Mittwoch, 4. Januar 2012

W283II: Film- und Festungsstadt Ouarzazate – und weitere Festungen am Rande des Atlas

Photos and English Version:

Nach dem Frühstück trafen wir drei uns im Nachbardorf von Ouarzazate und sahen uns dann die Kasbah (Festung) Taourirt an, die der spektakulärste Bau in der Kleinstadt ist. Ohnehin ist die ganze Stadt von Festungsbauweise dominiert, wobei es meistens Neubauten der letzten Jahre sind, die in einer Art Historismus den mittelalterlichen Wehrbauten nacheifern. Ein besonders schöner unechter Festungsbau ist ja das Hotel IBIS, aber natürlich ist eine richtige Kasbah viel sehenswerter. Die Festung Taourirt kostet 10dh (1€) Eintritt und ist ein schöner, verschachtelter Lehmbau mit etlichen Türmen, kleinen Fenstern, viel Licht-und-Schatten-Spiel und mal verzierten, mal sehr einfachen Zwischendecken, die u.a. aus leichten Hölzern gebaut sind. Man sollte darauf bestehen, die Festung ohne Guide zu besuchen: das Ding mag zwar ein Labyrinth sein, aber einen Guide braucht man trotzdem nicht. Wir haben uns ja auch nicht verlaufen...
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Gegenüber der Festung befindet sich das Filmmuseum, das eine recht kuriose Sache ist. Das kostet dann 30dh (Studentenermäßigung 15dh) Eintritt, was sich auch lohnt. Ich bin zwar im Gegensatz zu Conny überhaupt kein Film- und Kinofreund, aber das Filmmuseum ist etwas ganz anderes als eine Ansammlung von Kulissen aus Pappmaché. Da ist zwar auch genug Kitsch drin, aber die Lehm- und Steinbauten, v.a. die Kirche, sind ehemals anders genutzte, bis zu 90 Jahre alte Gebäude. Die Inneneinrichtung und die Schauobjekte sind natürlich mitunter recht kurios anzusehen: die alte Kameratechnik ist ganz interessant und im ehemaligen Altarraum der Kirche befindet sich ein römischer Zeremoniensaal mit Thron für den Kaiser und unterm Kreuzgang ist ein Verließ für Mittelalterfilme...

Wir fuhren an den westlichen Ortsrand, wo es in Tiffoultoute eine weitere nett anzuschauende Festung gibt. Die kostet 20dh, wobei man nach der Besichtigung ein Stück von einer lokalen Süßigkeit (z.B. eine Dattelstange) und ein Glas Pfefferminztee bekommt. An der Kasse ist das bereits so ausgewiesen. Besonders an dieser Festung sind die weißen Zinnen auf den braunen Mauern und der Blick von der Terrasse, der über die Halbwüstenlandschaften, das Wadi mit der angrenzenden Oase, die Stadt Ourzazate, bis hin zu den über braun zu grau wechselnden, oben Schneebedeckten Atlasbergen geht.

Für die Hälfte des Preises kann man in Âit Ben Haddou ein ganzes Wehrdorf, was noch teilbewohnt ist, besichtigen. Das sieht richtig gut aus – schon allein der Blick von unten vom Wadi hoch auf das an den Berghang geklatschte, komplett aus Lehm errichtete Dorf ist fantastisch. Darin herumlaufen macht auch Spaß, trotz vieler Touristen und dadurch in Scharen auftretender Ramschhändler. Der Blick von der Bergspitze etwas oberhalb des Wehrdorfes ist noch mal besonders schön.
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Auf dem Weg zu unserem letzten Ziel, der Festung Amerhidil bei Skoura passierte dann etwas Kurioses: ich fuhr natürlich schon die ganze Zeit wie ein Einheimischer mit einem so neuen Auto wie unserem Dacia-Mietwagen fährt und missachtete diverse Verkehrsregeln. Dass eine Kurvenstrecke am Ostrand des Stausees „Mansour ed-Dahhabi“ regelmäßig von der Verkehrspolizei überwacht wird, konnte ich natürlich nicht wissen. Ich wunderte mich schon, dass der Drängler hinter mir nicht überholte und dachte aber, er wollte, dass ich den Anfang mache, sodass er nicht zwei Autos überholen muss. Also über den durchgezogenen Strich in der Kurve an der Schrottkiste von Kleintransporter, der 30km/h im 60er-Bereich fuhr, vorbeigezogen. Die Straße war frei und gut einsehbar, also ein völlig normales Manöver für marokkanische Verhältnisse. Allerdings sind auch Verkehrskontrollen (meist zur Mittags- und Nachmittagszeit) nicht ganz so selten, sodass man ab und an doch erwischt wird. Die Kurve war auch für die Polizei auf dem Rand des Bergsporns gut einsehbar. Also rausgewunken und um Wagenpapiere, Führerschein etc. und 700 Dirham (fast 70€) gebeten worden. Doch ich hatte bei den beiden freundlichen Polizisten sofort einen Stein im Brett, als ich auf deren französische Begrüßung Arabisch „s-Salamu aleykum“ antwortete. Der Ältere entrichtete sogar gleich die freundlichste aller Antworten auf diesen klassischen Gruß: „wa-aleykum as-salâm wa-raħmatu-llahi wa-barakatuhu“. Als sie mich dann zu ihrem Fahrzeug gebeten hatten, erklärte ich weiter – an den Verben klar erkennbar Levantinisch-/ Syrisch-Arabisch und mit der Entschuldigung, dass ich Darija (Marokkanisch-Dialekt) nicht gut verstehe – warum ich da überholt habe. Aufgrund der arabischsprachigen Begründung, dass das Fahrzeug vor mir nur 30km (bi-tleetîn kilomiter...) fuhr und der Weg frei war und ich gesehen hatte, dass kein Auto kommt (beshûf inno mâ-fy seyyara fit-tarîq...), gab mir der ältere Polizist plötzlich die vier Geldscheine zusammen mit den Papieren zurück und beide meinten nur, dass es diesmal bei einer Verwarnung bleibt und ich jetzt gut aufpassen und richtig auf die Verbote gucken soll.

Die andere Sorte Einheimische – in den meisten arabischen Ländern sind ja die Polizisten, Zöllner und Co. die einzigen auffällig unfreundlichen und ausgesprochen dummen Gestalten, doch in den touristisch sehr gut erschlossenen Gebieten ist es eben manchmal schon nervig, wie einige Leute in der Tourismusbranche einen das Geld aus der Tasche ziehen wollen – bekamen wir dann natürlich in Skoura mit: wir waren 3km am Abzweig zur Festung Amerhidil vorbeigefahren und beim Wenden in Skoura quatschte uns gleich ein Heini auf dem Moped an, dass er uns für etwas Geld zur Festung führen wollte, die nicht ausgeschildert sei. Er wollte natürlich nicht nur vor unserem Auto vorweg fahren, sondern auch am liebsten noch Conny bis zur Festung als Sozia auf seiner Karre. Wir drehten dann einfach nach einem französischen und arabischen „Nein danke, auf Wiedersehen“ und fuhren noch mal zurück. Die war natürlich ausgeschildert – nur schlecht lesbar – und liegt linkerhand wenn man von Ouarzazate aus nach Skoura fährt an einer Schotterpiste, der man für 1,5km nach Norden von der Hauptstraße weg folgen muss. Man braucht für eine solche Schotterpiste kein Fahrzeug mit Allradantrieb: jedes bessere Auto (also alles außer Kleinwagen und getunte Karren) kommt da durch – ein Dacia so wie so. Die Festung von Amerhidil ist sehr sehenswert, da die Lage besonders schön ist – man kann die Palmen der Oase am Wadi mit den schneebedeckten Atlasbergen im Hintergrund aufnehmen – und die Türme aus Lehm ausgesprochen filigran erbaut und verziert sind. Ein Teil der Festung ist allerdings verfallen und wegen Sicherungsarbeiten nicht begehbar. 10dh sind trotzdem noch niedrig, wobei auch hier gilt, dass der Preis ohne Guide ist. Ich würde auch empfehlen stets auf die Dienste eines solchen zu verzichten. Wenn man sagt, dass man alleine und ohne Fremdenführer (sans guide/ bidûn gîd) in die Festung will, ist das auch kein Problem für die Leute. Die offiziellen Guides sind übrigens auch nicht annährend so aufdringlich wie inoffizielle in Altstädten oder so, sondern eher wie Syrer, die einen für Entgelt führen wollen: man sagt ein oder zwei Mal „nein danke/ lâ, shukran“ und hat dann Ruhe – bei den illegalen Guides in Marokko muss man das manchmal schon fünf Mal sagen, mitunter auch mit einem nachgestellten „khallîny/ lass mich“.

Zurück in Ouarzazate gingen wir wieder in dasselbe Restaurant „al-Hassani“ wie gestern. Gutes und sehr preiswertes Essen, außerdem ist der Wirt freundlich – kann ich nur empfehlen. Vorm Essen noch mal ein anderes Erlebnis: auf der Hauptstraße neben dem zentralen Platz standen Taxis in Form einer Barriere und knapp 150 Leute demonstrierten mit rhythmischen Sprechchören vor der Polizeihauptwache von Ouarzazate gegen Polizeigewalt. Zudem war uns ein Streik der Taxifahrer schon in der ganzen Stadt aufgefallen. Die Demonstration lief aber ganz normal ab. Man konnte auch als Ausländer einfach stehen bleiben, gucken und sogar ein paar Aufnahmen machen – weder griffen Sicherheitsgriffen Demonstranten an, noch gingen sie gegen Umstehende und Schaulustige vor. Zudem randalierte auch niemand der Taxifahrer und anderen Demonstranten. Im Kern geht es aber um einen Streit zwischen den rivalisierenden Taxikategorien "Grand" und "Petit" - da man sich dauernd gegenseitig die Kundschaft abgräbt, legt man jetzt intelligenterweise das Geschäft ganz lahm. Mittlerweile ist auch die Filmindustrie und Hotellerie dadurch betroffen.
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Statistik:
Tageskilometer: 180 (180 Auto)
Saisonkilometer: 20.500 (15.580 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 1.910 Fahrrad/ 10 Bahn, Bus, Tram/ 0 Schiff, Fähre)

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