Mittwoch, 5. Januar 2011

W232II: Die Kometen von Brno und ihre runde Halle

HC Kometa Brno 2:3 HC Plzeň 1929
Dienstag 4. Januar 2011 – Anbully 18.00
Übersetzung: HC Komet Brünn – HC Pilsen 1929
Liga: „Tipsport“ Extraliga (1. tschechische Profi-Eishockey-Liga)
Ergebnis: 2:3 nach 60 Min. – Drittel: 1:1, 1:0, 0:2
Tore: 1-0 0.23 Radim Hruška, 1-1 19.26 Radek Duda, 2-1 24.42 Marek Kvapil, 2-2 44.02 Radek Duda, 2-3 47.35 Martin Straka
Zeitstrafen in Minuten: Jaroslav Svoboda 2+2, Radek Procházka 2, Marek Kvapil 2, Roman Erat 2 (Brno: 10 Minuten); Nicolas St. Pierre 4, Jan Kovář 2, Radek Duda 2, Jaroslav Modrý 2, Bankstrafe 2 (Plzeň: 12 Minuten)
Halle: Hala Rondo (Kap. 7.200, davon 4.200 Sitzplätze)
Zuschauer: 6.823 (davon ca. 25 Gästefans)
Unterhaltungswert: 7,5/10 (Schnelles und technisch sowie in Torszenen starkes Spiel)
Sightseeing: 6,5/10 (Burg Kámen lohnt auch eine Außenbesichtigung sehr, Pelhřímovs Altstadt ist auf jeden Fall einen Besuch wert, aber Brno ist – trotz ein paar sehenswerter Plätze – so ziemlich die hässlichste Stadt in ganz Tschechien!)
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Photos and English version:
Kámen Castle & Pelhřimov Old Town
Brno - Second Largest City in Czechia
Ice Hockey: Kometa Brno 3-2 HC Plzeň

In Bechyně bekamen wir vom sehr gut deutsch sprechenden Hotelchef des „Panská“ ein mittelmäßiges Frühstück serviert – nicht, dass es schlecht war, aber wieso man in Tschechien nur mittelmäßiges Frühstück, aber hervorragende warme Küche bekommt, ist mir ein Rätsel – und fuhren mit dem Ziel irgendwann in den nächsten Jahren für bessere Fotos der Stadt bei besserem Wetter noch mal zurück zukommen, über Kámen nach Pelhřimov. In Kámen gibt es eine schöne Burg, die einen mittelalterlichen Teil mit massiver Schildmauer und einen neueren, größeren, frühbarocken oder so, Teil hat. Die ganze Anlage ist in einem hervorragenden Zustand und in einem durch ein massives Tor zu betretenden, felsigen Park gelegen. Das Museum war geschlossen, was uns allerdings egal war. Wir wollten so wie so recht zügig weiter nach Pelhřimov, was in Deutsch als „Pilgrams“ bekannt ist. Dort gibt es ein besonders schönes, wenn auch nicht sehr großes Exemplar einer böhmischen Altstadt mit vielen Barock- und Renaissancebauten. Die Kirche des Heiligen Bartholomäus ist ein sehr schöner Barockbau, in dem man auch Fotos machen darf: als Motiv lohnt sich vor allem der reich verzierte Altar.

In Brno gibt es auch etliche Fotomotive – so z.B. die Kathedrale von außen, wenige der zwischen der Kathedrale und der Festung gelegenen Bürgerhäuser, ebendiese kahle Festung Špilberk, und drei Plätze (der eine unterhalb der Kathedrale, der andere bei der ehemaligen Klosterkirche und der dritte bei den Verwaltungsgebäuden in der Nähe der Kathedrale) – allerdings sollte man auch mal den Orten Beachtung schenken, die man besser nicht fotografiert: die von Roma geführten, vergammelten Ramschläden, die teils in abbruchreifen Häusern, teils in Bretterbuden untergebracht sind und meist in Bahnhofsnähe liegen, dazwischen die Obdachlosen, die in schmutzigen Decken auf den noch schmutzigeren Steinstufen pennen – ab und an wird man auch mal von Tschechen oder Roma, die entweder gar nicht aussehen als hätten sie es nötig oder auch völlig zerzaust und zerfressen von Alkohol erscheinen, angebettelt. Ohnehin reiht sich in Brno ein Problemviertel an das das nächste: abgewohnte Häuser, Verfall, bewohnte Ruinen – dazwischen ebendiese heruntergekommenen Gestalten. Insgesamt kann ich vom Niveau der Sehenswürdigkeiten und der Hotels diese Stadt niemandem empfehlen – das Niveau der Sportmannschaften und -anlagen im Fußball und Eishockey ist aber so gut, dass ich unter diesen Gesichtspunkten einen Besuch empfehlen kann.
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Beim Eishockey in der zweitgrößten Stadt Tschechiens fällt auch wieder auf, was unter dem Publikum für Gestalten aufkreuzen: da mag zwar auch unser freundlicher Sitznachbar sein, der sich mit uns in ein paar Brocken Deutsch verständigt – aber da sind auch die nach Alkohol stinkenden Asozialen mit verfilzten Haaren und abgetragenen Klamotten, bei denen man sich wundert, dass sie überhaupt die teueren Karten bezahlen können oder die in Thor-Steinar-Klamotten gekleideten Neonazis. Brno hat aber insgesamt gesehen die stimmungsmäßig beste Szene der ganzen Tschechischen Republik. Zwei Überziehfahnen wie heute sind bei denen das Standardintro – Papptafelchoreos und anderes gibt es bei wichtigeren Spielen zu sehen; die Anfeuerungen sind sehr ausdauernd und werden teilweise auch von den Sitzplätzen und nicht nur den beiden Stehplatzblöcken getragen. Hier im Osten Europas (während Böhmen zu Mitteleuropa gezählt werden Muss, ist jede andere Einteilung Mährens außer zu Osteuropa absoluter Schwachsinn) sind die Zuschauer auch aggressiver als im Zentrum, zu dem auch zwei Drittel Tschechiens gehören, so ja auch eine der wichtigen böhmischen Großstädte wie Plzeň; von da kamen heute gut 25 Leute, die auch ab und an mit Anfeuerungen zu hören waren.

