Donnerstag, 21. Mai 2009

Kommentar VI: Ruhiger Vatertag und vorgezogenes Elfmeterschießen in der Arabischen Championsleague

Ob man es nun Vatertag, Männertag oder Christi Himmelfahrt nennt: es ist ein Tag, an dem man entweder viel zu viel säuft - wie die Freunde unserer einen Nachbarsfamilie, die schon um 20.15 Uhr hackedicht auf der Umfriedung des Kellereingangs lagen - oder viel zu normale Sachen macht. Ich entschied mich für Letzteres und beschäftigte mich - mangels Sportveranstaltungen an diesem Tag - hauptsächlich mit Lernen, im Internet surfen und schließlich dem Gucken der Übertragung des Arabischen Championsleaguefinales. Taraji Tunisy (Espérance de Tunis) stand Wydad Casablanca (Wydad Dar Al-Bayda) gegenüber. Die Hoffnung gegen die Liebe, wobei die Namensgebung des marokkanischen Clubs deshalb so ausgefallen sein soll, da ein Gründungsmitglied zu spät zur Versammlung erschien, weil er noch den Film "Wydad" mit Umm Kulthoum im Kino ansah. Das Hinspiel ging 1:0 an die Tunesier, nun erwartete ich natürlich aufgrund der hervorragenden Ausgangslage einen Sieg im Heimspiel. Oder zumindest ein Unentschieden.
Letzteres wurde es dann auch, doch stand dies lange auf der Kippe. Nachdem die ersten 15 Minuten wenig zu sehen gaben für die 60.000 Zuschauer (5.000 Plätze Pufferzone, 5.000 Karten wurden nicht verkauft, Donnerstagabend ist nicht der günstigste Termin in Tunesien) die oftmals so extrem lärmten, dass der Reporter akustisch nicht zu verstehen war, kam Taraji immer mehr zum Zug. Wydad hatte kaum eine Chance in der ersten Halbzeit und Mikael Eneramo verschoss sogar einen Elfmeter für Tunis.
In Halbzeit zwei legte wieder Espérance los, jedoch ohne ein Tor zu erzielen. Auch die Fans legten nun richtig los. Während die Tunesier mit einer guten Choreo vor dem Anpfiff der 1. Hälfte mit Überziehflagge vom Ober- in den Unterrang und Spruchbändern "Vergleiche nicht die Unvergleichlichen" glänzen konnten, gingen die Marokkaner nun mit Bengalfackeln ab. Heimfans zündeten Rauchbomben. In der 50. rannte auch ein Jugendlicher mit nacktem Oberkörper aufs Feld um Nationalelf- und Espérance-Torwart Hamdi Kassroaui zu feiern.
Das Spiel wurde nun selbst für arabische Verhältnisse richtig hart - wobei fast nur Wydad faulte - und folgerichtig gab es einen zweiten Elfmeter; allerdings für Wydad. Was der Kongolese Janvier Bessala da in der 65. machte, war natürlich totale Scheiße, sodass der Schiri, aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommend, nur Elfmeter pfeiffen konnte. Sicher und unspektakulär verwandelte Abd As-Samad Rafik den Strafstoß zum 0:1. Gleichstand. Da müsste die Verlängerung oder das Elfmeterschießen her.
Nun wurde es hitzig: das Spiel wurde für eine Minute unterbrochen, da die komplette Gästebank unter dem Hagel von Plasteflaschen und ähnlichen Sachen aufs Spielfeld gelaufen war. Wydad foulte nun immer mehr. In der 75. gab es dann auch endlich den ersten Platzverweis, was nicht ohne eine kleine Auseinandersetzung abging.
In der 86. dann ein spektakuläres Foul: irgendein Volldepp von Wydad springt Bienvenu mit dem Knie voraus in den Rücken, als dieser mittig 14m vorm Tor stehend abziehen will. Elfmeter Nummer 3. Diesmal läuft Oussama Darragi an und knallt den Ball so an den Innenpfosten, dass er für den Gästetorwart unerreichbar ins gegenüberliegende Innennetz sprang. 1:1!
Die Wydadspieler kamen jetzt gar nicht mehr klar. Bei einem übertrieben harten Reingehen reagierte aber auch ein Taraji-Spieler einmal falsch und kloppte zurück, was zu einer handfesten Auseinandersetzung führte. In der 94. gab es dann noch mal eine richtige Massenschlägerei zwischen vielen Spielern, Wechselspielern und Betreuern. Auch Polizei- und Ordnungsdienst waren dabei. Nach 97 Minuten - der Schiri hatte zum Schluss verständlicherweise den Überblick verloren: es sollte eigentlich 10 gegen 8 gespielt werden, meines Erachtens spielte man 10 gegen 9, und eigentlich hätte noch ein Vierter von Casablanca runter gemusst - war Schluss. Aber egal. Taraji holte sich mit dem 1:1 Dank dem Hinspielsieg das Double: Tunesische Meisterschaft und Arabische Championsleague!
Mit lustigen Abschlussbildern endete die Übertragung auf ART-Sports 3: alle Tarajispieler rennen ins Tornetz vor der Kurve, Besala und Oussama Darragi und noch ein paar andere holen sich Bengalfackeln von den Taraji Ultras und rennen damit vor der Virage rum, etliche Spieler steigen auf die Torlatte und schließlich hüpfen alle mehr aufs Siegerpodest, als das sie gehen. Dort verteilen dann die in traditionelle Kleidung (Djallaba) gehüllten saudischen Sponsoren die Medaillen, den Pokal und den Siegerscheck über 1 Million US-Dollar, die ihnen auf Tabletts von hübschen Tunesierinnen in hochhackigen Schuhen, knielangen Röcken und leichten Blusen überreicht werden. Die Medallien dürfen sich dann die mit Sicherheit besten arabischen Fußballer umhängen. Taraji war der klar verdiente Sieger mit einem technisch und athletisch wieder einmal wunderbaren Fußball. Im Hintergrund läuft standesgemäß "We are the Champions" über die Stadionlautsprecher...
ألف مبروك يا ترجي

1 Kommentar:

fan.aus.einer.merseburger.arbeitersiedlung hat gesagt…

Bildquelle vergessen, unteres Bild auf www.asslema.com - Link: http://img238.imageshack.us/img238/9318/caest402zi2.jpg