Samstag, 26. September 2009

WE165II: Ein gerechtes Unentschieden im Sachsen-Anhalt Derby: Die Fans warben mehr für einen Besuch im KWS, als es die Spieler taten.

Hallescher FC 1:1 1. FC Magdeburg
Samstag, 26. September 2009 - Anstoßzeit 13.30
Regionalliga Nord (4. Liga, Halbprofiliga)
Ergebnis: 1:1 nach 94 Min. (47/47) - Halbzeit 0:0
Tore: 1-0 58. Schubert, 1-1 75. Watzka
Verwarnungen: Stark (HFC), Watzka, Racanel, Fuchs, Vujanovic (FCM)
Platzverweise: Bauer (FCM; Nachtreten)
Besondere Vorkommnisse: 5 Minuten Spielunterbrechung wegen Böllerwurf (70.)
Spielort: Kurt-Wabbel-Stadion (Kap. 13.322, davon 4.072 Sitzplätze)
Zuschauer: 10.254 (davon 3.000 Gästefans)
Unterhaltungswert: 6,0/10 (Ganz O.K. - Atmosphäre besser als Spiel)

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Über 8.000 Karten waren im Kartenvorverkauf weggegangen, was eine Zuschauerzahl erahnen ließ, die es in der ganzen Regionalligasaison noch nicht gab. Nicht selten finden die Spiele dieser Liga nämlich vor weniger als 1.000 Zuschauern statt – ausgenommen sind dabei Magdeburg und Halle. Die Sicherheitsauflagen waren diesmal noch pingeliger: u. a. war das Mitnehmen von jeglichen Taschen verboten.
Im Vorfeld gab ich folgenden Tipp für den Spielverlauf ab: 1-0 Sieg in einem mäßigen Spiel mit zwei Tumult-bedingten Unterbrechungen für den HFC. 49. Minute: Neubert grätscht in einen verunglückten Torschuss rein, den er unhaltbar über den Torwart unter das Tordach bolzt.
Was im Vorfeld auch noch lustig war, war das Theater um das Theaterstück „Ultras“ – da konnte sich die Presse ihr Maul zerreißen über den angeblichen Antisemitismus und die polizeifeindlichen und Gewalt relativierenden Aussagen, die nun wirklich nicht unbewusst in diesem Stück vorkamen. Aber wenn „Juden-Jena“ Rufe mit dem Hinweis auf „Zigeunerschnitzel“ auf deutschen Speisekarten relativiert werden, sieht halt mancher Schwachkopf sofort Antisemitismus. Aber die „Negerküsse“ sind ganz sicher keine Herabwürdigung von Schwarzen. Dass viele Roma und auch andere der fahrenden Völker die Bezeichnung „Zigeuner“ als genauso schlimm aufnehmen, wie ein Schwarzafrikaner die Bezeichnung „Neger“, kommt den Wichtigtuern dabei auch nicht in den Sinn.

Diesmal hatten wir Karten für die Fankurve geholt. Dort positionierten wir uns am Marathontor. Bevor die Mannschaften kamen, zeigte die HFC-Fankurve eine wirklich gute Choreographie, die die Problematik der kaputten Flutlichtmasten thematisierte. Vor allem die aus Pappe, Klebeband und Kunststoffrohren gefertigten Flutlichtmasten waren originell. Der Wechsel der Folien von Rot auf Silber war zwar etwas langsam vonstatten gegangen, aber schließlich gab es nach ein paar Sekunden das gewünschte Bild. 7,0 Punkte. Wieder einmal ein positives Beispiel für die Aktivitäten der Ultras. Auch positiv war das später erfolgte Erinnern, an den vor einem Jahr von einem russland-deutschen Intensivtäter grundlos erschlagenen HFC-Hausmeister und –Fan.
Beim FCM hatte man sich im Block in blauen Klamotten – fast alle 3.000 hatten etwas Blaues an – hinter einem Banner mit der Aufschrift „Für unsere Stadt 3000 für unsere Farben“ aufgestellt. Die 3000 wurde übrigens im selben Stil geschrieben, wie auf Plakaten und Artikeln des so genannten Historienfilms „300“. Nicht ganz so eindrucksvoll, diese Aktion, aber auch gut: 6,5 Punkte.
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Das Spiel fing zackiger an als erwartet. Nach ein paar sehenswerten Situation schlief das Spiel aber ein. Man wurde erst wach, als ein Magdeburger (namens) Bauer vom Feld musste. Er hatte, unbemerkt von 90% der Fans, ein Foul von Stark mit Nachtreten gerächt. Bis zur Pause traf keine der beiden Mannschaften in einem mäßigen Spiel. Von einer Überzahl des HFC war nichts zu merken. Ob nun 11 gegen 10, 11 gegen 11 oder 13 gegen 13: da war kein Unterschied. Die einzigen Aufreger waren ganz vereinzelte Torschüsse und ein paar Schauspieleinlagen von FCM-Spielern, woraufhin HFC-Spieler stets den Ball aus falschem Fair-play Verständnis ins Aus schossen, während der Schiri vernünftigerweise weiterlaufen lassen lies.

Nach der Pause zeigten die Heimfans wieder eine schöne Choreo: im ersten Drittel der Fankurve wurden Zettel mit einem weißen H auf roten Grund hochgehalten, im Mitteldrittel waren es weiße Zettel mit roten Fs und im dritten Drittel rote Zettel mit weißen Cs. Die HFC Zettel wurden dann noch mit rot-weißem Rauch unterlegt, was wiederum mit unerträglichem Gesülze des Stadionsprechers, der bis zu diesem Zeitpunkt wirklich gut seinen Job gemacht hatte, unterlegt. Keine neue Idee der halleschen Szene, aber gut gelungene Choreo: 6,5! Leider zog der Gästeanhang nicht nach, bzw. durfte nicht nachziehen.

Spielerisch wurde der HFC besser und schaffte es somit, auf das gleiche mittelmäßige Niveau des FCM zu kommen. Ein Fehlpass vorm eigenen Strafraum und ein toller Schuss von Schubert brachten den Landeshauptort in Rückstand. Großer Jubel natürlich auch von uns. Jetzt wurde das komplette Stadion laut. Sonst waren nur die Hälfte der Heimkurve und große Teile von Block A für die Hallenser bzw. ein Großteil des Gästeblocks für die Magdeburger zu hören.
In der 70. Minute foulte der Magdeburger Racanel, regte sich darüber auf, bekam gelb und provozierte daraufhin, vom Schiedsrichter ungeahndet, die HFC-Kurve mit Gesten. Der Böller, der ihm galt, explodierte leider so nah beim Linienrichter, dass dieser um eine Spielunterbrechung bat. Während dieser fünf Minuten wimmerte der Stadionsprecher mehrfach über die Lautsprecher und die Zuschauer fachsimpelten, ob der Böller nun 10 Meter oder 10 Zentimeter vom Linienrichter entfernt hochging.
Wie auch immer, das Spiel war nach der 70. – entgegen der trainerlichen Aussagen nach Abpfiff – genauso wie von der 45. bis 70. Minute. Der FCM schaffte dann nach einem Abwehrfehler nach einer Ecke noch den verdienten Ausgleich. Die Gäste waren alles in allem sogar noch leicht besser, was man als HFC-Sympathisant, wie ich einer bin, anerkennen muss, und als HFC-Fan nicht anerkennen brauch.

Nachdem in der Nachspielzeit noch eine große Chance der Hallenser vergeben wurde, konnte man gelassen den Block verlassen, noch etwas zu Essen holen und sich dann der Tumulte vor dem Stadion erfreuen. Die Leute, die auf der Straße vorm Kurveneingang herumstanden und –liefen, waren allerdings fast nur Schaulustige. Das waren sogar so viele, dass ich gar keinen Platz zum Fotografieren bekam. Aber egal: nach ein paar Böllern, Leuchtraketen und römischen Lichtern gen Polizei und einer kurzen Offensive ihrerseits war auch schon alles vorbei. Es schien auch nichts weiter passiert zu sein.
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Ich komme dann mal abschließend noch zu den Stimmen der Anderen. Diesmal war es ja unglaublich, was man sich für eine Scheiße anhören musste. Einzig Thomas vom Fanclub Mücheln hatte das Spiel ähnlich wie ich gesehen.
Anders der mdr*:

„Leidenschaft von Beginn an“ sollte ja wohl ein Sarkasmus sein. Oder sich nur auf die Fans beziehen. Aber selbst die waren nicht so der Wahnsinn. Wie immer wurde nur von Teilen der Kurve richtig gut supportet und die anderen Fans zogen ab und an mal mit. Wären um mich herum mehr stimmungsgewaltige Zuschauer gewesen, hätte ich auch noch mehr angefeuert. Aber die 7.000 Hallenser waren nicht annährend so stimm- und stimmungsgewaltig wie z.B. die gleiche Zahl Śląsk Wrocław oder Taraji Tunis Fans. Die zieht aber auch die komplette Haupttribüne mit. In Halle hat man ja sogar die Magdeburger immer wieder im entgegen gesetzten Ende des Stadions gehört. Ansonsten traf Thomas’ „da fehlte das Herz“ wirklich zu, was die angeblich Leidenschaft der Spieler anging.

„In der Schlussviertelstunde passierte dann nicht mehr viel, beide Teams riskierten den Punkt nicht mehr [...]“ Das sagt doch schon Alles zur vermeintlichen Leidenschaftlichkeit der Spieler.

Steffen Baumgart (Magdeburg): "Wir sahen ein interessantes und gutklassiges Derby. Beide Mannschaften spielten mit viel Einsatz und wollten von Beginn an den Sieg.“ Als der noch beim FC Hansa war, hat der nicht so viel unnötig übertriebenen Sülz erzählt. Das Spiel war zwar nicht schlecht, aber erstrecht nicht gut.

Sven Köhler (Halle): "Beide Mannschaften agierten auf Augenhöhe und mit viel Respekt.“ Richtig! Aber die letzte Aussage hätte echt nicht sein müssen: „Unsere eigenen Fans haben es schließlich geschafft, uns durch die Spielunterbrechung aus dem Rhythmus zu bringen." Die Aufregung über den Böllerwurf ist zwar absolut nachvollziehbar, leider kommt Racanels Rolle dabei zu kurz, doch die Aussage mit dem Rhythmus soll doch nur von der Unfähigkeit der Mannschaft, einen Sieg in Überzahl herauszuspielen, ablenken.

Der mdr** weiterhin:
„Beide Teams begeisterten das Publikum mit tollem Fußball und schönen Toren.“ Was hat der für ein Spiel gesehen??? Vielleicht lege ich ja die Messlatte bei den Regionalligisten zu hoch. Ich erwarte ja auch kein Niveau der Bundesliga, Premier League oder Ligue 1 – weder der Ligue 1 von Frankreich, noch der von Tunesien. Aber das Spiel wird hier völlig unangebracht in den Himmel gehoben. So ein Spiel mit nur vereinzelten spielerischen Höhepunkten war wirklich keine Werbung für den Fußball. Die Fans in den Kurven und Block A waren die Einzigen, die Leidenschaft in dieses Derby brachten und somit auch die Einzigen, die Werbung für einen Besuch im KWS machten. Wer den eigentümlichen Charakter eines Fußballderbys – oder auch mancher Handball- oder noch seltener: Basketballderbys hierzulande oder in manchen anderen Ländern auch noch viel stärker in solchen Hallensportarten – nicht schätzen kann und in jedem kontrollierten Feuerwerkseinsatz (ich will damit in keinster Weise den Böllerwurf gen Schiedsrichterassistent rechtfertigen: der war nämlich unkontrolliert und unnötig) gleich „Randale“ oder eine „Gefährdung für Leib und Leben“ sieht, der muss sich halt bei Live-Sport auf Kegeln, Synchronschwimmen und Tischtennis verlegen.

Nachtrag: der unglaublich schlechte Artikel in der MZ vom Montag behauptet, dass bei der kleinen Straßenschlacht "mehrere" Polizisten verletzt worden sein. Also war meine unsichere Aussage, dass wohl nichts passiert sei, doch nicht richtig. Allerdings steht weder zur Schwere, noch der Art der Verletzungen etwas, weswegen man nicht zu viel auf diese Pressemeldung geben sollte. Ohnehin sollte man auf die Aussagen dieses Artikels nichts geben, denn es geht auf einer halben Seite eigentlich nur um den Böllerwurf. Unglaublich, was dem für eine Bedeutung zugemessen wird und wie von Seiten des HFC - sogar mit Unterstützung des FCM; dieses Anbandeln ist direkt wiederlich - von der Unfähigkeit der Spieler, einen Sieg über 10 Magdeburger zu erringen, abgelenkt wird. Dass der Schreiberling nicht gemerkt hat, dass der FCM schon vor der Unterbrechung besser war, ist wirklich ein Armutszeugnis. Oder er war nicht beim Spiel. Aber dann ist es natürlich auch nicht in Ordnung, so schlechte Artikel zu schreiben.

Stimmen: *
Link 1 ** Link 2
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Statistik:
Ground Nr. 357 (kein neuer Ground; diese Saison: 26 neue)
Sportveranstaltungen Nr. 892 (diese Saison: 34)
Tageskilometer: 30 (Fahrrad)
Saisonkilometer: 10.450 (9.550 Auto/ 810 Fahrrad/ 90 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug) Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 19
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 165

Fotos: http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157622460043526/

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