Nicht nur die Atmosphäre auf den Rängen, sondern auch die Sportstätte als architektonisches Denkmal und das Spiel als hochwertiges Duell lohnten das Kommen. Die Halle ist ein regelmäßig runder Bau – daher Rondo – der aber im Gegensatz zu den für Hand-, Volley-, Basketball usw. genutzten, ähnlichen Sporthallen in Tripolis (Libyen) und Tunis keine runden Tribünen hat. Die beiden anderen Hallen haben nämlich auch ganz runde Tribünen, sodass man in der Mitte relativ weit entfernt vom Feld sitzt, doch der Brünner Rondo wurde innen modernisiert und zwei mit sehr einfachen Plasteschalensitzen ausgestattete Längstribünen lassen nehmen nicht mehr die Rundform der Hallenwände und Deckenelemente auf. Hinter den Toren – dort sind die Stehplätze – ist die Rundung auch nicht mehr so stark erkennbar. Ein Blick zur Decke mit den seltsamen Dämmungselementen und den kreisförmig angeordneten Wartungstreppen ist aber interessant; die Hallendecke ist auch das erste, was Gästefans als Erinnerungsbild abfotografieren.

Das Spiel war von Beginn an schnell – die Brünner Mannschaft spielt auch oft relativ aggressiv, sodass viel Fahrt ins Spiel kommt – und schon mit dem ersten Angriff hob die Heimmannschaft die Stimmung in der Halle ernorm an, da sie den Puck gleich im Tor unterbrachten. Etliche Chancen vor allem für Brno später, lag der Puck dann aber auch mal im Tor der Kometen, die trotz Überlegenheit den Ausgleich hinnehmen mussten. Die Gäste wurden nach der Pause stärker, doch weiterhin war Brno die etwas bessere zweier wirklich guter Mannschaften. So kam Brno auch zur erneuten Führung. Im dritten Drittel legte Pilsen aber derartig zu, dass Brno fast nur noch am Verteidigen war und zwei Tore hinnehmen musste. Am Ende siegten also die Gäste mit 2:3 Toren.

Da wir schon am frühen Nachmittag sehr gut in Brno essen gehen konnten (das Švejk in der Nähe der Uni hat gute, moderne tschechische Küche zu angemessenen Preisen; in Deutschland würde man locker 50 bis 100% mehr bezahlen für so gute Sachen) fuhren wir ohne nennenswerte Verzögerungen gleich nach dem Spiel zurück nach Merseburg, wo wir nach etwas mehr als 6 Stunden Fahrt (30 Minuten Pause inklusive) kurz vor 2 Uhr ankamen.
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Zusammengefasst gesagt lohnt sich zwar keine Stadtbesichtigung Brnos, aber ein unter sportliche Aspekte gestellter Besuch der Stadt (für ordentliche Sehenswürdigkeiten kann man ja im Umland bis Olomouc herumfahren). Man sollte allerdings bei einer mehrtätigen Tour Brno nicht als Ausgangspunkt, sondern als ein Tagesausflugsziel z.B. von Olomouc oder Zlín nehmen, da die Hotellerie in Brno sauteuer und unseriös ist. Der Besuch beim Erstliga-Fußball ist schon lohnend, aber beim Erstligisten im Eishockey, ebendiesem HC Kometa, ist aufgrund der Spielqualität, der Halle und der Stimmung, lohnt ein Besuch noch mehr. Dass der Club nur durch Lizenzkauferei in der höchsten Spielklasse spielt ist war scheiße, aber tut der Fanatmosphäre und dem spielerischen Niveau keinen Abbruch.

Statistik:
Ground Nr. 511 (ein neuer Ground; diese Saison: 61 neue)
Sportveranstaltung Nr. 1.202 (diese Saison: 89)
Tageskilometer: 710 (Auto)
Saisonkilometer: 17.270 (12.070 Auto/ 2.290 Bahn, Bus, Tram/ 2.110 Fahrrad/ 800 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 83
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 232

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