind trotz gegenteiliger Behauptungen besser integriert und können auf jeden Fall besser Deutsch als viele Ungarn in Rumänien Rumänisch können...
Statistik:
Grounds: 626 (heute kein neuer; diese Saison: 32 neue)
Sportveranstaltungen: 1.352 (heute keine, diese Saison: 38)
Tageskilometer: 380 (380 Auto)
Saisonkilometer: 6.060 (5.130 Auto/ 930 Fahrrad/ 0 Flugzeug/ 0 Bahn, Bus, Tram/ 0 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 70
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 267
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