Sonntag, 13. September 2009 - Anstoßzeit 15.00
Lega Pro 2A, Girone B (Serie C2, Gruppe 2: 4. Profiliga Italien)
Ergebnis: 1:1 nach 98 Min. (46/52) - Halbzeit 0:0
Tore: 1-0 67. Cesca, 1-1 92. Guarinelli (Foul-Elfmeter)
Verwarnungen: Pennucci, Cesca, Poletti (San Marino), Beccia (Bassano)
Platzverweise: keine
Spielort: Stadio Olimpico (Kap. 7.000 Sitzplätze)
Zuschauer: 532 (5 Gästefans)
Spielqualität: 5,0/10 (Durchschnitt)
Sightseeing: 9,0/10 (Sehr schön!)
Photos and English version: [Verucchio] – [Republic of San Marino] – [San Marino Calcio] – [San Leo]
Nach einem guten Frühstück ging es nach Süden. Dank meines Fahrstils (Kategorie C – siehe Vortag) waren wir auch etwas früher als erwartet in Verucchio. Dort wurde es allerdings extrem eng. Da im malerischen Bergdorf zwischen Rimini und San Marino ein Festival stattfand, quetschten sich massenhaft Italiener und wenige San Marinesen und Rimini-Touristen durch die engen, steilen Gassen. Das Fest hatte jedoch den Vorteil, dass man die Festung für nur 3,00€ statt 4,50€ – für nord-italienische Verhältnisse übrigens eine erstaunlich freundliche und junge Frau an der Kasse – besuchen durfte. Einige Waffen und Rüstungen waren ausgestellt, architektonisch war nur der Glockenturm ansprechend und ansonsten lebte die Anlage nur von der spektakulären Felslage. Der Eintrittspreis war also eine Italien-typische Unverschämtheit, die man sich sonst höchstens noch in England raus nimmt, aber die 3€ waren noch halbwegs tragbar.
Spektakuläre und erschreckend volle Bergstraßen führten uns dann in die älteste Republik der Welt; seit ca. 301 n. Chr. unabhängig, da Christen, die auf dem eindrucksvollen Monte Titano der römischen Christenverfolgung entkommen wollten, sich vom Rest des heutigen Italiens abzugrenzen versuchten. Um 1599 wurde dann eine Republik (repubblico) ausgerufen. Einst recht abgeschottet, wurde San Marino mit schwindenden Gefahren immer offener. Auch wenn ich ein Gegner jeglicher Zoll-Formalitäten und -kontrollen bin – die Schmuggler und Menschenhändler fasst man nie in den schwachsinnigen Grenzabfertigungen, auch wenn rechte Schwachköpfe einen genau das klar machen wollen, sondern stets im Umkreis der Grenze durch gezielte und ungezielte Kontrollen – aber San Marino müsste eigentlich wirklich eine Visumspflicht einführen. Oder allen ausländischen Autos die Zufahrt verweigern, Parkplätze außerhalb anlegen und dann mit kostenlosen Kleinbussen usw. operieren. Allein was sich an versifften Campern den Berg hoch quälte! Zum Glück hat man ganz geschickt Parkhäuser und -plätze angelegt – u. a. hat man unterhalb der Altstadt ein riesiges Parkhaus in den Fels gezimmert, das auch uns Platz genug bot. Der Weg in die Altstadt war dann von Touristen verstopft. 99% Rimini-Urlauber. Das Umfeld war also eigentlich zum Kotzen, doch die Stadt San Marino Città entschädigte mit toller Landschaft und einer schönen mittelalterlicher Altstadt. Vor allem außerhalb der Hochsaison kann ich einen Besuch in diesem Land – ja, es ist ein Land; auch wenn es nur 31.000 Einwohner hat und z.B. meine Stadt Merseburg 36.000 – nur empfehlen. Zumindest, wenn man sich in Italien aufhält. Neben einer eindrucksvollen Stadtmauer und vereinzelter Kirchen und sehenswerter Bürgerhäuser gibt es vor allem die Festungsanlage. Diese erstreckt sich knapp einen Kilometer lang und kann drei Türme (zwei können auch bestiegen werden) aufweisen. Wir hatten Glück, dass „Tag des offenen Denkmals“ war, doch 4,50€ Eintritt sind nicht zu viel für diese fantastische Burganlage. Auch die Ausstellungsstücke im Museum lassen sich sehen. Der Blick von den Türmen und Zinnen so wie so. Der erste Turm ist auch schwierig zu besteigen: eine extrem steile Holztreppe geht nach sechs Metern in Metallkrampen über. Die Verbindungswege zwischen den Festungsgebäuden sind übrigens auch oftmals recht spektakulär: man darf sogar auf der schmalen Mauer entlang laufen, obwohl diese ohne Geländer zwei bis vier Meter hoch nach rechts abbricht. Die normalen Wege sind aber ebenfalls nicht schlecht, da nur schmale, gemauerte Pfade. Auf den Turmumgängen wird es dann echt eng und manche Mauer ist da nur in Kniehöhe. Eine der 10-von-10-Punkte-Burgen, die ich bisher besuchte, neben Spišske Hrad (Slowakei) und Hrad Frýdštejn (Tschechische Republik), knapp vorm Ribat Monastir (Tunesien); Burg Falkenstein (Sachsen-Anhalter Harz) und Burgschloss Vianden (Luxemburg).
Nach diesen tollen Eindrücken aus dieser sehr sehenswerten Stadt – Vaduz und auch der Rest von Liechtenstein, dass sogar noch etwas größer ist, ist echt nur Dreck dagegen; Luxemburg ist natürlich noch deutlich vielseitiger und reicher an Sehenswürdigkeiten, da von den Zwergstaaten noch am größten – ging es in eine nicht so sehenswerte Stadt im Norden des Landes, die allerdings das größte Fußballstadion des Landes zu bieten. Calcio ist aber echt so ein Ding in San Marino. Natürlich habe ich mir ein Trikot gekauft. Jerseys der Nationalmannschaft kosten gerade einmal 8 bis 12€ (zumindest die inoffiziellen, die man in einigen Ramschläden in der Altstadt kriegt, aber die sind völlig O.K.) und Schals bekommt man oft schon für 5€. Die offiziellen Artikel sind preislich auch noch im Rahmen. Ebenso Eintrittskarten für Spiele, wobei man selbst bei der Nationalmannschaft nicht mit Zuschauermassen rechnen kann: von den meist rund 3.000 Zuschauern sind oft mehr als die Hälfte Gästefans. Mit Toren kann man aber rechnen: seit 1990 wurden 87 offizielle Spiele ausgetragen; 1 Sieg, 3 Unentschieden, 83 Niederlagen. Davon war ein 0:13 gegen Deutschland die höchste, wobei der einzige Sieg nur in einem Testspiel (1:0 gegen Liechtenstein) gelang. Immerhin: San Marino hält den Rekord für das schnellste Tor in einer EM-Qualifikation: 8,3 Sekunden dauerte es bis zum ersten Treffer bei der 1993 gegen England ausgespielten Partie, die dann leider doch noch 1:7 verloren ging.
Unser Spiel im Stadio Olimpico war ein Spiel der vierten italienischen Profiliga – wer die nicht hält, landet in der höchsten Amateurliga (Serie D) – zwischen San Marino Calcio, dem einzigen Profiverein des Landes, und Bassano Virtus aus Bassano di Grappa, die auf den bescheuerten Namenszusatz 55 Soccer Team hören. Das muss doch echt nicht sein, außerhalb der USA und Kanada!
Neben San Marino Calcio gibt es noch 15 andere Vereine, die eine eigene Amateur-Liga bilden. Diese spielte jedoch nicht an dem Wochenende.
Für 8€ und unsere Passdaten bekamen wir an der Kasse unüberdachte Plätze. Der Offizielle, der die Kasse bewachte, war übrigens sehr hilfsbereit und gesprächig. Auch dem Kassenwart gefiel es, dass deutscher Besuch zugegen war. Ohnehin fielen einige San Marinesen durch Freundlichkeit auf, die man in Nord-Italien zumeist vergebens sucht. Wir wurden dann auch zur richtigen Tribüne geleitet – hatten natürlich wieder den falschen Eingang genommen – und saßen dann hinter den Ultras „Nucleo 2000“ die leider nur zu fünft waren. Da die anderen rund 500 Leute auch nur durch Zwischenrufe auffielen, waren die vier Typen und die eine Frau auch die Hauptunterhalter im Zuschauerbereich. Immer wieder wurden schmissige Melodien mit originellen Texten angestimmt. Respekt, dass man die Mannschaft so ausdauernd unterstützt hat! Das Zuschaueraufkommen und die Atmosphäre waren im Prinzip wie in der Verbandsliga Sachsen-Anhalt, doch die immer wieder aufkommende Stimmung natürlich typisch italienisch. Kleines Detail am Rande: San Marino Calcio hat eine Stadionsprecherin, was insofern ungewöhnlich ist, als dass in Deutschland unter 56 Profiklubs und noch mehr Halbprofiklubs nur der 1. FC Kaiserslautern eine Stadionsprecherin hat, wohingegen in vielen Mittelmeerländern und einigen Staaten des arabischen Golfs teilweise mehr Frauen als Männer diesen Posten übernehmen.
Das Spiel war erst ziemlich schwach. Die Gäste waren überlegen, versagten aber ein ums andere Mal vorm Tor. 0:0 also zur Pause. Nachdem San Marino ab der 46. das Heft in die Hand genommen hatte, musste man auch nicht mehr so lange auf einen Treffer warten. Die beste Aktion des Spiels: das Freispielen von Alessandro Cesca und sein Treffer. Dann folgten einige schöne Chancen auf beiden Seiten und teils spektakuläre Fouls von Bassano an den Hausherren, die die Ultras und einige andere auf die Palme brachten: „vaffanculo (leck mich am Arsch), bastardo (Drecksack, Bastard), stronzo (Arschloch)...“
Sauer waren die San Marinesen natürlich auch, als gegen ihre Mannschaft noch in der Nachspielzeit ein allerdings berechtigter Elfmeter verhängt wurde. Dieser wurde herrlich in den Winkel gezimmert. 1:1 war der alles in allem gesehen verdiente Endstand. Der Schiedsrichter war auch nicht so schlecht, wie einige es dann gesehen hatten: „Mafioso di merda“, wobei dieser Zwischenruf mir wieder ins Gedächtnis rief, wie falsch italienische Worte im Deutschen oft genutzt werden: besonders Plural und Singular werden häufig falsch gemacht; der Fotograf wird als „Papparazzi“ (statt Papparazzo) beschimpft und der Kriminelle oder Italiener im Allgemeinen als „Mafiosi“ (statt Mafioso).
Zum Abschluss des Tages bzw. nachdem wir an der Südgrenze San Marinos noch halbwegs preiswert und wirklich schmackhaft Pizza gegessen hatten – auch da waren die Leute auffällig freundlich und man bekam nicht einmal Gebühren für die Benutzung von Besteck, Gläsern und Tischdecken berechnet -, besuchten wir noch San Leo, das im Vergleich zu Verucchio deutlich spektakulärer gelegene Bergdorf. Extrem enge Gassen hat das Dorf mit zwei schönen Kirchen und fast ausschließlich alten Häuser sowie einer Festung auf einem tollen Bergsporn. Diese kostet völlig unverhältnismäßige 8€ – von Unverhältnismäßigkeit kann ich auch ohne Innenbesichtigung (war schon zu) reden. Die Festung ist allerdings auch schon von außen sehr eindrucksvoll.
Eindrucksvoll ist auch der schlechte Zustand der Straßen zwischen San Marino und San Leo. Die Straßen werden erst Richtung Rimini besser, aber leider auch voller. Extrem voll war dann die Autobahn Richtung Bologna. Zum Kotzen, wenn man die asozialen Mautpreise fürs Schritttempofahren entrichtet. Knapp 100 Kilometer mit nur 45 km/h Durchschnitt waren das. Und auch nur, weil man in Italien viel zu viel mit dem Auto unterwegs ist, da die anderen Verkehrsmittel zu schlecht und unzuverlässig sind. Leider hat aber auch wirklich jeder Italiener ein Auto, dass er oftmals nicht beherrscht. Bei hohem Verkehrsaufkommen darf man z.B. nie links fahren, da dort lauter Penner den Verkehr aufhalten. Immer schön mittig bleiben und wenn man Schlafmützen vor sich hat, rechts überholen und zwischen dem nächsten LKW und einer der Schlafmützen reindrängen. Den Zeitverlust im Stau kann man dann mit großzügiger Auslegung des Tempolimits wieder halbwegs reinholen.
Zurück in Padova blieben wir noch eine weitere Nacht im Ibis.
Statistik:
Ground Nr. 353 (ein neuer Ground; diese Saison: 22 neue)
Sportveranstaltung Nr. 884 (diese Saison: 26)
Tageskilometer: 550 (Auto)
Saisonkilometer: 9.270 (8.620/ 650/ 0/ 0)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 11
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 163
Fotos unter:
Verucchio http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157622264227103/
SAN MARINO! http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157622264279113/
San Marino Calcio http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157622388927628/
San Leo! http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157622264353735/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen