Montag, 2. August 2010

W209IV: Tour durch die wohl schönste Region Polens, den Krakau-Tschenstochauer-Jura

IMG_1268

Photos and English version: CRACOW JURA!

Zwischen Krakau und Tschenstochau (Częstochowa) erstreckt sich die herrliche Landschaft des polnischen Jura, eine grüne, gebirgige Gegend, in der eine große Menge von Kreidefelsformationen und mittelalterlichen bis barocken Festungsgebäuden steht. Nachdem wir uns unser Frühstück und Proviant in einem Supermarkt geholt haben, der so modern, riesig und gut sortiert ist, dass seine Bezeichnung – auch nicht zu unrecht – von „super“ ausgehend noch verstärkt wird als „Hipermarket“, brachen wir gen Norden auf.

Wir hatten nur die bedeutenderen und gut erhaltenen Burgen auf dem Programm und als erstes stand da Pieskowa Skała an. Der Parkplatz ist mit einem Festpreis von 6,50Zł (1,65€) belegt und der Eintritt in die beeindruckend auf einem von einem tief eingeschnittenen Tal umgebenen Felsen gelegene Festung kostet 10 (ermäßigt 7, also 2,50€ bzw. 1,80€). Wir aßen aber nur unsere Bemmen im Schutz des Autos – es sollte an diesem Tag leider nur kurze Regenpausen geben, aber von schlechtem Wetter lässt sich kein Burgenfreund und kein Groundhopper von seiner Planung abbringen – und gingen dann den kurzen Wanderweg um die Anlage herum. An dem einen Ende steht die Herkulessäule – oder Herkuleskeule – die ein besonders hoher, freistehender, weißer Kalksteinfelsen ist. Von dort aus hat man auch den besten Blick auf den Turm mit der Sonnenuhr und dem Schmuckmauerwerk des stark befestigten Schlosses.

Weiter ging es über ein Dorf namens Strzegowa – dort gibt es eine besonders schöne Dorfkirche mit freistehendem Glockenstuhl – nach Smoleń, einem noch kleineren Kaff. Smoleń war der zweite Ort auf der Fahrt, wo ich mich fragte, ob Polens Orientierung westwärts wirklich so gut ist. Als ich die beiden Stadionneubauten in Krakau sah, kam mir schon die Galle hoch: da wird Geld für ein Kommerzevent wie die EM 2012 verpulvert – dabei ist auch nur eines der beiden Stadien ein Austragungsort – und 0815-„Arena“-Bauten hingestellt. In Smoleń war dann die Burg wegen Baumfällarbeiten gesperrt, was vor fünf Jahren noch kein Grund für ein Warnschild gewesen wäre. Aber polnische Warnschilder muss man als Deutscher ja nicht verstehen, als sind wir natürlich hoch zur mittelalterlichen Anlage, deren Bergfried man schon aus wenigen Kilometern Entfernung über die Baumwipfel ragen sieht. Man konnte sich auch trotz der gefällten Bäume, die da jetzt Monate lang herumliegen werden, normal in der Burg bewegen, die noch erhebliche Mauern aufzuweisen hat – und natürlich eben diesen Bergfried, der auf dem Felsen, um den etwas unterhalb die restlichen Burgmauern herumgebaut sind, unzugänglich thront.
IMG_1183
Der burgenmäßige Höhepunkt kam dann danach mit der Burg Ogrodzieniec im Dorf Podzamcze. Ein herrlicher gotischer Bau mit sehr geräumigem Vorhof, in dem schon alles für Ritterspiele am kommenden Samstag vorbereitet wurde, und gut erhaltener, sehr kompakter und über etliche Etagen verwinkelter Kernburg. Im Hof bauen sich am Rande der Außenmauern mehrere, teils wie Gesichter wirkende Felsen auf, von der Kernburg hat man einige schöne Ausblicke in die Landschaft. Diese Anlage ist übrigens die größte im Jura-Gebirge.
Der Parkplatz schlägt bei 2 Stunden mit 5Zł (1,25€) zu Buche und der Eintritt liegt bei wirklich günstigen 5,50Zł (ermäßigt 4,50Zł = 1,40€/ 1,15€). Die Folterkammer und das Burgmuseum – beides sparten wir uns – kosten zwar 1,50Zł bzw. 2Zł extra, aber wenn man bedenkt, wie teuer Sportveranstaltungen oder gar Konzerte (ein nur einstündiges Klassikkonzert in Krakau hätte uns am Vorabend 50Zł, ermäßigt 30Zł (12,80€/ 7,70€) gekostet, was noch maßloser ist, als die Preise für Fußball, Basketball usw.), dann ist das wirklich ein Schnäppchen.

Da die Zeit doch reichlich bemessen war, fuhren wir zur Burg Mirów, die ebenfalls – warum auch immer – wie die Burg Smoleń gesperrt war. Bei dieser Anlage reicht aber eigentlich schon das drum herum gehen, denn die hoch gebaute gotische Burganlage lebt vor allem von der herrlichen Einpassung in die bizarre, von Wiesen durchsetzte Kreidefelslandschaft. Am verrammelten Haupttor sieht man aber gut, was viele Polen von Verbotsschildern halten: nämlich nichts. Da wurden glatt ein paar Holzlatten rausgebrochen und große Steine direkt vor die beschädigte Stelle getragen, damit man einfach einsteigen kann. Wir ließen das allerdings bleiben und fuhren über einen völlig zerfahrenen Asphaltweg, der mehr Schlaglöcher als Straßenbelag hatte, ins benachbarte Bobolice. Dort steht eine Burg, die vor wenigen Jahren so aussah, wie jene Burg Mirów, doch Irgendwer meinte, man müsse die Ruine rekonstruieren, so dass sie wie zu der Zeit ihrer Errichtung (14. Jhdt.) aussieht. Die Rekonstruktion ist zwar kompetent erfolgt – man kann nicht behaupten, dass die Burg kitschig wieder aufgebaut oder das Aussehen daherphantasiert wurde: vor 700 Jahren hat die Anlage mit 99,9%iger Sicherheit so ausgesehen – aber es hätte auch völlig ausgereicht, wenn man die Ruine gesichert hätte. Das fördert nämlich die Vorstellungskraft der Besucher. Aber solange man Mirów als Gegenbeispiel so lässt, ist das schon O.K.
IMG_1296
Wir dachten ja schon, dass die Straße zwischen Mirów und Bobolice schlecht sei, aber was dann noch auf uns zu kam, hatten wir selbst in Syrien nicht ganz so schlimm erlebt: dadurch, dass ein einziger Wegweiser fehlte, bogen wir einmal falsch ab und landeten prompt zuerst auf einer Schlaglochpiste und dann auf einem unbefestigten Weg. Fast 10km führte der kreuz und quer durch Felder und Nadelwälder, die auf dem sandigen Boden gut gedeihen. Da es seit 15 Stunden dauernd regnete, war selbst der Sandboden an seine Grenzen gelangt und nahm kaum Wasser auf, was tiefe Pfützen hinterließ. Also viel Manövriererei und Luftanhalten, ob man durch die schlammige Piste mit dem Ford Kombi auch durchkommt. Auf der Asphaltstraße angelangt, mussten wir erst einmal eine Baustelle passieren, die in Polen genauso wie in arabischen Ländern einfach durchfahren wird – keine Umleitung, keine Baustellenampel: alles viel einfacher, da mitten durch die Baustelle durch – und dann zwei Züge von dutzenden von Pilgern, die auf der kleinen Nebenstraße gen Częstochowa wanderten, überholen.

Endlich im Dorf Olsztyn bei Częstochowa angelangt, war dort die Burg am Schließen, doch wenn man zum Spielplatz neben dem Burggelände läuft, kann man noch ein paar Fotos von der Burg machen. Die Anlage liegt auf einem Felskamm und besteht aus zwei Hälften, die über den Felsgrat miteinander verbunden sind. Die vordere Hälfte hat einen hohen Bergfried zu bieten und die hintere einen kompakten aber kleinen Wehrturm.
IMG_1313
In Częstochowa buchten wir uns erstmal für eine Nacht im ETAP, was mit Niedrigstpreisen von 25€ (Wochenenden) oder 33€ (Montag-Donnerstag) pro Zimmer aufwarten kann, ein. Frühstück kostet unverhältnismäßig hohe 4,50€, sodass man lieber am Morgen Baguettes aus einer der nahegelegenen Tankstellen holt oder im Tesco einkauft. Wer sich nicht für Religion – oder Drittliga-Fußball bzw. Erstliga-Speedway – interessiert, sollte sich bloß von Częstochowa fern halten. Es gibt nur eine Sehenswürdigkeit, nämlich Polens wichtigste Wallfahrtskirche auf dem Wehrklosterkomplex Jasna Góra (übersetzt: „Heller Berg“), der, folgt man der Fußgängerzone, hoch über der Innenstadt thront. Dort wird die Ikone der Schwarzen Madonna verehrt. Als Nicht-Katholik bestaunt man dann halt einfach den enorm hohen Turm (107 Meter oder so) der Kirche, die starken Mauern, die drei aufeinanderfolgenden Eingangstore mit den herrlichen Kapitellen die verschiedene Heilige zeigen und den Innenraum der Kathedrale, über dessen Altar sich die berühmte Ikone befindet. Vor der knien dann meist so viele Gläubige, dass man die Ikone nur aus gebührender Entfernung sehen oder fotografieren kann. Man beachte außerdem die Wände rechts, an denen Krücken, Ketten und andere Gegenstände von Kranken, die nach den Gebeten vor der Ikone Heilung erhielten, hängen, und die Frömmigkeit der Menschen, die minutenlang in sich gekehrt auf dem kalten, harten Fliesenboden hocken – ob nun ein Jugendlicher in Jeans und T-Shirt, eine junge Frau mit Bluse und langen Hosen, eine Oma mit Kleid und Kopftuch oder ein älterer Prolet mit Mediamarkttüte, die die tolle Aufschrift „Mediamarkt – nie dla idiotów [= Nicht für Idioten, statt dem in Deutschland üblichen „Ich bin doch nicht blöd“]“ trägt.

Ansonsten ist diese Stadt einfach ein Dreckloch, wie man es in Schlesien erwarten muss. Wir mussten eine Weile suchen, bis wir endlich ein Restaurant, in dem es mehr als nur Bier und Chips gibt, fanden. Das war ein libanesischer Schnellimbiss, in dem man die libanesische Variante des Döners für nur 2€ serviert bekam. Zu den Banken will ich mal nichts sagen: bei einer funktionierte der Geldautomat nicht, die andere war zu, die nächste auch, aber Western Union – die haben ohnehin viele Filialen in Entwicklungsländern und was Schlesien bei aller Industrie anderes sein soll, als ein niedrig entwickeltes Gebiet in geographischer aber nicht kultureller Nähe zu West- und Mitteleuropa, würde ich ja gerne mal wissen – konnte per Automat mit Złoty dienen.

Also halten wir mal fest: Częstochowa ist ein Ort, wie man sich Polen klischeehaft vorstellt. Nur dürfte die Gefahr, dass das Auto geklaut wird, nach wie vor nicht viel höher sein, als in Deutschland. Ansonsten halt die „typische“ Mischung aus Plattenbauproleten, abgewrackten Bürgerhäusern und hoher Religiosität mit entsprechend beeindruckenden Sakralbauten. Wer in den Jura – sehr empfehlenswert! – oder nach Kielce oder so fahren will, dem empfehle ich aber, in Częstochowa im ETAP zu übernachten, da dieser Ort für Tagesausflüge oder Stopp-over sehr günstig ist. Oder wo kann man sonst noch zu dritt für 25€ übernachten?
IMG_1358
Statistik:
Unterhaltungswert: 9,0/10 (Viele schöne Burgen in toller Landschaft und ein eindrucksvoller Wallfahrtsort)
Tageskilometer: 200 (Auto)
Saisonkilometer: 1.180 (1.110 Auto/ 70 Fahrrad/ 0 Flugzeug/ 0 Bus, Bahn
, Tram/ 0 Schiff)

Keine Kommentare: