Donnerstag, 21. März 2013

W346III: Ist hier der Linienrichter Manuel? Du bist im falschen Stadion! – Kurioses von Gozo (Malta 2013: 9/15)

Oratory Youths Football Club (Victoria/ Rabat) ----- 6
St. Lawrence Spurs (San Lawrenz) ---------------------- 1
- Datum: Mittwoch, 13. März 2013 – Anstoß: 19.45
- Wettbewerb: Gozo Football League Second Division = it-Tieni Diviżjoni Għawdxija (2. Gozitanische Fußballliga, 2. Amateurliga)
- Ergebnis: 6-1 nach 96 Min. (48/48) – Halbzeit: 1-0
- Tore: 1-0 34. Shaun Attard (Handelfmeter), 2-0 67. Shaun Attard, 3-0 74. Shaun Attard, 4-0 81. Shaun Attard, 4-1 86. Ryan Farrugia, 5-1 89. Frank Attard, 6-1 93. Shaun Attard
- Verwarnungen: Nr. 21, 18 (Oratory); TW Samuel Micallef (Spurs)
- Platzverweise: Daniel Bartolo von Oratory und Laurent Pisani von Spurs, jew. 45.+3 wg. unsportlichen Verhaltens
- Spielort: Il-Grawnd t'Għawdex, Gozo Stadium (Xewkija, Kap. 2.500, davon 2.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 30 (davon ca. 12 Oratory und 8 Spurs Fans)
- Unterhaltungswert: 7,0/10 (Flottes, teilweise hitziges und in der zweiten Hälfte auch torreiches Spiel)
DSC08276 Photos with English Commentary:
c) Passing by Comino: Another Island of Malta

Auf Malta gibt es so einige Kuriositäten – ob es nun die Sprache, das Essen oder die volksfestmäßigen Wahlen sind – und so verwundert es nicht, dass man bei einem aus zwei Inseln mit nennenswerter Einwohnerzahl bestehenden Staat beim Wechsel von der Hauptinsel auf die kleinere Insel beinahe das Land zu wechseln meint und es fußballerisch in der Tat auch tut...

Die zweitgrößte Insel des maltesischen Archipels heißt Gozo bzw. Għawdex (engl. Goso, ital. Gotzo und maltesisch ’audesh gesprochen). Dort spricht man einen etwas anderen Dialekt als auf Malta, der sich ja auch dort schon in mehrere Stadt- und Landdialekte aufteilt, wobei dieser gozitanische Dialekt von der Aussprache her angenehm näher an richtigem Arabisch dran ist. Eingeborene Autofahrer erkennt man auf Gozo gleich an der unsicheren Fahrweise (so wie so bescheuert, dass die da alle Autofahren und nicht Motorrad oder Moped)! Die Landschaft ist mit ihren regelmäßigen Hügelketten anders als auf Malta. Die Infrastruktur ist mit ihren Stichstraßen, die von der Hauptstadt ausgehen, ebenfalls anders konzipiert als auf Malta, wo es fast nur Rundwege mit Querverbindungen gibt. Die Bevölkerung ist hier viel dörflicher geprägt: auch zurückhaltend und höflich, aber auffälligerweise einfacher gekleidet und Englisch nur mit Akzent sprechend. Und als Highlight: die Fußballvereine spielen alle (bis auf einen einzigen der im maltesischen Verband mitspielt) in eigenen, von einem eigenen Verband organisierten, Ligen! DSC08010 Bevor wir einen sehr kuriosen Spielbesuch hatten, besuchten wir allerdings erst einmal die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der 67 qkm großen Insel. Wenn man von Xemxija aus den bergigen Norden Maltas, vorbei an Mellieħa und dem Red Tower, überwunden hat und die für Radfahrer hin und zurück 5,80€ kostende Fähre, vorbei an Comino (einer Insel, die dritte und am geringsten besiedelte des Staates übrigens, mit einem Hotel, einem Wehrturm, einer Kirche und vier Einwohnern – den Hotelbetreibern), in Mġarr verlässt, besucht man am besten das Fort Chambray oberhalb des Ortes mit dem Namen „Anlegestelle“ oder „Kai“. Hat man das massive Tor passiert, sieht man moderne und qualitativ hochwertige Gebäude die in das fast 400 Jahre alte Festungsbauwerk geschickt eingepasst wurden. Die Wohnungen werden dort allerdings nicht so billig sein wie unsere Ferienwohnung in Xemxija... Für den Blick von der anderen Festungsseite aus auf Comino, Malta und über die Steilküste aufs offene Meer zahlt man sicher einiges!

