Mittwoch, 9. November 2011
Silberner Schlagstock 2011
Der neue Preis für den feinsten Randale-Journalismus geht dieses Jahr zum ersten Mal - OK, OK... ist ja auch das erste Mal, dass ich diesen Preis verleihe - an die Mitteldeutsche Zeitung.
Insbesondere der ehemalige Bild-Journalist und nun MZ-Sportresort-Verantwortliche, hat sich mit der Einstellung "über jeden Spielabbruch mindestens eine halbe Seite im Sportteil" enorm verdient gemacht um die Attraktivität des Sportteils. Super! Jetzt lesen auch die Sportidioten wieder den Lokalsportteil, die meinen, dass die Bundesliga das einzig Wahre sei und die ganzen Amateurligen keinen Satz wert. Genau dieses Publikum, dass von richtigem Sport keine Ahnung hat und nur auf das Showbusiness von Bundesliga und Co. abfährt, muss man ansprechen!
Kennen meine geschätzten Blog-Leser eigentlich noch die gute alte Devise erlebnisorientierter und besonders fanatischer Fußballfans "Sieg oder Spielabbruch"? Mittlerweile ist sie im Raum Saalekreis völlig überholt. Dank der MZ-Sportredaktion. Nun muss es von den Rängen schallen: "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!"
An dieser Devise "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!" haben sich in letzter Zeit echt viele Vereine gehalten. Ganze zwei Spiele (in Zahlen: 2!) sind wegen leichter Attacken auf den Schiedsrichter seit Saisonbeginn im Saalekreis abgebrochen worden. Wie asozial derartiges Verhalten ist - auch wenn die Schiedsrichter glücklicherweise nicht geschädigt wurden - steht nicht zur Debatte. Vielmehr ist zu debattieren, was es bedeutet, wenn 2 Spiele von den fast 2.000 im Saalekreis seit Saisonbeginn ausgetragenen, aus diesem Grund abgebrochen werden. Hinzu kommt noch 1 Abbruch wegen Tätlichkeit eines Spielers gegen einen anderen. Eine Wahnsinnszahl, oder? Ca. 0,0015% der Spiele im Saalekreis werden wegen Gewalttätigkeiten abgebrochen!
Wer wusste eigentlich, dass solche Rechnungen wie oben dargeboten unter die wichtigsten Regeln des "attraktiven Sportjournalismus" fallen? Eine dieser Regeln besagt nämlich, dass solche prozentualen Zahlen niemals genannt werden dürfen und stets totale Zahlen aufzuzeigen sind. Was macht das auch für einen Eindruck, wenn nur jedes 500. oder 1.000 Spiel wegen Krawall oder so was abgebrochen wird? Man muss als Leser denken, dass passiere mehrfach pro Woche. Zu untermauern ist so eine Annahme übrigens folgendermaßen:
1. Einen mittelschweren Vorfall (hier: grobe Unsportlichkeit gegenüber einem Schiedsrichter, für die eine mehrmonatige Sperre angemessen wäre) zu einem großen Skandal ausweiten. Beispiel: "Erwachsene Spieler attackieren einen 14-Jährigen".
2. Zu dem Artikel über diesen Vorfall einen Interviewpartner finden, der mit markigen Sprüchen und wenig Inhalt die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dazugehöriges Beispiel: "Schiedsrichter sind wie Freiwild".
3. Ein MZ-Mitarbeiter muss schließlich noch zu diesem Thema einen Kommentar abgeben, in dem alles noch mal wiedergekaut oder längst Bekanntes noch einmal anders gesagt werden muss. Möglichst wenig Inhalt halt - Hauptsache Platz füllen. Hier: "Schmutziger Fußball".
Diejenigen Blogger-Kollegen, die sich wie ich dem (Amateur-)Sport verschrieben haben, sollten übrigens noch einige Dinge beachten, wenn sie dem lobenswerten Beispiel der MZ folgen wollen.
Zu Punkt 1:
a) Ein Artikel beginnt mit der Überschrift. Diese muss möglichst spektakulär sein.
b) Immer darauf achten, nicht mehr als maximal den Spielstand und die Minute des Abbruchs zum Spiel erwähnen. Immer darauf konzentrieren, dass man die Sportveranstaltung auf die Auseinandersetzung reduzieren muss. Artikel wie dieser klingen zwar nach mir, nur sachlicher (für eine Zeitung würde ich eigentlich auch so schreiben wie Herr Liedmann), aber sind für die Devise "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!" nicht sonderlich geeignet.
c) Wichtige Formulierungen, die in dieser oder ähnlicher Form nicht fehlen dürfen:
I. "Eine ganze Reihe von Vorkommnissen, die den Fußball erschüttert haben"
II. "Aggressionen haben deutlich zugenommen". Achtung: niemals Referenzquellen nennen, die das untermauern (oder wie meistens eben: wiederlegen)!
III. "Traurige Bilanz: ..."
IV. "Der deutsche (betonen: deutsche! Nicht dass jemand auf die Idee kommt, in den meisten anderen Ländern seien Ausschreitungen häufiger!) Fußball ist so sehr zum Hort für Ausschreitungen und Gewalt geworden, dass kaum ein Wochenende ohne Negativschlagzeilen vergeht."
Zu Punkt 2:
a) Ein, zwei kritische Fragen wie "war es Ihrer Meinung nach richtig, einen 14-Jährigen ein Spiel im Herren-Bereich leiten zu lassen?" stellen, diese oberflächlich beantworten lassen und auf keinen Fall weiter fragen. Auch wenn die Antwort "Ja, denn wir benötigen gerade an Samstagen jeden einsatzfähigen Schiedsrichter." lautet. Nicht dass jemand meint, der Verband sei nur unfähig in Sachen Ansetzungen. Dass 80% der Männerspiele Samstags und 90% der Jugendspiele Sonntags ausgetragen werden ist unwichtig. Wenn man auf ca. 50% Samstag + 50% Sonntag bei beiden Spielformen kommen würde, hieße das ja, dass man einen 14 Jahre alten Jugendlichen-Schiri da einsetzen müsste wo er hingehört: nämlich in seine Altersklasse oder die, die knapp drüber (A- bzw. B-Jugend) liegen. Diese sind teilweise schon schwierig genug zu pfeifen. Dass man bei Verzicht auf Linienrichter in der Kreisliga (wäre absolut angemessen), ebendiese (üblicherweise erwachsenen und körperlich wie geistig ganz sicher ausreichend reifen) Linienrichter als Schiedsrichter in den Klassen darunter einsetzen kann, darf vom Fragesteller auch keinesfalls angedeutet werden.
Zu Punkt 3:
a) Im Kommentar wie gesagt noch mal alles wiederholen. Wenn es zu den kritischen wie auch besonders interessanten Punkten kommt, wie immer sich darauf verlassen, dass niemand über Aussagen wie "Schon jetzt hat Sachsen-Anhalt bundesweit das größte Schiedsrichter-Minus" kritisch nachdenkt: z.B. "Könnte es sein, dass Sachsen-Anhalt aufgrund demographischer Nachteile nicht auch das größte Minus an aktiven Spielern hat?"
Ich verbleibe mit Glückwünschen an die MZ zu dieser beachtlichen Attraktivitätssteigerung des Lokalsportteils, die allen die sich nie wirklich für den Amateurfußball interessiert haben, erfreuen wird und stelle in Aussicht, am Saisonende den "Goldenen Knüppel" zu verleihen, wenn es der MZ gelingen sollte, bis Dezember und ab März 2012 wieder bis in den Juni hinein wenigstens einen Spielabbruch pro Wochenende zu finden.
In diesem Sinne: "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!"
Insbesondere der ehemalige Bild-Journalist und nun MZ-Sportresort-Verantwortliche, hat sich mit der Einstellung "über jeden Spielabbruch mindestens eine halbe Seite im Sportteil" enorm verdient gemacht um die Attraktivität des Sportteils. Super! Jetzt lesen auch die Sportidioten wieder den Lokalsportteil, die meinen, dass die Bundesliga das einzig Wahre sei und die ganzen Amateurligen keinen Satz wert. Genau dieses Publikum, dass von richtigem Sport keine Ahnung hat und nur auf das Showbusiness von Bundesliga und Co. abfährt, muss man ansprechen!
Kennen meine geschätzten Blog-Leser eigentlich noch die gute alte Devise erlebnisorientierter und besonders fanatischer Fußballfans "Sieg oder Spielabbruch"? Mittlerweile ist sie im Raum Saalekreis völlig überholt. Dank der MZ-Sportredaktion. Nun muss es von den Rängen schallen: "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!"
An dieser Devise "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!" haben sich in letzter Zeit echt viele Vereine gehalten. Ganze zwei Spiele (in Zahlen: 2!) sind wegen leichter Attacken auf den Schiedsrichter seit Saisonbeginn im Saalekreis abgebrochen worden. Wie asozial derartiges Verhalten ist - auch wenn die Schiedsrichter glücklicherweise nicht geschädigt wurden - steht nicht zur Debatte. Vielmehr ist zu debattieren, was es bedeutet, wenn 2 Spiele von den fast 2.000 im Saalekreis seit Saisonbeginn ausgetragenen, aus diesem Grund abgebrochen werden. Hinzu kommt noch 1 Abbruch wegen Tätlichkeit eines Spielers gegen einen anderen. Eine Wahnsinnszahl, oder? Ca. 0,0015% der Spiele im Saalekreis werden wegen Gewalttätigkeiten abgebrochen!
Wer wusste eigentlich, dass solche Rechnungen wie oben dargeboten unter die wichtigsten Regeln des "attraktiven Sportjournalismus" fallen? Eine dieser Regeln besagt nämlich, dass solche prozentualen Zahlen niemals genannt werden dürfen und stets totale Zahlen aufzuzeigen sind. Was macht das auch für einen Eindruck, wenn nur jedes 500. oder 1.000 Spiel wegen Krawall oder so was abgebrochen wird? Man muss als Leser denken, dass passiere mehrfach pro Woche. Zu untermauern ist so eine Annahme übrigens folgendermaßen:
1. Einen mittelschweren Vorfall (hier: grobe Unsportlichkeit gegenüber einem Schiedsrichter, für die eine mehrmonatige Sperre angemessen wäre) zu einem großen Skandal ausweiten. Beispiel: "Erwachsene Spieler attackieren einen 14-Jährigen".
