Donnerstag, 21. März 2013

W345VI: Maltesische Wahlen in Valletta und Britisches Flair im Cricket Club (Fahrrad-Groundhopping, Malta 2013: 6/15)

Marsa Cricket Club ----------------------------------- 174/9
Peshwa Cricket Club (Kingsbury, London) ------ 178/9
- Datum: Sonntag, 10. März 2013 – First Ball Bowled: 9.30
- Wettbewerb: Touring Match, 40 Overs, match day 2 (Zweitägiges internationales Cricket-Freundschaftsspiel)
- Ergebnis Tag 2: Peshwa gewinnt mit 4 Runs
- Ergebnis Tag 1: Marsa gewinnt mit 144 Runs
- Statistiken: http://m.maltatoday.com.mt/sportsdetails/sports/cricket/Mixed-weekend-for-Marsa-C-C-20130311
- Spielort: Malta Cricket Ground (Marsa, Kap. 500, davon 30 Sitzplätze)
- Zuschauer: ziemlich genau 10
- Unterhaltungswert: 5,0/10 (Regelrechtes Altherren-Cricket, aber echt nette Atmosphäre dort in dem Club) DSC07418 Photos with English Commentary:

Gestern waren wir nur daran vorbei gefahren, heute gingen wir auch rein: kaum war die Messe zu Ende, schauten wir uns im eindrucksvollen St. Mary’s Dome (ja, die Kirche heißt wirklich Dome und nicht Cathedral: Dome wegen der Kuppel, die über die vorher einfache Pfarrkirche gebaut wurde) in Mosta um. Diese Kuppel ist gewaltig und zählt zu den größten Kuppeln der Welt, eine Front mit zwei Türmen und vielen römisch angehauchten Säulen und innen tollste Kitschaltäre und enormen Säulen hat diese Kirche auch zu bieten.

An der Uni vorbei fuhren wir nach Floriana, der Festungsvorstadt der Hauptstadt La Valletta. Festungsmauern, Gärten und Kirchen verschiedener Baustile (u.a. auch sehr englisch anmutenden Neogotik) gibt es da. Die Hauptstadt selbst ist eine von 2.500 Menschen bewohnte Festung auf einer Landzunge mit zwei Häfen. Herrlich sind die engen und oft extrem steilen Straßen, die mit vierstöckigen Gebäuden, die alle paar Meter die charakteristischen Holzerker und -balkone haben, gesäumt sind.