Mittig auf der Insel liegt der Ort Xagħra (gesprochen Scha’ra) und hat neben einer großen Kirche und einem ganz gut gemachten Windmühlenmuseum, das im Preis der Besichtung der Hauptsehenswürdigkeit inbegriffen ist, vor allem die einzige erhaltene megalithische Tempelanlage von Gozo zu bieten. Ġgantija, Riesentempel, heißt das Ding und kostet die üblichen, ziemlich überzogenen 5€ (erm. 3,50€) Eintritt. Der Erhaltungszustand ist für ein über 6.000 Jahre altes Bauwerk, das wohl seit mehr als 4.000 Jahren nicht mehr in Nutzung als Kultstätte ist, aber OK. Der Blick von dem Hügel, auf dem diese mehrere Meter hohen, kunstvoll wabenförmig angeordneten und tonnenschweren, groben Steinmauern stehen, auf Teile der Insel ist prima.

Nach einem, wie immer in Malta, sehr guten aber mal wieder etwas teuren Essen in Xagħra fuhren wir durch die Inselhauptstadt an einem 400-500 Jahre alten Aquädukt, dass nach römischem Vorbild errichtet wurde und dem sandigen aber in Umbau befindlichen Trainingsplatz der San Lawrenz Spurs, die wir am Abend spielen sahen, vorbei an den sehenswerten Westrand Gozos. In Dwejra, unterhalb eines Hügels in einer von hohen Klippen begrenzten Bucht, befindet sich die landschaftliche Hauptsehenswürdigkeit Gozos: Felsformationen aus u.a. Kalkstein, die entweder wie Fungus Rock als Stecken aus dem Meer herausragend, oder wie Azure Window ein Tor bilden, durch das das blaue Meerwasser hindurch fließt. An diesem Punkt der Insel gab es auch erstmals Verkäufer, die Touristen aktiv anquatschten, was auf Malta sonst nirgends vorzukommen scheint.

Egal, wir fuhren dann in die Inselhauptstadt Victoria bzw. Rabat zurück und besichtigten die eindrucksvolle Festung, die von massiven Mauern umgeben auf der höchsten Erhebung der Insel thront. Auf einigen Weißweinflaschen steht der Werbespruch der Festung: „Befestigt seit der Bronzezeit“. Außer engen Gassen gibt es auch eine große, schön gestaltete Kathedrale zu sehen. Der eine freundliche Geistliche erzählte uns, wie der Dom mit Deutschland in Verbindung steht: auf Gozo muss man halt einige Dinge importieren und für eine bedeutende Kirche dürfen es auch schon mal Marmorplatten aus München und Kerzenhalter aus Berlin sein, zumal mal mit einer Diözese in Paderborn oder so eine Partnerschaft unterhält...

Wir fuhren, da wir viel Zeit hatten, noch etwas bei Sannat herum, was allerdings wenig lohnend war, und machten uns dann auf den Weg zum Fußball. DSC08093 Zwei Inseln, zwei Verbände also wie schon gesagt. Und da die Gozo Football Federation nicht etwa mit einem Kreisverband gleichzusetzen ist, gab es heute einen unverhofften Zusatzländerpunkt: bis vor kurzem wusste ich auch noch nicht, dass Gozo als ein eigener Verwaltungsbezirk mit geringfügiger Autonomie innerhalb der Republik Malta, einen eigenen Fußballverband hat, der unabhängig vom maltesischen ist und auch eine eigene Nationalmannschaft stellt, die am Non-FIFA-Board teilnimmt.