2. Zu dem Artikel über diesen Vorfall einen Interviewpartner finden, der mit markigen Sprüchen und wenig Inhalt die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dazugehöriges Beispiel: "Schiedsrichter sind wie Freiwild".
3. Ein MZ-Mitarbeiter muss schließlich noch zu diesem Thema einen Kommentar abgeben, in dem alles noch mal wiedergekaut oder längst Bekanntes noch einmal anders gesagt werden muss. Möglichst wenig Inhalt halt - Hauptsache Platz füllen. Hier: "Schmutziger Fußball".
Diejenigen Blogger-Kollegen, die sich wie ich dem (Amateur-)Sport verschrieben haben, sollten übrigens noch einige Dinge beachten, wenn sie dem lobenswerten Beispiel der MZ folgen wollen.
Zu Punkt 1:
a) Ein Artikel beginnt mit der Überschrift. Diese muss möglichst spektakulär sein.
b) Immer darauf achten, nicht mehr als maximal den Spielstand und die Minute des Abbruchs zum Spiel erwähnen. Immer darauf konzentrieren, dass man die Sportveranstaltung auf die Auseinandersetzung reduzieren muss. Artikel wie dieser klingen zwar nach mir, nur sachlicher (für eine Zeitung würde ich eigentlich auch so schreiben wie Herr Liedmann), aber sind für die Devise "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!" nicht sonderlich geeignet.
c) Wichtige Formulierungen, die in dieser oder ähnlicher Form nicht fehlen dürfen:
I. "Eine ganze Reihe von Vorkommnissen, die den Fußball erschüttert haben"
II. "Aggressionen haben deutlich zugenommen". Achtung: niemals Referenzquellen nennen, die das untermauern (oder wie meistens eben: wiederlegen)!
III. "Traurige Bilanz: ..."
IV. "Der deutsche (betonen: deutsche! Nicht dass jemand auf die Idee kommt, in den meisten anderen Ländern seien Ausschreitungen häufiger!) Fußball ist so sehr zum Hort für Ausschreitungen und Gewalt geworden, dass kaum ein Wochenende ohne Negativschlagzeilen vergeht."
Zu Punkt 2:
a) Ein, zwei kritische Fragen wie "war es Ihrer Meinung nach richtig, einen 14-Jährigen ein Spiel im Herren-Bereich leiten zu lassen?" stellen, diese oberflächlich beantworten lassen und auf keinen Fall weiter fragen. Auch wenn die Antwort "Ja, denn wir benötigen gerade an Samstagen jeden einsatzfähigen Schiedsrichter." lautet. Nicht dass jemand meint, der Verband sei nur unfähig in Sachen Ansetzungen. Dass 80% der Männerspiele Samstags und 90% der Jugendspiele Sonntags ausgetragen werden ist unwichtig. Wenn man auf ca. 50% Samstag + 50% Sonntag bei beiden Spielformen kommen würde, hieße das ja, dass man einen 14 Jahre alten Jugendlichen-Schiri da einsetzen müsste wo er hingehört: nämlich in seine Altersklasse oder die, die knapp drüber (A- bzw. B-Jugend) liegen. Diese sind teilweise schon schwierig genug zu pfeifen. Dass man bei Verzicht auf Linienrichter in der Kreisliga (wäre absolut angemessen), ebendiese (üblicherweise erwachsenen und körperlich wie geistig ganz sicher ausreichend reifen) Linienrichter als Schiedsrichter in den Klassen darunter einsetzen kann, darf vom Fragesteller auch keinesfalls angedeutet werden.
Zu Punkt 3:
a) Im Kommentar wie gesagt noch mal alles wiederholen. Wenn es zu den kritischen wie auch besonders interessanten Punkten kommt, wie immer sich darauf verlassen, dass niemand über Aussagen wie "Schon jetzt hat Sachsen-Anhalt bundesweit das größte Schiedsrichter-Minus" kritisch nachdenkt: z.B. "Könnte es sein, dass Sachsen-Anhalt aufgrund demographischer Nachteile nicht auch das größte Minus an aktiven Spielern hat?"
Ich verbleibe mit Glückwünschen an die MZ zu dieser beachtlichen Attraktivitätssteigerung des Lokalsportteils, die allen die sich nie wirklich für den Amateurfußball interessiert haben, erfreuen wird und stelle in Aussicht, am Saisonende den "Goldenen Knüppel" zu verleihen, wenn es der MZ gelingen sollte, bis Dezember und ab März 2012 wieder bis in den Juni hinein wenigstens einen Spielabbruch pro Wochenende zu finden.
In diesem Sinne: "Spielabbruch oder keiner schreibt über euch!"
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen