Dienstag, 10. April 2012

IND-XXVI: Endlich mal raus aus Kerala – Ostern in Bangalore, Karnataka State (Teil 2)

Royal Challengers Bangalore 157/8
Delhi Daredevils 137/7
Datum: Samstag, 7. April 2012 – Beginn: 16.00
Wettbewerb: „DLF“ Indian Premier League (1. indische Cricketliga, Profiliga)
Spielformat: Twenty-20 (= 20 Overs je Team)
Resultat: Bangalore schlägt Delhi mit 20 Runs, bei 157 Runs für 8 Wickets
Münzwurf: Delhi gewann Seitenwahl und begann als Feldmannschaft
Schlagmänner-Statistiken Bangalore: Mc Donald (30 Runs [R] bei 19 Bällen [B] = 157.89er Schlagrate [SR], davon 4 Vierer [4s] und 2 Sechser [6s] – ausgeschieden durch Bracewell per gefangenem Ball [c] bei Wurf von Morkel [b]), de Velliers (64 R, 42 B = 152.38 SR, 6x4s, 2x6s – nicht ausgeschieden), Vinay Kumar (18 R, 16 B = 112.50 SR, 1x4s – Morkel (c), Bracewell (b)), Agarwal (16 R, 15 B = 106.66 SR, 1x4s, 1x6s – Nagar (c), Nadeem (b)), Kohli (8 R, 8 B = 100 SR, 1x 4s – Nagar (c), Bracewell (b)), Pujara (11 R, 12 B = 91.66 SR, 1x 4s – Pathan (c), Morkel (b)), Vettori (3 R, 4 B = 75 SR – run out* durch Bracewell und Maxwell), Tiwary (1 R, 3 B = 33.33 SR – leg before wicket**, Maxwell (b)), Patel (0 R, 1 B = 0 SR – Bracewell (b))
Schlagmänner-Statistiken Delhi: Pathan (24 R, 15 B = 160 SR, 2x4s, 1x6s – run out* durch Patel/ de Velliers), Bracewell (12 R, 9 B = 133.33 SR, 1x4s – nicht ausgeschieden), Ojha (33 R, 26 B = 126.92 SR, 4x4s, 1x6s – Kohli (c), Muralitharan (b)), Nagar (16 R, 15 B = 106.66 SR, 2x4s – Patel (c), Vettori (b)), Finch (25 R, 24 B = 104.16 SR, 3x4s – leg before wicket**, Muralitharan (b)), Rao (18 R, 23 B = 78.26 SR, 1x4s – Agarwal (c), McDonald (b)), Maxwell (3 R, 4 B = 75 SR – Khan (c), Muralitharan (b)), Morkel (2 R, 3 B = 66.66 SR – nicht ausgeschieden), Sehwag (0 R, 1 B = 0 SR – Pujara (c), Zaheer (b))
Werfer-Statistiken (Bangalore): Pathan 4 Over - 0 Maidens - 47 abgegebene Runs - 0 Wickets, Bracewell 4-0-32-3, Morkel 4-0-30-2, Yadav 2-0-8-0, Nadeem 4-0-26-1, Maxwell 2-0-10-1
Werfer-Statistiken (Delhi): Zaheer 4-0-36-1, Vinay Kumar 4-0-25-0, Mc Donald 2-0-11-1, Vettori 4-0-28-1, Muralitharan 4-0-25-3, Patel 2-0-10-0
Spielort: M Chinnaswamy Stadium (Kap. 40.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 30.000 (davon ca. 250 Gästefans)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Auf diesem hohen Niveau ist Cricket ein sehenswerter Sport, T20 als Format ist auch gut, ebenso wusste die Cricketbegeisterung der Fans zu überzeugen – aber Show, Kommerz und restliches Drumherum sind in der IPL so was von pervers, dass mehr als ein einziger Spielbesuch nicht erstrebenswert ist!)
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Photos with English Commentary:
Am Samstag sollten nicht nur die sauteuren Cricketkarten, die ich am Vortag gekauft hatte, zum Einsatz kommen, sondern auch kontrolliert werden, in wie weit der Name „Gartenstadt Bangalore“ berechtigt ist. Bangalore heißt ja wörtlich eigentlich „Bohnenstadt“, doch bekannt ist sie seit mehreren Hundert Jahren durch ihre Garten- und Parkanlagen. Die wichtigste derartige Anlage ist der botanische Garten Lalbagh, der im 18. Jahrhundert vom muslimischen Sultan Hyder Ali und seinem berüchtigten Sohn Tipu Sultan nach persischem Vorbild als Rosarium (deshalb auch der Name Lalbagh, was „roter Garten“ - wegen der berühmten roten Rosen - heißt) angelegt wurde. Mittlerweile gibt es dort viel mehr als Rosen, so zum Beispiel eine schöne Bonsaisammlung, Palmenhaine, in Form geschnittene Hecken, ein paar Sukkulenten und eindrucksvolle süd- und zentralasiatische Bäume – und das eigentlich Rosarium ist für Besucher nur über einen Zaun hinweg einsehbar, da die bescheuerten Besucher dauernd Rosen gepflückt haben. Die meisten indischen Parks sind aufgrund der Unfähigkeit der Mehrheit der Einheimischen, sich (so hart das klingt) zivilisiert zu verhalten, stark bewacht oder ganz geschlossen. Auch im botanischen Garten waren Horden von Wächtern dauernd damit beschäftigt, Inder aller Schichten zurechtzuweisen, dass man Papierkörbe benutzen muss, die freilebenden Tiere nicht ärgern darf und die Toiletten benutzen statt gegen den nächstbesten Baum pissen soll.

Nach dem Mittagessen ging es zum Cricket. Die IPL (Indian Premier League) ist eine der bekanntesten Cricketligen der Welt und die mit Abstand umstrittenste. Das fernsehgerechte T20-Format ist an sich schon bei Konservativen Cricketleuten insbesondere in England umstritten, hat aber den Vorteil, dass man nur vier Stunden im Stadion sitzt und nicht wie bei den klassischen Spielformen locker acht oder neun Stunden. Warum ich als Fazit leider sagen muss, dass die Liga zwar sportlich sehr interessant, aber ansonsten ein Spiegelbild der perversen Gesellschaft des Subkontinents ist, muss ich im Folgenden ausführlicher erklären, als das Spiel zwischen Royal Challengers Bangalore und Delhi Daredevils selbst.
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Die Perversion fing schon an der Kasse an: ich hatte Glück, noch zwei Karten für die zweitniedrigste Kategorie zu bekommen. Karten mit Sichtbeeinträchtigung kosten 330 Rupien (5,00€) und sind nur auf eine niedrige dreistellige Zahl konzipiert. Auf diesem Plätzen hockt die Mittelschicht. Gute Sicht kann sich nur die Oberschicht leisten. Im Oberrang, zweitbilligste Kategorie, habe ich pro Karte wahnsinnige 1.100 Rupien (also 16,90€) hingelegt. Die normalen Karten gehen bis zu einem Preis von 5.500 Rp. (84,60€) hoch. VIP-Karten kosten je nach Logenplatz bis zu 55.000 Rp. Das sind 846€!

Dabei ist Cricket keineswegs ein reiner Oberschichtensport in Indien: dort interessiert sich ein genauso hoher Prozentsatz der Bevölkerung für Cricket, wie in Deutschland für Fußball. Dumm und feige wie viele aber sind, kommen sie nicht einmal auf die Idee, für billigere Eintrittspreise zu demonstrieren. Die Mittelschicht und die die einfachen Leute lassen sich einfach aussperren und überlassen Spitzen-Cricket der Oberschicht. Es gibt ja schließlich Fernsehübertragungen. Toll! Bei der Einstellung ist es kein Wunder, dass sich in Indien nie etwas in der Gesellschaft ändert.

Noch ein Grund, warum Indien völlig hinterm Mond ist, ist die Unfähigkeit, bei Gesetzen zwischen sinnvoll und sinnlos unterscheiden zu können: dieselben Leute, die ihren Müll neben einen Mülleimer in ein Blumenbeet werfen, halten sich an das Verbot ein IPL-Spiel zu filmen oder zu fotografieren. Unsympathisch wie Inder mehrheitlich leider sind, wollten mich die Ordner mit der Kamera nicht reinlassen. Aber halb so schlimm: dann geht halt Anja mit ihrer Kamera einfach durch die Kontrollen durch, da niemand eine Frau kontrolliert! Nachdem ich die Kamera zurück ins Hotel gebracht und wieder gekommen war, bemerkte ich im Stadion, wie viele andere wenigstens auch Handys rein geschmuggelt hatten. Die IPL-Bonzen haben den Schuss echt noch nicht gehört: in den wenigen Staaten, in denen Bildaufnahmen der Zuschauer reglementiert werden, wurden die Regeln in den letzten Jahren immer mehr gelockert und immer mehr Verbote fielen weg. Aber in Indien kommen neue hinzu! Wer sich so verblöden lässt von einer Firma, die eine Liga organisiert, dem ist echt nicht mehr zu helfen: schon bevor das Spiel begann zeigte sich mal wieder, dass Indien besonders in Sachen Sport wirklich das Dümmste ist, was einem unterkommen kann.

Dafür, dass man während der vier Stunden wirklich guten Sports dann aber auch noch ohne Ende Show drum herum hat, fehlt nicht nur konservativen Fans Verständnis. Die Bosse der Liga toppen die Fußball-Premier-League in England oder die DFB- und DFL-Heinis noch um Längen in allen negativen Kommerz- und Showerscheinungen, da man versucht, den US-amerikanischen Klamauk von Football, Baseball und Co. eins zu eins ins Cricket zu übernehmen. Also in eine Sportart, die sich vom Baseball vor allem dadurch unterscheidet, dass sie traditionsreich und stilvoll ist – Baseball ist nämlich nur ein vereinfachter Abklatsch des mittelalterlichen englischen Spiels. Während man im Stadion wenigstens nur von Bandenwerbung optisch erschlagen wird und nicht dauernd Spots wie im Fernsehen zwischen den Overn hat, fragt man sich, wie die IPL-Vereine trotzdem dauernd Schulden erwirtschaften können. Riesige Werbeeinnahmen, Fernsehgelder und anderer Medienrummel – aber trotzdem viele lakhs Schulden.
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Richtig krank ist die Show mit den Cheerleadern. Meint da jemand vielleicht, man würde in Indien indische Cheerleader sehen wollen? Nein: da werden Cheerleader aus Europa und Südafrika (aber bloß keine Schwarzen!) eingeflogen, die auch allesamt weiß sein müssen. Von den Bemerkungen der Zuschauer vor mir, war klar zu verstehen, dass diese weißen Cheerleader (der Name der Gruppe war auch noch eindeutig: „White Mischief Girls“ – Betonung auf „White“) gut genug sind um sich daran aufzugeilen. Rassistisch wie die meisten Inder sind, würden sie aber nie eine Beziehung und schon gar keine Ehe mit einer Frau außerhalb ihres engen ethnischen und religiösen Kreises eingehen. Aber die Frauen aus ihrem Bereich sind dann nicht geil genug für Cheerleading – obwohl es genug gäbe, die das auch für Geld machen würden.

Der eine RCB-Fan direkt vor mir war natürlich der Knaller: wenigstens feuerte er auch die Mannschaft an, aber beim albernen Johlen gegenüber den Cheerleadern war er der größte - und dann hatte der ein Bild vom Führer als Hintergrundmotiv auf dem Smartphone...

So dumm wie abweisend aber auch die ganzen Fans um mich herum waren, so interessant war es auch ihre Cricketbegeisterung zu erleben. Das einzig positive am Drumherum des Spiels war ja, wie die Leute bei jedem geworfenen Ball und jedem Schlag des Batsman mitgingen und frenetisch feierten, wenn ein Schlagmann vier oder gar sechs Punkte erzielte (also den Ball indirekt oder direkt ins Aus beförderte) oder ein Feldspieler mit einem Hechtsprung den Ball aus der Luft griff um so den Schlagmann zum Ausscheiden zu bringen. Bei so einem „Catch“ für Bangalore sprang fast jeder Fan schreiend auf und schwenkte die roten Fahnen mit den gold-blauen Symbolen des Heimvereins. Überraschend viele Bonzen hatten sich auch aus der Hauptstadt aufgemacht, um ihre Daredevils zu unterstützen. Die Gästefans saßen wild verteilt im ganzen Stadion, sodass nicht ganz klar war, ob wirklich nur 250 die Gäste unterstützten. Es könnten auch 400 gewesen sein.

Während in Sachen Umfeld die negativen Gesichtspunkte überwogen, war unter sportlichen Aspekten das Spiel nur positiv zu bewerten. Das einzig wirklich gute an der IPL ist das hohe Spielniveau. Wenn man sich wie ich ein bisschen im Cricket auskennt, erkennt man sofort die Unterschiede zu den meist langweiligen Amateurspielen. Man muss sich zwar auch fragen, warum man mit einem Sport, bei dem man so wenig körperliche Anstrengungen hat, Millionen (und zwar Millionen von Euro!) verdienen kann, aber so ein Spiel der IPL (oder eben auch ein internationales Spiel) hat schon was! Die aufwendigen Würfe der Bowler, die geschickten Schläge der Batsmen und die spektakulären Sprünge zum Fangen der Bälle durch die Feldspieler sind schon sehenswert. Der Spielverlauf ist auch oft spannend, da man bis kurz vor Schluss fast nie sagen kann, wer gewinnt.

Der erste Spielabschnitt – heute war es so, dass Bangalore zuerst am Schlag war – ist natürlich noch nicht so spannend. Für die Schlagmannschaft geht es darum möglichst viele Punkte vorzulegen. Delhi konnte das heute nicht ganz so gut verhindern, wodurch ein beachtlicher aber keineswegs uneinholbarer Vorsprung von 157 Runs nach 20 Overn (so ein Spielabschnitt umfasst 6 Würfe, also insgesamt 120 Würfe bis zum Seitenwechsel) entstand. Für Delhi galt es dann nach der Pause zwischen den beiden Innings (also quasi der Halbzeit) die ganzen Punkte aufzuholen. Erst als der viertletzte Ball geworfen war, stand wirklich fest, dass sie nicht mehr aufholen können. Mit 20 Runs – kein ganz knapper Erfolg, doch auch nicht gerade ein hoher Sieg: man könnte das Ergebnis mit einem 4:2 beim Fußball oder 29:25 beim Handball vergleichen – gewann Bangalore gegen Delhi.

# Anmerkung zur Statistik: * Run out = Die Feldmannschaft brachte (hier durch die Spieler Bracewell und Maxwell) den Ball zum Ziel zurück, während die Schlagmänner noch die Positionen wechselten. ** Leg before wicket = Der Schlagmann stand vorm Ziel und fing den Ball statt regelgerecht mit dem Schläger, irregulär mit den Beinen ab.
Die Statistiken, die ich hier dem Leser an den Kopf geknallt habe, sind nur die wichtigsten: ansonsten wird noch festgehalten, bei welchem Wurf die Zielstäbe getroffen wurden (fall of wicket), wie viele Würfe ungültig waren und in welcher Art (no balls, wides) oder wie viele Catches (ein Spieler der Feldmannschaft fängt einen vom Schlagmann parierten Ball aus der Luft wodurch der Schlagmann ausscheidet) insgesamt und wann und durch wen erzielt wurden, und noch viel mehr Kram. Statistiken sind im Cricket wirklich etwas sehr Wichtiges und für den Laien sicher kaum nachvollziehbar... #
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Statistik:
Grounds: 721 (heute 1 neuer; diese Saison: 127 neue)
Sportveranstaltungen: 1.495 (heute 1, diese Saison: 181)
Tageskilometer: - (nur zu Fuß unterwegs)
Saisonkilometer: 43.570 (25.020 Auto/ 14.820 Flugzeug/ 2.280 Bahn, Bus, Tram/ 2.010 Fahrrad/ 20 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 44
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 297

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