Es gibt zwei Fußballstadien und vier, fünf Sportplätze sowie eine Sporthalle auf der Insel Gozo – und zwei Fußballligen, die immer nur in den beiden größten Sportanlagen ausgetragen werden. Zudem spielt wie erwähnt eine Inselauswahl (Gozo Football Club) in der 2. maltesischen Liga mit. Das Mittwochsspiel der zweiten gozitanischen Liga war heute laut Verbandswebsite nicht wie üblich im kleineren Sannat Ground (Schleifstein-Stadion), sondern im größeren Gozo Stadium (der Inselname Ghadex kommt wohl vom ltaeinischen „Gaulus“ und bedeutet dann „Trinkschale“) angesetzt. Wie wir zu diesem Spiel fanden, setzte in Sachen Kurioses dann noch mal einen drauf...

Wenn man auf der Kreuzung am Südwestrand von Xewkija zwischen Sannat, Xagħra und Rabat steht, sieht man die Flutlichtmasten beider Stadien. Es war fast 18.45, keine Stunde mehr bis zum geplanten Anstoß, und man sah das Gozostadium vor lauter Dunkelheit nicht zur Rechten liegen, sondern nur den Sannat Ground mit allerdings nur zwei angeschalteten Flutlichtmasten zur Linken stehen. Da nur zwei Masten an waren, fuhren wir 1,5km (kurz runter, kurz rauf, kurz runter) zum Gozo Stadium, wo allerdings niemand da war, der uns hätte erklären könnte, wo nun gekickt wird. Also 3km (kurz rauf, kurz runter, kurz rauf, länger runter, kurz rauf) bis zum Sannat Ground. Immer noch nur zwei Flutlichtmasten an und nur 11 Spieler die auf dem Rasen kickten, sich vielleicht einspielten oder auch nicht – aber ein Linienrichter! Der konnte ein bisschen Deutsch und erzählte uns von seinen fünf Reisen in unser Heimatland und meinte, dass es um 19.30 hier los gehen würde. Er forderte uns sogar auf, ruhig schon über die Absperrung von der Loge aus auf die eigentliche Tribüne zu klettern – also den Eintritt zu prellen – was wir auch machten. Allerdings stellte sich nach 15 Minuten Sitzen auf der gelb und grün bestuhlten, 150 Fans fassenden, wellblechüberdachten Tribüne heraus, dass hier gar niemand Eintritt erheben wollte. Die eine Mannschaft war nämlich nur zum Training hier und im Gozo Stadium waren die anderen Teams endlich erschienen, sodass nur noch auf den einen Linienrichter gewartet wurde. Der hatte das Handy aus, also fuhr der andere Linienrichter (natürlich per Auto) hupend vors Stadiontor des Sannat Grounds und rief dem Platzwart zu: Fejn hu ir-Ref Manwel?“ – Ja, wo ist denn der Schiri Manuel, etwa hier?! Tatsächlich, der besagte Schiri, heute als Linienrichter angesetzt, hatte sich im Stadion geirrt und rief uns zu, sichtlich peinlich dass im Gozo Stadium alle auf ihn warteten, zu, dass wir auch zum großen Stadion nach Xewkija kommen sollen. Also noch mal kurz runter, länger hoch, kurz runter, kurz hoch und kurz runter: 3km in 7 Minuten – so schnell waren wir so eine Strecken noch nie auf Gozo gefahren – und am mittlerweile hell erleuchteten Gozo Stadium konnte man nun am Drehkreuz (Turnstile) die üblichen 2€ entrichten. Im Übrigen liefen die Mannschaften liefen erst auf, als wir uns hingesetzt hatten... DSC08309 Das Gozo Stadium ist in besserem Zustand als der nur 500 Zuschauer fassende Sannat Ground, der nur auf einer Seite ausgebaut ist. Es fasst 2.500 Fans auf zwei Seiten, wobei die Gegenseite (Xaghra Stand) mit den vielen blauen Schalensitzen vor fünf Palmen gar nicht geöffnet wurde heute. Hinter den Kurven befinden sich Gebäude und hohe Bäume, eine Anzeigetafel gibt es dort auch. Aber auch die war heute aus. Die Haupttribüne (Xewkija Stand) hat eine niedrige Überdachung und hinter acht Sitzreihen (wieder blaue Schalensitze) auch zwei Stehreihen. Rechts und links sind Terrassen, auf denen man auch stehen darf. In der Mitte ist ein kleiner VIP- und Presse-Sektor mit Stühlen.

Noch während des Spiels rief uns der Linienrichter, der auf der Haupttribünenseite lief, ab und an noch etwas zu. Als er fragte, ob uns das Spiel gefalle, sprach ihn der San Lawrenz Trainer mal an, was das für eine Sprache sei, die er da spreche. Obwohl fast 50% der Malta-Touristen Deutsche sind, kann so gut wie niemand auf den Inseln Deutsch – manche wissen nicht einmal, wie diese Sprache klingt...

Gut gefallen hat es uns jedenfalls, das Spiel zwischen Oratory Youths (den Sängerknaben, die hohe Religiosität im Vereinsnamen, dem Wappen mit Pater Don Boscos Nischel und dem Motto „Believe“ – „Glaube“ beweisen) aus der nach Königin Victoria benannte Inselhauptstadt, auch noch bekannt als Rabat (ummauerte Altstadt) ist, und den Spurs („Sporen“) von (San Lawrenz) St. Lorenz! Oratory Youths ist der feststehender Aufsteiger und San Lawrenz nur 5. von 7 Teams.

Den großen Leistungsunterschied merkte man aber lange nicht, denn die Chorknaben taten sich schwer und San Lawrenz hielt gut gegen. Nachdem die Spurs mehr Chancen hatten, unterlief ihnen nach einer halben Stunde aber ein grober Fehler: eine Handabwehr im Strafraum. Die Nummer 10 der Oratory Youths verwandelte den fälligen Strafstoß sicher unten links. Es sollte nicht sein einziger Treffer bleiben, doch vor seinem nächsten Tor wurde erst einmal die Zahl der Spieler reduziert. In der Nachspielzeit von Halbzeit eins gab es nach einer kleinen Pöbelei mal eine größere, die auch in Tumult überging, sodass der Unparteiische mal die zwei Chaoten, Bartolo von O.Y. und Pisani von San Lawrenz vom Feld schickte.

Nach der Pause nahm Shaun Attard unter Beteiligung seiner passgebenden Mitspieler bzw. dem einzigen weiteren Torschützen, seinem Bruder Frank Attard, San Lawrenz regelrecht auseinander. Drei schön herausgespielte Tore und nach einem Ehrentreffer für die Spurs gab es noch mal zwei Treffer für Oratory. Mit 6:1 fiel das Resultat etwas zu hoch aus, wobei die Youths in Hälfte zwei deutlich überlegen waren und ihre Tabellenführung somit begründen konnten.

Obwohl wir zügig das Stadion verließen, verpassten wir die 21.45 Fähre und mussten so die letzte Fähre des Tages (23.30, die erste des Folgetages geht übrigens immer 1.15) nehmen. Da man sich ewig den Mellieha Bypass hoch quält und die abschüssigen Strecken nach Xemxija rein bei Dunkelheit nicht so schnell fahren kann, waren wir erst kurz vor 1 Uhr im Hotel. DSC08960 Statistik:
- Grounds: 882 (heute 1 neuer; diese Saison: 114 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.737 (heute 1, diese Saison: 160)
- Tageskilometer: 80 (70 Fahrrad, 10 Fähre)
- Saisonkilometer: 41.090 (34.050 Auto/ 4.850 Flugzeug/ 2.070 Fahrrad/ 130 Bahn, Bus, Tram/ 90 Schiff, Fähre)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 33 [Letzte Serie: 6, Rekord: 141]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 346

Keine Kommentare: