Donnerstag, 28. April 2011

W247II: Nach sehenswerten Orten der kroatischen Geschichte und Folklore zeigte sich das Niveau der 1.HNL; nur das Stadion wusste zu gefallen

GNK Dinamo Zagreb 1:0 NK Osijek
Datum: Samstag, 23. April 2011 – Anstoß: 19.00
Wettbewerb: 1. HNL, „T-Com“ Prva Hrvatska Nogometna Liga („Telekom“ 1. Kroatische Fußballliga, Profiliga)
Ergebnis: 1:0 nach 92 Min. (45/47) – Halbzeit: 0:0
Tor: 1-0 52. Milan Badelj
Verwarnungen: Hrvoje Bubalo (Osijek)
Platzverweise: keine
Spielort: Stadion Maksimir (Kap. 37.168 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 3.000 (davon ca. 100 Gästefans)
Unterhaltungswert: 3,5/10 (Es war kein langweiliger Spielbesuch, aber schon erschreckend wie der kroatische Fußball verrottet ist)
IMG_1292
Photos and English version:

Die heutige Sightseeingtour startete etwas schwach, da wir in Kostelski Grad feststellten, dass der Wanderweg zur Burg mit 2 Stunden veranschlagt war, was uns zeitlich zu heikel war. Als Ersatz war die Kirche in Pregrada aber keineswegs unlohnend: die ist für ein Bau des 19. Jahrhunderts wirklich gelungen und wirkt älter trotz hervorragend hergerichtetem Äußeren wie auch Innenraum. Das Schloss von Veliki Tabor wird derzeit leider erst hergerichtet, wobei es nicht gerade für die Intelligenz der Bauherren spricht, die komplette Burg auf einen Schlag zu sanieren und dadurch jahrelang für den Besucherverkehr zu sperren – der Mist wird auch im Oman immer gemacht, weswegen ich schon wieder darauf hinweisen muss, wie gut die Altertumsbehörde in Syrien das im Griff hat: irgendwas wird immer saniert, aber so, dass immer 80% bis 90% der Anlage zugänglich sind.

Immerhin hatte das Museumsdorf von Kumrovec offen. Das „Staro Selo“ ist ein hervorragend gemachtes Freilichtmuseum, das die Originalhäuser des 18. und 19. Jahrhunderts erhalten und rekonstruiert hat. Die Museumsanlage ist für 20 Kuna (2,75€) zu besichtigen und geht in den bewohnten Ort über. Die Bauernhäuser im Ort sind aber größtenteils mit der Zeit verpfuscht worden. Richtig gut mit entsprechender musealer Möblierung und Erklärungstafeln in Kroatisch, Englisch und Deutsch sind nur die Gebäude im Museumsdorf. Berühmtester Sohn der Kleinstadt ist übrigens Josip Broz Tito, dessen Geburtshaus das erste Gebäude des Museums war.

Zwei Burgruinen standen dann noch auf dem Plan: für die besser erhaltene und weniger zu gewucherte Cesargrad muss man den Parkplatz gleich hinter dem Holzschild „Podgora“ nehmen und der Wandermarkierung den Waldweg entlang folgen. Sollte nicht länger als 45 Minuten dauern, ehe man die weitläufigen Mauerreste mit dem noch recht ansehnlichen Kernteil vor sich hat. Runter haben wir nur 25 Minuten gebraucht.
Susedgrad liegt am westlichen Rande von Zagreb in einem Park. Die Autozufahrt ist 200m lang mit zwei Spitzkehren bergauf und so eng, dass nicht einmal ein Moped an einem Kleinwagen vorbeipasst. Gut, dass keiner kam, als wir den Asphaltstreifen hochfuhren... Die Ruine ist, wie oben angedeutet, zwar erkennbar und gar nicht so klein, aber ziemlich zu gewuchert.
Bei beiden Burgbesichtigungen fiel auf, wie Einheimische den ausländischen Besucher freundlich grüßten und mal ein paar Worte wechselten. Auffälligerweise waren die Burgbesucher Jugendliche, junge Frauen und jüngere Paare. In Tschechien sind die Burgenfreunde zwar meistens auch die freundlichste Gattung, aber größtenteils vom Alter her Eltern oder Großeltern der jungen kroatischen Burgbesucher.
IMG_0962
Was Tschechien und Kroatien auch immer wieder unterscheidet, ist die erheblich höhere Beweglichkeit und Freundlichkeit in der Gastronomie. Englisch ist auch weit genutzt – egal ob man nun wie wir noch ein paar Worte Kroatisch am Anfang bringt oder nicht. Im guten und günstigen Grillhaus am Maksimir-Park (Richtung Sesvete) war der Kellner besonders freundlich. Neben diesem Maksimir-Park, einem weitläufigen Wald- und Grünflächenbereich mit Zoo und Sportanlagen, befindet sich eines der eindrucksvollsten Stadien, dass ich je gesehen habe: das Maksimir Stadion.
IMG_1296
Auch hier wieder auffällig freundliche Leute, wie auch in Serbien. Ich weiß nicht, was ein, zwei Groundhopper da gelabert haben, sie hätten Angst haben müssen, weil sie als Deutsche dort nicht gern gesehen wurde – wenn man nicht wie der letzte asoziale Proll auftritt (ob Zagreb, Belgrad, Zwickau oder Berlin: so was kommt ohnehin nur im großen Rudel gut), wird man auch anständig behandelt. Ich bin sogar schon von einem polnischen Hooligan handschläglich und mit Schulterklopfen nach dem Gespräch verabschiedet worden – wer den eben genannten sicher nicht passiert, wenn die selbst in Zagreb und Belgrad angeeckt sind...

Wenn wir mal wieder Belgrad (speziell Roter Stern) und Zagreb (Dinamo) bzw. den serbischen und kroatischen Fußball im Allgemeinen verglichen, kann der Vergleich nur zugunsten Serbiens ausfallen: ein eindruckvolles, gepflegtes Stadion mit guten und kunstvollen Graffitis, in dem eine Mannschaft des gehobenen Mittelmaßes spielt, die konstant von hohen vier- bis fünfstelligen Zahlen von Fans nach vorne gepeitscht wird (also Crvena Zvezdas Marakana in Belgrad mit Delije und Co.) gegen ein zwar noch eindrucksvolleres, aber ungepflegtes, verrottetes, mit hingeschmierten und niveaulosen Graffitis (Hakenkreuze, Keltenkreuze usw. – aber wen wundert das bei einem Land mit der konsequenten Verweigerung von Geschichtsaufarbeitung: Kriegsverbrecher werden als Helden gefeiert und Schuld am Balkankrieg sind immer die Anderen) bekrakeltes Stadion, in dem eine Mannschaft des unteren Mittelmaßes vor niedrigen und mittleren vierstelligen Zahlen und nur ganz selten vor auch nur der Hälfte des Spitzenwertes von Roter Stern spielt.

Dinamo Zagrebs Maksimir ist aber ein fantastischer Bau: außen angestaubte Glasfassade, innen hohe, teils zweistöckige Ränge mit blauen Schalensitzen, staubig und von Rissen durchzogen.
Auch die Betonböden und Wände bröckeln, die Stufen sind ausgelatscht, die Anzeigetafel zeigt gar nichts an – aber die Zäune halten und vom Flutlicht gehen 95% der Lampen. Im Übrigen ist ein Mast deutlich niedriger als die anderen drei Masten. Warum auch immer, sieht aber lustig aus.
Auf unserer Tribina Istok (diese Osttribüne für 40kn/ 5,50€ kann ich aufgrund der Sicht sehr empfehlen – für den Gästeblock [Jug/ Süd] kriegt man eh keine Karten, der Heimblock muss ja nicht sein, nur weil er bloß 20kn/ 2,75€ kostet, und die Westtribüne [Zapad] verlangt völlig überhöhte 60kn/ 8,25€) fanden sich noch die meisten der lahmen Fans ein. Ja, der lahmen Fans: die 100 Gäste aus Osijek feuerten als einzige ausdauernd und qualitativ gut an. Die Osijek Fans rockten das Maksimir! Nicht mal beim „Jebeć Zagreb, jebeć Dinamo – Fick Zagreb, fick Dinamo“ kam richtig Widerspruch. Die Leute von der berüchtigten „Bad Blue Boys“, der mitgliederstarken, gewaltbereiten und rechtsextremen Ultragruppe, blieben auch heute im Protest gegen das Präsidium fern. Die Zuschauerzahlen sind seit dem Boykott gegen die kapitalistische Küchenschabe (gute Wortwahl eines Dinamo-Fans) von Clubpräsident völlig eingebrochen. Die Forderungen der BBB finden sich hier in Englisch: http://www.soccer24-7.com/forum/showthread.php?t=182435  
IMG_1337
Ein absolutes Armutszeugnis also die Atmosphäre, die selbst in Hoffenheim nicht schlechter ist – wobei sich gegen den Gästeblock nichts sagen lässt, aber eben nur nicht gegen den – und auch das Spiel des Serienmeisters war eines solchen Rekordhalters nicht würdig. Seit 1992 gewann Dinamo ja 12 Meisterschaften: die anderen gewann Hajduk Split und ein einziges Mal NK Zagreb. Sehr abwechslungsreich... Wenn denn wenigstens das Spielniveau hoch wäre, aber das liegt genau wie die Durchschnittszuschauerzahl irgendwo im Bereich von Makedonien und Indien.

Die erste Halbzeit war unter aller Sau mit kaum einer Torchance und Osijek als der noch schlechteren Mannschaft. Folgerichtig 0:0. Nach der Pause machte Dinamo etwas Druck und erzielte per Kopf das 1:0. Nach dem goldenen Tor zogen sie ab und an das im Allgemeinen viel zu niedrige Tempo an und vergaben drei, vier gute Chancen. Osijek hatte zwei richtige Chancen in 92 Minuten. Das sagt ja wohl alles, warum Dinamo nach dem Spiel seine billige Ehrenrunde drehen konnte: zum 13. Mal sind sie Meister geworden – und mal wieder nur, weil die anderen noch schlechter sind. Erschreckend, wie der kroatische Fußball auf den Müll gekommen ist: die Durchschnittszuschauerzahl bei Dinamo hat sie ja in vier Jahren von 7.500 auf 4.000 fast halbiert – die Fanzahl bei der Nationalmannschaft aber nicht, da man da die einzigen guten kroatischen Fußballer spielen sehen kann. Die fünf, sechs Heinis kicken aber alle im Ausland.

Auch wenn man ganz klar sagen muss, dass Kroatien genauso wenig ein Fußballland ist, wie Indien eines ist; das Drittligaspiel am Karfreitag war viel besser und hat richtig Spaß gemacht. Das Sightseeing in Kroatien natürlich auch – also kann ich von Kroatien keinesfalls jemandem abraten!
IMG_1373
Statistik:
Grounds: 553 (heute ein neuer Ground; diese Saison: 103 neue)
Sportveranstaltungen: 1.260 (heute eine, diese Saison: 147)
Tageskilometer: 200 (200 Auto)
Saisonkilometer: 38.030 (18.800 Auto/ 10.200 Flugzeug/ 4.820 Bahn, Bus, Tram/ 3.400 Fahrrad/ 810 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 2
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 247

Keine Kommentare: