Donnerstag, 21. März 2013

W345I: Einleitung zur Malta-Tour (Fahrrad-Groundhopping, Malta 2013: 1/15)

Einleitung
Was, schon wieder ein neuer Länderpunkt? Du warst doch grad noch in Algerien!
Na ja, wieso nicht? Aber eigentlich sind es sogar zwei neue Länderpunkte...

Gutes Wirtschaften und in allen Belangen geschicktes Planen erlaubten meinem Vater und mir eine weitere Groundhoppingtour, sofort nachdem wir aus Algerien zurück waren. Denn noch waren die vorlesungsfreie Zeit nicht zu Ende – obwohl bis auf eine Hausarbeit, für die noch die Übersetzung fehlt (Abgabetermin Anfang April), alle universitären Verpflichtungen erledigt waren. Und noch war die Reisekasse lange nicht leer...

Also nach dem Wochenende in Staßfurt hieß es schnell: Auf nach Nordafrika – oder doch Südeuropa? OK: geht es nun in den Maghreb und dort speziell in den periphersten arabischen Staat – oder in einen randgelegenen europäischen Zwergstaat?
Malta ist auch gerade deshalb ein interessantes Ziel, da es zwar als einer der kleinsten (und wohl der kurioseste) EU-Staat gehandelt wird, aber kulturell nicht übermäßig viel mit Europa zu tun hat. Die Verbindungen zur arabischen Welt sind unübersehbar, was von der Lage her – zwischen Süditalien und Nordafrika (Tunesien, Libyen) im Mittelmeer – eigentlich auch nur logisch ist.

Ein besonders gutes Beispiel aus der maltesischen Kultur für die Positionierung Maltas ist die Landessprache. Natürlich spricht da auch jeder Englisch, da Großbritannien 1814-1964 Malta als Kronkolonie hielt, doch untereinander unterhalten sich die Insulaner meist Maltesisch. Dieses Kauderwelsch als eigene Sprache zu bezeichnen, ist nicht unbedingt richtig. Gerade maghrebinische Araber (Algerier, Tunesier etc.) verstehen eigentlich gut, was die Malteser erzählen, da Maltesisch nicht nur verwandt mit Arabisch (speziell den maghrebinischen Dialekten) ist, sondern eigentlich nur eine kuriosere Form des Maghreb-Arabischen ist. Die Grammatik ist zu 100% Arabisch – dabei werden die üblichen nordafrikanischen Vereinfachungen der Hochsprache vorgenommen – und das Vokabular immerhin noch knapp zur Hälfte. Je nach Themenbereich findet man auch maltesische Texte, in denen nur arabische Worte vorkommen (z.B. Gedichte und die Nationalhymne). Lustig ist übrigens auch, dass vieles Religiöses total arabisch geprägt ist: dort ist 90% des Vokabulars arabisch, obwohl 99% der Malteser Katholiken sind – trotzdem wird nicht zu „God“ bzw. „Lord“ oder „Dio“ sondern zu „Alla“ – also Allah, was im Arabischen einfach nur für den „alleinigen“ Gott steht – gebetet. Wenn man in den Technik-, Wirtschafts- und Sportbereich guckt, wird man allerdings von englischen und italienischen Vokabeln – die aber in die arabische Grammatik und die Rechtschreibung (es werden auch keine arabischen, sondern lateinische Buchstaben verwendet) eingepasst werden – überhäuft. Ich sag nur: „jinvesti il-Gvern €9 miljun għal grawnds tal-futbol b’turf sintetiku“ – das heißt „die Regierung investiert 9 Mio. € in Fußballplätze mit Kunstrasen“, wobei nur noch die Zahl (disa’ = 9), Präpositionen, Bindewörter und Verformen (allerdings ist investi ein italienisches Verb, nur noch mit „j“ für arabische Imperfektform) arabisch sind...
Jedenfalls ist Maltesisch so was wie das Luxemburgisch der arabischen Sprache – statt deutscher Grammatik und Grundvokabular bestimmter deutscher Dialekte gemischt mit lauter französischen Wörtern, wird hier halt der arabische Grundstock mit italienischen und englischen Vokabeln gemischt. Komische Aussprache inklusive...

Auch einige andere Dinge lassen Malta näher an der arabischen Welt, speziell dem Maghreb, erscheinen, als an unserem gewohnten Mittel-/ Westeuropa. Die meisten Leute auf Malta sind sehr viel religiöser – wenn auch christlich, wobei das bei dem Konservativismus keine Rolle spielt – als z.B. in Deutschland, sodass hier Sonntag außer Fußball und Cricket nicht viel läuft; fast alle Geschäfte dicht, selbst Tankstellen verkaufen kein Benzin. Und nicht zuletzt ist auch die Bindung Maltas an einige Staaten der arabischen Welt unübersehbar: so wurde z.B. der Lieblingspartner Libyen nach dem Motto „auf zu neuer Stärke nach der Revolution: investiert in Libyen!“ im Magazin der Air Malta gepriesen. Am Flughafen ist neben Englisch und Maltesisch auch vieles in Hocharabisch ausgeschildert. Lebensmittelverpackungen werden oft ebenso beschriftet. Immer wieder sieht man von Maltesern gesteuerte Autos mit libyschen Wimpel oder Flaggen ausgeschmückt. Natürlich nur mit der jetzt wieder neuen, revolutionären – denn Angst vor Islamisten ist auf Malta, da man Araber gewohnt ist, nicht so verbreitet: solange nicht zu viele Muslime dauerhaft auf der Insel leben und nicht zu präsent sind, ist man gerne der beste europäische Freund von Ländern wie Libyen...
Einige Dinge auf Malta, die man pauschal unter „Landesmentalität“ zusammenfassen könnte (so wie es ja viele Einheimische auch tun), passen halt nicht so recht in „westliche“ Gesellschaften – wie man übrigens auch an den Integrationsproblemen maltesischer Immigranten in Australien sehen kann (in vielen Unibibliotheken findet man Roderick Bovingdons Studie mit Kapiteln zu Anpassungsschwierigkeiten der Malteser an eine fremde, westliche bzw. amerikanisierte Kultur wie die australische: „The Maltese Language of Australia - Maltraljan“). Über die maltesischen Auswanderer gen Libyen, Tunesien und Algerien sind solche Probleme nicht bekannt...

Insgesamt also, in Verbindung mit den wirklich guten Groundhopping-Möglichkeiten, für mich ein sehr interessantes Reiseziel! Der Ärger über das teilweise schlechte Preis-Leistungs-Verhältnis wird durch eine extrem hohe Dichte an Sehenswürdigkeiten wett gemacht. Dass viele der Sehenswürdigkeiten keine spektakulären Knaller, sondern eher kleine Dinge sind, macht die hohe Dichte an Sportveranstaltungen wett. Zudem musste doch mal endlich ein Radtouristikurlaub sein – und dafür ist Malta nun mal hervorragend geeignet – zumindest wenn man halbwegs fit auf dem Rad ist...
Also auf zu zwei Wochen Fahrrad-Groundhopping!

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