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Difaâ Hassani d’El Jadida (الدفاع الحسني الجديدي)
- Datum: Sonntag, 27. Oktober 2013 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: GNF Botola 1 [ لبطولة الوطنية الاحترافية] (erste Marokkanische Liga; Profifußballiga)
- Ergebnis: 0-0 nach 95 Min. (47/48) – Halbzeit: 0-0
- Tore: keine
- Verwarnungen: Nr. 4, Nr. ? (MAT)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Saniat Rmel, Estadio de Varela [ملعب سانية الرمل] (Kap. 10.000, davon 2.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 8.000 (darunter ca. 300 Gäste-Fans)
- Unterhaltungswert: 4,0/10 (Enttäuschendes Spitzenspiel mit ganz guter Stimmung) Photos with English and Arabic Commentary:
a) Moroccan Football League: Mogreb Atlético Tetuán v Difaa Hassani El-Jedida
b) Rif Mountains: Tetouán Old Town
Die Hinweise des Auswärtigen Amtes zu Marokko sind zwar hysterisch, teils wirr und an mehreren Stellen schlichtweg unzutreffend (wie so oft beim AA), aber das Rif-Gebirge alleine zu bereisen birgt ein kleines Risiko von versuchten Erpressungen durch Drogendealer und ihre nicht minder kriminellen Kollegen von der Polizei. So war es mir sehr recht, dass wenigstens Driss und Zakariya Zeit fanden, mich zu begleiten. Chefchaouen (wo ich vorher schon mit meinem Vater war) ist nämlich so ziemlich die einzige Stadt im Rif, die angenehm zu bereisen ist – alles von Tetouan bis Berkane nördlich der Autobahn ist nicht ganz unproblematisch – und heute stand eine Hoppingtour nach Tetouan an.
Nach recht zügiger Fahrt über die Landstraßen durch die Berge, hatten wir die südliche Ortseinfahrt von Tetouan, dem bis 1956 vom faschistischen Spanien besetzte Tetuán, erreicht. Es grüßte uns eine Müllkippe, die teils auf die Straße gerutscht war… In der Altstadt sah es ähnlich chaotisch aus: die steilen und sehr engen Straßen waren extrem überlaufen, voller Marktstände (ob Obst, Elektroartikel, Unterwäsche oder Bohrmaschinen – jeder Scheiß wurde erster, zweiter oder dritter Hand angeboten) aber weder Taschendiebe noch Drogenhändler machten Ärger. Wir drei konnten ganz in Ruhe die alten arabischen und nicht ganz so alten spanischen Gebäude, die Moscheen, Kirchen und den Königspalast anschauen. Architektonisch ist Tetouan definitiv eine der besten Ecken Marokkos!
Erst nach dem sehr preisgünstigen Mittagessen in stadionnähe ging der Ärger los, der für das Rif-Gebirge mit seiner als asozial verrufenen kabylischen Bevölkerung so typisch ist. Driss hatte keinen Bock ins Stadion zu gehen und ging in ein Kaffehaus, da er sich von mir den Eintritt hätte bezahlen lassen müssen. Die Karten kosteten statt wie meistens 20 Dh. ganze 30 – und kaum hatten Zakariya und ich uns angestellt, gab es Ärger mit der Polizei. Dumme Menschen in Deutschland und anderswo meinen ja, dass das Fehlverhalten der Polizei (vom rauen Ton bis zur schieren Gewalt) in Marokko und anderen Ländern so seien muss, da man sonst keine Ordnung reinbringen könnte. So dumme Menschen wissen aber nicht, dass die marokkanische Polizei nicht nur landesweit ein massives Korruptionsproblem hat, sondern speziell im Rif tief in den Drogensumpf verstrickt ist und dort semi-anarchistische Zustände bewusst zulässt. Die Ordnungsdurchsetzung ist also für den Arsch, wenn man selber keine Vorbildfunktion vorweisen kann und so asoziales Verhalten, wie hier heute erlebt, noch lange nicht gerechtfertigt!
Jedenfalls meinten zwei zweifelhaft wirkende Uniformierte: „Sie können durch, aber der Junge da bleibt draußen.“ Als ich noch ruhig sagte, dass das der Sohn von meinem Freund und Kollegen (man muss immer übertreiben: die Deppen wissen eh nicht, was ne Gastfamilie ist, also waren Driss und ich nun „Lehrer“) ist und überhaupt kein Problem bestünde, meinte der jüngere, dass er das nicht so glauben könne. Nun wurde ich langsam lauter, was er eigentlich wolle (Shnu bghiti?). Als Zakariya leicht eingeschüchtert unsere Story beteuerte, schubste ihn der alte mit der Mütze (diese sagt aus, dass er mehr zu sagen hat als andere) zur Seite in eine Gruppe Fans. Da ich mir als Ausländer das leisten kann brüllte ich ihn an, was die Scheiße soll (Shnu had l-khara‘?). Das motivierte die Fans, in die Zakariya geschubst wurde, ein ordentliches Handgemenge vom Zaun zu brechen, das wir beide nutzten um die zweite der drei Kontrollen zu erreichen. Dort warteten die nächsten Idioten: einer hielt mich für einen Berber (es gibt einen Volksstamm der ist so blond wie ich: so einer von denen saß dann sogar schräg vor uns auf der Tribüne) und meinte nach Blick in meine Kameratasche: „Wehe du fotografierst uns! … Du musst aber auch reich sein, arbeitest du im Ausland?“ – „Ich bin Deutscher! Was willst du eigentlich?! (Zu einem Kollegen): Was will der denn von mir?!“ – und der Kollege daraufhin: „¡Vale, vale - Entrar!“ (Spanisch für: „ist ja gut, geh rein“). Zakariya musste ich wieder bei der Hand nehmen und drei Mal laut sagen, dass das seine Richtigkeit hat. Die Hackfresse, die dann die Karten einsammelte guckte mich unfreundlich an, obwohl ich ihn wie es sich gehörte, mit einem „salamu aleykum“ die Karte hin hielt. Ich meinte zu ihm: „Inta Spanyoli“ (biste Spanier?). Er: „Ah?“ (Hä?) Ich: „Ah, ma titkellemsch l-‘arabiyya?!“ (na, du sprichst ja nicht Arabisch). Aber bevor es noch Streit gab, zog mich Zakariya in den Block, wo wir uns an den Rand setzten.
Auch er meinte mit seinen Erfahrungen mit Spielen und anderen Veranstaltungen in Fès, Meknés u.a., dass er noch nie solchen Abschaum in Uniform erlebt hat wie dieses asoziale Pack, das hier als Polizei und Ordnungsdienst von Maghreb Tetouan fungierte. Rif ist irgendwie Rotz. Gerade in Chefchaouen habe ich viele nette Leute erlebt, aber das ist hier die Ausnahme in dieser Region. Heute in Tetouan hat nicht einer Notiz genommen, nicht einer gegrüßt und selbst im Stadion kam kein Gespräch mit einem Fan zustande, was Zakariya auch wunderte.
Hinterher wurde ich nur einmal angesprochen – und warum: der meinte, wenn ich Lust hätte, könnte ich mitkommen zu einem Freund, denn „der baut gutes Gras an!“ Zu Zakariyas Belustigung schnauzte ich den Kabylen an:
Du Gauner, das ist haram [religiös verboten].
Er: OK, ok. Du bist echt Muslim? … und verheiratet?
Ich: Hamdulillah (Gelobt sei der Herr - eigentlich wollte ich ja nur, dass der weitergeht).
Er: "Wie heißen du und deine Frau?"
Ich dachte mir, scheiße was sagste dem jetzt und tat so als hätte ich ihn nicht verstanden, woraufhin Zakariya meinte: „ah Karim, ajy“ (Karim komm jetzt).
Der Kifferkabyle: Karim, ja? Und deine Frau?
Ich: Fayza [die jüngste Schwester meiner Gastmtter Khadija], und jetzt lass mich in Ruhe, Alter!
Ob der Zakariyas unterdrücktes Lachen bemerkt oder mir das jetzt abgekauft hat oder nicht – den Spitznamen „Karim (Edler)“ hab ich jetzt weg bei meiner Gastfamilie und wenn Fayza das nächste Mal da ist oder Zakariyas und meine Facebooknachricht liest, gibt es auf jeden Fall was zu lachen… Zurück ins Stadion: schon über eine Stunde vor Anpfiff wurde es langsam voll im schicken, natürlich spanisch geprägten Stadion Saniat Rmel (Wasserrad an der Sandbank: ein entsprechender Fluss fließt hinter der Gästekurve entlang). Drei Seiten sind mit je 10 Steinstufen bestückt, hinter der einen Längsseite sind Arkaden mit Ziegeln errichtet, gegenüber gibt es eine modernisierte und überdachte Sitztribüne. Zwischen dieser und dem Gästeblock befindet sich noch eine ungewöhnliche Logenkonstruktion in einer Art Klubhaus.
30 Minuten vor Beginn gab es eine erste Schlägerei im Block, als aus unerkennbarem Grund ein Jugendlicher unter Schlagstockeinsatz aus dem Block gezogen werden sollte. Ein gut 20jähriger setzte aber einen Sprungtritt gegen den Oberkörper des vorgepreschten Uniformierten, sodass er fünf Stufen tiefer von den Kollegen aufgefangen werden musste, die nicht mehr in den „MATadores“-Block gelangten, nachdem sich locker 20 Leute einmischten… Danach blieb es weitestgehend ruhig im Stadion, nur etwa ein Viertel der Fans feuerte durchgängig an und dieses Viertel teilte sich auch in zwei Gruppen die mitunter was anderes anstimmten. Der Gästemob blieb ziemlich blass und wird sich nach spätestens 60 Minuten gedacht haben: was eine scheiß Auswärtsfahrt diesmal...
Das Spiel endete nämlich torlos und das war recht bald abzusehen: kämpfen, blockieren, Ball halten, taktieren, Schuss – abgeblockt, Schuss – gehalten, Schuss – vorbei… Hier sollte die Niederlage vermieden werden und wie so oft wenn 1. gegen 3. spielt, gingen die Zuschauer enttäuscht nach 90 torlosen Minuten Hause.
Was mich an den Spiel von MAT eigentlich mehr noch als die Tabellenkonstellation interessiert hatte, war deren Geschichte und die Spanischnutzung im Stadion. In der Tat wurden hier die Snacks mit „Bocadillos“ statt „Sandwich“ und „Zumo“ statt „‘Asîr“ (Saft) bezeichnet. Parallel zur Kolonialgeschichte verläuft auch die Vereinsgeschichte teils Spanisch teils Marokkanisch. Sogar Primera División hat der Klub schon gespielt, als Tetouan noch spanisch besetzt war wie Ceuta und Melilla bis heute! Historische Wappen und Fotos kann man sich bei der arabischen Wikipedia angucken!
Nach dem Spiel sahen wir zu in freundlichere Gefilde Marokkos zu kommen, nämlich zurück in die „arabische Hauptstadt“ Fès. Und dafür brauchten wir nicht mal dreieinhalb Stunden – 21 Uhr stand schon Khadijas prima Essen auf dem Tisch und Fußball war natürlich Thema Nummer 1: sie hatte die Spiele an der Glotze verfolgt und natürlich musste sich auch jeder von Zakariya anhören „ey, ich wurde von nem Polizisten umgeschubbt und Karim hat dann Streit gesucht und ein Typ wollte ihm Drogen verkaufen, da hat er richtig muslimisch geschimpft und übrigens ist Fayza jetzt seine Frau…“
Aber noch ein Satz was Beziehungen von Ausländern zu Marokkanern angeht: langsam wird mir klar, warum man in Marokko außer über vorherige Kontakte wie mit dem Homestay bei Khadija und Driss, so schwer Leute kennenlernt (im Gegensatz zu allen anderen arabischen Ländern, gerade auch im Gegensatz zum benachbarten Algerien) – dauernd hat man als Marokkaner Ärger mit der Polizei, wenn man mit Ausländern unterwegs ist! Von wegen „Du bist doch ein illegaler Guide, du willst doch nur an sein Geld oder an ein Visum seines Landes…“ und Widerspruch des Ausländers wird erst wahrgenommen wenn er laut und unfreundlich erfolgt! Nur in Gruppen (1, 2 Ausländer und 3 oder mehr Einheimische) scheint man von solchem Ärger verschont zu bleiben. Hier in Marokko hat mich jedenfalls noch keiner nach nem Spiel ins Cafe oder gar zu sich heeme eingeladen wie damals in Syrien oder vor kurzem in Algerien: denn selbst in diesen Diktaturen würde es kein Polizist wagen, auf einen Einheimischen mit ausländischem Gesprächspartner zuzukommen und ihn als illegalen Guide oder sonst was anzuscheißen. Und wer meint, es ginge hier nur um das Wohl der Touris vor der realen Gefahr der illegalen Abzocker, der hat noch immer nichts kapiert: es geht einzig und allein um die Aufbesserung des polizeilichen Geldbeutels, denn Korrupte in Uniform versuchen (was ich bisher beide Male erfolgreich verhindern konnte) die Einheimischen zur Zahlung von Bestechungsgeld („gib mir 20 Dh. und ich lass euch in Ruhe“) zu erpressen! Statistik:
- Grounds: 1.029 (1 neuer; diese Saison: 58 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.929 (heute 1, diese Saison: 73)
- Tageskilometer: 570 (570km Auto)
- Saisonkilometer: 20.430 (19.470 Auto/ 910 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 0 [letzte Serie: 13, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 378
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