Montag, 2. April 2012

IND-XXIII: Praktikum in Indien – Notizen (8)

* Sonntagszeitung *

Andere Länder, andere Themen in der Zeitung. Das kennt man ja...
In Indien gibt es sogar besonders viel andere Themen und einige für einen Deutschen seltsame Sachen zu lesen. Die englischen Ausgaben von „Indian Times“ und „The Hindu“ sind inhaltlich deckungsgleich mit z.B. Malayali Zeitungen. Deshalb diese Beschreibung der Sonntagsausgabe der „Indian Times“, die wir im Hotel in Palakkad gratis (Normalpreis 4.50 Rupien = 0,07€) bekamen.

Vor der eigentlichen Titelseite – das ist auch für Indien ungewöhnlich – eine Anzeige der Bharath University, die Werbung für ihre Exzellenzstudiengänge macht und sich damit brüstet, auf ein „Erbe“ von „28 Jahren Exzellenz“ zurückblicken zu können. Ein paar sinnfreie Sprüche des Unikanzlers, die teilweise an die unglaublich lächerliche Selbstüberschätzung ihres eigenen Landes, unter der viele Inder aus unerfindlichen Gründen leiden, anknüpfen: „Was wir an unserer Uni nicht können, kann niemand in Indien/ Was nicht in Indien getan werden kann, kann nirgendwo in der Welt getan werden“ und der Leitspruch „To The Stars By Hard Work“ mehrfach auf der Seite verteilt. Toll...

Auf der Rückseite der Bharath-Uni-Werbung dann Zahnpasta-Werbung. Hat man dann endlich die richtige Titelseite, findet sich als Hauptschlagzeile „Beauty With A Heart Wins The Crown“ – ein Artikel mit Bild zur indischen Misswahl. Außerdem findet man ganz knappe Artikel zur indienweiten und bundesstaatenspezifischen Politik. Der größte Artikel befasst sich mit einer umstrittenen Anschaffung von Tatra-Lkws, die das indische Militär getätigt hat. Ein Artikel zur Korruption in der Politik – Fall eines Parlamentsmitgliedes, das Schmiergelder annahm, soll nun eröffnet werden – darf auch nicht fehlen. Immerhin wird dieses Thema von der Presse sehr direkt angegangen.

Seite 2 ist irgendwie total beknackt: Horoskope, Wirtschaft von Kerala und Werbeanzeigen für Urlaub in der Schweiz. Nur „1 lakh rupees“ – d.h. 100.000 Rp. bzw. 1.500€ für Flug und eine Woche volles Programm.

Seite 3 befasst sich mit Regionalnachrichten: Methaparambil Brücke in Kottayam einsturzgefährdet. Neue Polizeiwache des Küstenschutzes in Alappuzha wird am 17.4. eröffnet. Fortbildung für Krankenschwestern in Kochi. 40% der Seite sind mit Werbung für die Shiv Nadar University bzw. einen Notfallmedizinservice zugekleistert.

Die nächste Seite ist total unübersichtlich. Werbung für ein Sommercamp in regionalen Tanz- und Musikstilen wird einfach unten rechts auf 5x2,5cm untergebracht. Die Werbung der Kernenergiebehörde Indiens ist fünfmal so groß. Neben Kinokritik finden sich auch ein Bild von der Beerdigung eines Kardinals und darüber eine regionale Wirtschaftsmeldung.

Auf Seite 5 geht es um bundesweite Politik und Wirtschaft. Da findet sich dann auch der erste Cricketartikel, wobei man sich in diesem Artikel über die Probleme der Kinobesitzer auslässt, deren Säle während der Cricketspiele der IPL (1. indische Profiliga) leer bleiben. Ein Regionalpolitiker aus Thiruvananthapuram namens Achuthanandan meldet sich wegen der Tatra-Affäre zu Wort: sein Rivale Anthony solle zurücktreten. Dem Gefasel wird ein Fünftel der Seite eingeräumt.

Auf der nächsten Seite sind außer dem Fernsehprogramm noch kleine regionale Artikel zu finden: u.a. werden acht korrupte Polizisten aus Thrissur vor Gericht gestellt. Außerdem wird mehr Geld in die Verkehrsüberwachung im Raum Thrissur gesteckt.

Auf Seite 7 lassen sich die Schreiberlinge zur Geburtenrate von Frauen verschiedener Bildungsgrade aus. Dabei gebären Analphabetinnen etwas mehr Kinder als einfache, aber des Lesens und Schreibens mächtige Frauen, sowie deutlich mehr als gebildete Frauen mit Schul- bzw. Uniabschluss. Auch um landesweite Politik und die Auszeichnung eines Polizisten aus Kollam für seine gute Arbeit geht es.

Nach zwei Seiten Werbung folgen zwei für einen meiner Kommilitonen besonders interessante Seiten: er war fasziniert, wie hier die Heiratsanzeigen geschaltet werden. Ja, Heiratsanzeigen: man sucht hier nicht nach einem Freund oder Lebenspartner oder will mal was ausprobieren – nur Ehepartner werden hier gesucht. Dabei gibt es nur 6 Kategorien: „Hindu-Bräutigam gesucht“, „Hindu-Braut gesucht“, „Christlicher Bräutigam“ bzw. „Christliche Braut“ und „muslimischer Bräutigam“ sowie „muslimische Braut“ gesucht.
Hindus geben dabei außerdem ihre Kaste (am besten Brahmin) an und Christen ihre Konfession (Katholik, Jakobit oder CSI – nein, doch nicht „Crime Scene Investigation“! „Church of South India“ heißt das! – zum Beispiel). Nur Muslime halten die Anzeigen etwas weniger selektiv.
Zum Beispiel: „Dynamischer, attraktiver, gut ausgebildeter muslimischer Rechtsanwalt/ 29 Jahre; 1,78m/ mit vielen Crore [d.h. einem achtstelligen Rupienbetrag, also z.B. 15 Mio. Rp. bzw. mehreren Hunderttausend Euro] auf dem Konto sucht hübsche, züchtige, religiöse Frau! Fotos unter Email [...]“.
Bei Christen findet sich manchmal auch so etwas: „Pentecostal-Eltern [die Pentecostal sind radikale Protestanten, die von diesen hirnverbrannten US-Protestanten missioniert wurden] laden Kandidatinnen für ihren Sohn zur Eheschließung ein. Sohn Computerwissenschaftler in Bombay, Vater Beamter. [...] Unser Sohn sucht nach gebildeter Frau gleicher Glaubensrichtung. Interessierte Partien bitte unter Telefonnummer [...] melden“.
Nun noch eine Hinduanzeige: „Bin 23, 163cm aus Ezhava-Kaste, Aristokratenfamilie, Computertechnikerin. Suche nach max. 28jährigem Bräutigam mit guter Ausbildung und festem Job“.
Eine Anmerkung noch meinerseits: es gibt auch Inder, die keinen Wert darauf legen, dass der Partner eine bestimmte Religion hat. Außerdem gibt es auch Inder, die sich ihren Ehepartner selbst suchen und nicht vorher mit den Eltern ausmachen, ob der oder die gerade recht ist. Aber gerade in Kerala ist das eine ganz, ganz kleine Minderheit!

Seite 12 ist voll mit der Misswahl in Indien. Seite 13 befasst sich sachlich aber viel zu knapp mit Weltpolitik. Die Lage in Syrien, Wahl in Myanmar, Bombenanschläge in Südthailand. Auf der nächsten Seite geht es um Kohleabbau in Indien und Übergriffe von Polizisten auf Asiaten aus Meghalaya, die für pro-tibetische Demonstranten gehalten wurden.

Nachdem sich Seite 15 mit einheimischer Küche befasst, geht es zwei Seiten lang nur um Cricket. Was im deutschen Sportteil halt Fußball mit Bundesliga und Championsleague, das ist in Indien halt Cricket mit IPL und One-Day Internationals. Interviews mit Spielern, wer fliegt bei den IPL-Klubs aus dem Kader und wer kommt neu dazu, Sanierung des Cricketstadions in Pune abgeschlossen...
Interessant sind vor allem Anmerkungen zum Identifikationsfaktor bestimmter Spieler mit ihren jeweiligen Clubs: ein paar Vereine versuchen möglichst viele Spieler aus der Stadt, in der der Verein ansässig ist, zu holen, damit die Fans die Mannschaft stärker unterstützen.
Anderer Sport folgt erst auf der letzten Seite, Seite 18: Englische Premier League, Championsleague, Tennis (Djokovic gegen Murray), Golf, erste indische Fußballliga mit Vorbericht aus Kochi und natürlich noch ein Artikel zum Fußballturnier in Palakkad. Aber ohne unser Foto...

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