Ab 12 Uhr, kurz nach Passieren des Stadttores von La Valletta, ging dann ein besonderes Spektakel los: seit Tagen wurde in Malta gewählt, wobei die Parlamentswahl die wichtigste dieser Veranstaltungen war. An diesem Sonntag wurde nun mittags bekannt gegeben, dass Joseph Muscat von der Labour Party (Partit Laburista = Arbeiterpartei, liegt zwischen SPD und Linke) Lawrence Gonzi von der National Party (Partit Nazzjonalista = Nationalistische Partei, sehr CSU-mäßig, nicht etwa NPD-artig) ablöst, nachdem die PN 25 Jahre bzw. fünf Legislaturperioden an der Macht war. Die mit diesen zwischen sportlichem Wettkampf und karnevalistischen Volksfest liegenden Veranstaltungen zusammenhängenden Wahlpartys fingen noch recht harmlos an, doch derlei Events sind auf Malta keine Sektempfänge und lahme Reden vor ein paar gesittet applaudierenden Anhängern...
Auf der Hauptstraße tanzten die ersten Leute mit Parteifahnen zu laut aus den aufgerissenen Hausfenstern schallenden Musikstücken wie „ready for the victory“ und „winds of change“. Dann kamen die ersten hupenden Autokorsos mit Fahnen und Bannern durch die Straßen gezuckelt. Daraufhin wurden dutzende Salutschüsse aus den Kanonen der gegenüberliegenden Festungen abgegeben. Diese wurden dann von Böllern, Luftpfeiffern und Leuchtraketen, die mitten auf der Straße oder aus dem fahrenden Auto heraus gezündet wurden, unterstützt. Laut grölend und mit Fahnen der LP bzw. Maltas, teilweise auch der neuen libyschen Flagge, winkend, zogen zu Fuß, per Auto oder Motorrad zehntausende Arbeiterparteiwähler und -mitglieder durch die Straßen von Valletta, Floriana, Marsa etc. Vor allem was auf der sechsspurigen Hauptstraße um den Marsa Sports Complex herum los war, war kaum zu glauben: so eine Show wie hier auf Malta um Wahlen gemacht wird, habe ich noch nie live erlebt! Die sechs Spuren waren durch Autokorsos blockiert, die im Schritttempo gen Valletta eierten. Nicht nur völlig von Fahnen zugehängte Privat-Pkws – teilweise mit Leuten, die sich aus dem Kofferraum heraushängten oder auf dem Dach mit einer Flagge winkend mitfuhren – auch Kleintransporter mit dutzenden Leuten auf der offenen Ladefläche und ganze LKW-Auflieger mit tanzenden LP-Anhängern, also Fahrzeuge die allesamt auch auf Malta an anderen Tagen niemals für den Personentransport zugelassen würden, reihten sich ein. Die größten Knalltüten zündeten während des Fahrens Nebelkerzen und Luftpfeifer an und hielten diese aus dem Fenster, während der Beifahrer mit seiner Flagge winkend dauernd drohte aus dem Seitenfenster zu fallen...
Unglaublich, was Politik hier für eine Rolle spielt in dem kleinen Inselstaat. Ein Video veranschaulicht das Spektakel ein bisschen: https://www.youtube.com/watch?v=nI-v3vqZAyM DSC07359 Wir fuhren dann noch mal in den Marsa Sports Complex ein, wo es aufgrund der Wahlveranstaltungen merklich ruhiger war als gestern. Nur auf den Golf- und Tennisanlagen wurde Freizeitsport getrieben und einzig der Cricketplatz wurde zu einem Wettkampf genutzt. Dieser Kernbereich des Marsa Sports Complex darf übrigens nur nach mündlicher oder schriftlicher Genehmigung betreten werden, aber nach dem wir an der Pforte geklingelt und Bescheid gesagt hatten, das wir Cricket gucken möchten, wurden wir begrüßt und zum Platz weitergeleitet.

Der Monatsbeitrag im Marsa Sports Club ist mit 100€ nicht gerade billig, der Jahresbeitrag von 295€ lohnt sich da schnell, aber dafür kann man Cricket, Tennis, Golf und noch mehr spielen. Der Cricketplatz ist nicht herausragend, aber schön von Palmen und anderem Grünzeug umgeben, ein tempelähnlicher Pavillon steht für die Spieler, Schreiber und ausgewählte Gäste zur Verfügung, ansonsten kann man sich drum herum stellen, wobei auch niemand was sagt, wenn man seitlich auf der Boundary hockt und mit dem Beinen schon im Feld ist... Denn alles geht hier sehr entspannt und lässig zu, die Leute beim Marsa Cricket Club wirkten auch sehr freundlich. Ein abgedrehter Altherrenspieler grüßte uns auch gleich ob wir wegen unserer rot-weißen Radklamotten von der Labour Party (deren Farben halt) seien und stellte uns gleich dem Präsidenten vor, der uns dann, da wir gerade kurz vor der Pause zum zweiten Innings – das ist eine Lunchpause von 40 Minuten – angekommen waren, zum Clubhaus begleitete, da dort entsprechend englischer Regeln nur Mitglieder und deren Gäste bedient werden. Für zusammen nicht mal ganz 25€ servierte uns der ausgesprochen freundliche und lustig aufgelegte maltesische Barkeeper hervorragende Hühnchenbrust mit Currysoße, Pommes und großem Salat und je 0,5l Getränke. Die Preise waren also keinesfalls englischer Art, nur der Humor des Barkeepers, der zu den Wahlen meinte: „Finally, after 25 years, there is a change as Labour Party won it. After so many years, a change was necessary. It’s the same with me and my wife: after 40 years, a change was necessary…” 
Scheidungen sind auf Malta übrigens erst seit 2012 zulässig.

Auf dem Ground ging es dann weiter, wobei das Niveau der Spieler gut mit einem Satz des oben erwähnten Altherrenspielers zu beschrieben ist: „Oh dear, even my granny could have caught this ball!“
Das internationale Freundschaftsspiel zwischen dem Marsa Cricket Club, einem der fünf Clubs der Insel und einer der eher schwachen wenn auch der bedeutsamste und älteste, spielte gegen den aus dem Londoner Stadtteil Kingsbury angereisten Cricket Club Peshwa, der von Indern aus Maharashtra (Bombay und die Ecke) gegründet wurde und ein Trainingslager auf Malta abhält, bevor die Cricketsaison in ihrer Middlesex League (5. Liga, 3. Amateurliga) beginnt.

Beide Mannschaften waren leider völlig überaltert, sodass es nur sehr wenig Bewegung auf dem Field gab. Also kein Spieler, der einen weggeschlagenen Ball locker aus der Luft fing und nur einer, der im Sprint nach einem ins Aus rollenden Ball mit einem Hechtsprung den Vier-Punkte-Schlag verhinderte. Auch die Werfer (Bowler) waren größtenteils sehr langsam und hatten sehr wenig Durchschlagskraft, was für die Schlagmänner ebenfalls galt. Die England-Inder zogen erst zum Ende hin an und konnten dann noch - drei Schläge hatten sie noch übrig gehabt - mit dem viertletzten Schlag das Spiel für sich entscheiden. Das Spiel am Samstag hatten die Malteser sehr deutlich gewonnen.
Also richtig schlecht war das Spiel nicht, aber einfach ziemlich lahm. Niemand redete von „Veterans’ Team“, aber im Prinzip waren das Alte Herren. Die Nationalmannschaft von Malta hatte mir auf Korfu bei der T20-EM letztes Jahr trotz Niederlage besser gefallen. Da war halt mehr los auf dem großen ovalen Feld und das Bedürfnis, sich einzuwechseln und selber auf dem Platz zu beweisen, war nicht vorhanden...

Der Marsa CC Präsident verabschiedete sich dann von uns mit der Bitte, beim Radfahren auf Malta wegen der anderen Verkehrsteilnehmer sehr vorsichtig zu sein, wobei wir gleich erwiderten: Danke, aber so schlimm ist es nicht mit den Autofahrern – nur die Steigungen sind anstrengend. Wir sparten uns aber die Bemerkung, dass die Autofahrer hier auch nicht blöder als in Deutschland sind und einzig die Köter hier nerven. Denn diese scheiß Hunde jagen gerne Radfahrern hinterher, was allerdings mit ein, zwei Tritten schnell unterbunden werden kann. Bei einem Besitzer in Sichtweite löst der das Problem gewaltlos mit Pfeifen oder Rufen. Ansonsten macht Radfahren auf Malta auch gerade deshalb Spaß, weil man hier eigentlich überall herumfahren darf außer in Fußgängerzonen (weite Teile Vallettas und Mdinas) und Tunnels (da gibt es aber auch nur drei auf der ganzen Insel) – einmal ganz davon abgesehen, dass alles prima erreichbar ist und das Fahren durch die Oberflächenbeschaffenheit reizvoll wie auch anspruchsvoll! DSC07431 Statistik:
- Grounds: 879 (heute 1 neuer; diese Saison: 111 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.732 (heute 1, diese Saison: 155)
- Tageskilometer: 50 (50 Fahrrad)
- Saisonkilometer: 40.880 (34.050 Auto/ 4.850 Flugzeug/ 1.870 Fahrrad/ 130 Bahn, Bus, Tram/ 80 Schiff, Fähre)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 30 [Letzte Serie: 6, Rekord: 141]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 345

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