Samstag, 11. Dezember 2010

W228I: Das Sachsen-Anhaltische Handball-Derby in Liga 3

HG 85 Köthen 15:20 SV Anhalt Bernburg
Freitag 10. Dezember 2010 – Anwurf 19.30
Liga: 3. Bundesliga/ Ost (Halbprofi-Liga)
Ergebnis: 15:20 nach 60 Min. – Halbzeit: 8:12
Tore: Cieszynski 5, Musche 4, Luskovec 3, Grohmann 1, Kreller 1, Uelsmann 1 (HG 85); Kraft 7, Weber 5, Seifert 3, Schöttke 2, Hoffmann 1 (SVA)
Gelbe Karten: 2 Spieler + Trainer (HG 85); 3 Spieler + Trainer (SVA)
Zeitstrafen in Minuten: Lux 4, Stojan 4, Grohmann 2, Uelsmann 2, Brandt 2, Weber 2 (HG 85); Kraft 4, Seifert 2, Steinbrink 2, Poplawski 2, Rindert 2 (SVA)
Platzverweise: keine
Sportanlage: Heinz Fricke Sporthalle (Kap. 850, davon 500 Sitzplätze)
Zuschauer: 850 (ausverkauft; davon ca. 150 Gästefans)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Kein herausragend gutes, aber spannendes und durch Härte der Abwehrreihen und Fan-Atmosphäre interessantes Spiel)
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Photos and English version:
HANDBALL DERBY IN KÖTHEN: HG 85 – ANHALT BERNBURG

Der 15.55-Zug war „nur“ 25 Minuten zu spät in Halle, sodass wir den 16.43 nach Magdeburg über Köthen, der letzten Hopperticketstation von Merseburg aus auf dieser Strecke, gerade noch kriegten. Wir waren fast zwei Stunden vor dem Anwurf an der Halle, wobei es erwartungsgemäß die Ansage gab: „Karten eine Stunde vor Anpfiff – jetzt noch nicht“. Dann halt noch einmal durch das verschneite Köthen – übrigens die am Besten beräumte Stadt, die ich diesen Winter gesehen habe – zum Marktplatz in der Altstadt: die Marktkirche und das Rathaus sind zwei wirklich sehenswerte Bauten. Aber es ist natürlich dort ziemlich ausgestorben. Doch Köthen ist auch durch sein Schloss und die darin befindliche Vogelsammlung (
Link zu Bildern von einem früheren Besuch in Köthen) eine sehenswerte Stadt.

Als wir dann 18.30 an der Halle waren, bequemten sich die zwei Kassenwärter die sauteuren Karten herauszugeben. 8€ für Steh- und 10€ für Sitzplätze, wobei davon 2€ Top-Zuschlag sind: ein Zuschlag, der - wie schon einmal zum Spielbesuch in Bernburg erwähnt - der Kostendeckung bei Mehrkosten durch erhöhte Polizeikräftezahl usw. dient – und nicht zum Abzocken der Zuschauer. Natürlich gab es auch in Köthen keine Polizei, wobei die Zahl der Ordner mit etwa einem Dutzend recht hoch war. Die Preise für Essen wie die geschmacklich guten Knacker im Brötchen – 1,90€ – waren echt nicht mehr feierlich.

Weg von den asozialen Preisen im Handball – kommen wir zum schöneren Thema: der Ground. Die Sporthalle Heinz Fricke (ob damit der deutsche Dirigent gemeint ist bezweifle ich, obwohl dieser aus dem Osten Deutschlands stammt: aber solche Sporthallen heißen meist nach mehr oder weniger überzeugten und wichtigen Antifaschisten, die keine Sau kennt) ist ein klassischer DDR-Rundbogenhallenbau, der sicherlich in den 1960er Jahren erbaut wurde. Hier sind die acht an den Außenseiten ausladend lang gezogenen Stützbalken besonders auffällig. Über ein Foyer kommt man rechts zur Tribüne: sechs Reihen mit Holzbänken, wobei die erste Reihe, in der wir Platz zu nehmen hatten, etwas anders aufgemacht ist, als die dahinter folgenden. Zudem sitzt man nur etwa 30cm über dem Boden, was für einen mehr als 1,40m großen Menschen unbequem ist. Die Heinz-Fricke-Sporthalle ist ansonsten ein sehr zuschauerfreundlicher Hallenbau: rechts geht man auf der Tribüne noch eine Treppe zur Empore hoch, die hinter dem einen Tor einen breiten Raum einnimmt und auf der der Tribüne gegenüberliegenden Seite bis fast zur Ecke an der Anzeigetafel schmal weitergeht. Hätte ich vorher gewusst, wie die Halle aussieht (es gibt aber leider keine Innenansichten außer meine eigenen jetzt im Internet), hätte ich die Stehplätze vorgezogen. Bei so einem Derby muss man aber früh kommen, um noch einen Platz direkt an der Barriere auf der Längsseite zu bekommen: die Rentner haben nämlich dort die Angewohnheit, ihre Jacken als Zeichen „hier ist belegt, also verpiss dich!“ eine Stunde vorher über die Balustrade zu hängen, um dann bis kurz vorm Anwurf im Foyer zu essen, Bier zu trinken und zu quatschen. Wie die Urlauber auf Malle: Handtuch auf den Liegstuhl und dann noch mal aufs Hotelzimmer flätzen oder zwei Stunden am Frühstücksbüffet fressen...

Derby also: von den drei sachsen-anhaltischen Mannschaften in der Oststaffel der 3. Bundesliga liegen Bernburg (Salzlandkreis) und Köthen (Anhalt-Bitterfeld) am dichtesten zusammen. In Bernburg habe ich auch wenig Freundliches über die Köthener gehört, sodass ich mit einem harten Spiel des 10. gegen den 8. gerechnet habe. Verwunderlich, dass es keinen Platzverweis geben sollte, doch man hatte auch mit den sächsischen Schiris zwei sehr gute Leute an den Pfeifen. Die waren auch häufig gefordert, da das Spiel zwar relativ arm an Toren, aber trotzdem reich an Tempo und eben auch an Härte – besonders bei der Abwehrarbeit – war. Richtig grobe Fouls gab es aber nicht, auch wenn z.B. mal ein Bernburger mit Nasenbluten runter musste, weil er wohl er die angewinkelten Fäuste des Köthener Verteidigers mit einem Kopfstoß brechen wollte...
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Nach dem 1:0 der Köthener drehten die Gäste schnell auf und zogen auf 1:6 davon, wobei sie sich in Abschluss wie Abwehr bis zur 20. Minuten klar besser zeigten. Danach schafften es Köthen heranzukommen, was auch durch Bernburger Fehler gelang, doch die Aussetzer wurden von den Gästen schnell wieder ausgebügelt. Ab der 25. hatten die Hausherren auch wieder mit einigen Macken geglänzt: so rutschte einem HG-Spieler der Ball beim Siebenmeterwurf aus der Hand und fiel neben dem Spieler herunter. Erinnerte mich an einen Kumpel beim Schulsportfest: Weitwurf – und der Heini wirft die geniale Weite von „Minus Fuffzsch Zendimedor“. In der Schlusssekunde der ersten Halbzeit hämmerte ein Bernburger (Alexander Weber, glaube ich) noch ansatzlos einen Ball ins Eck.

Nach der Pause war Bernburg für eine Weile abgemeldet, doch Köthen sollte nur bis auf ein Tor herankommen und nie mehr eine Führung erzielen. Der fünf Tore-Abstand pendelte sich dann ab der 50. ein. Ab und an wurde es noch mal etwas hitzig: aber ein paar Pöbeleien und Schubsereien auf dem Feld sind noch das Mindeste, was bei so einem Spiel zu erwarten ist.

Was die Fans anbetrifft, so hatte ich mit einer für Handball guten bis überragenden Stimmung in einer vollen Halle gerechnet: und tatsächlich; die Halle war ausverkauft, manche standen sogar auf der Treppe zur Empore – und die Bernburger agierten auch wie erhofft; der Block war geschlossen hinter der Mannschaft und stand oft Minuten lang klatschend und kurze Sprechchöre rufend auf der Tribüne, die Mannschaft ausgiebig feiernd. Nach dem Abpfiff liefen sogar einige gleich zum Team auf die Platte und es wurde schön abgefeiert. Leider ließ die Stimmung beim Köthener Publikum ziemlich zu wünschen übrig. Auch wenn die Mannschaft nicht gut spielt – das war ja bis zur siebten Minute auch nicht so abzusehen – muss man die Derbystimmung nicht gänzlich auf die Stimmungs-Zutat Nr. 2 (Gegner auspfeifen, über Schiri meckern, rumpöbeln) beschränken. Nach der Pause waren einmal in der Aufholphase der HG 85 sehr einfallsreiche „Köthen, Köthen“-Sprechchöre zu hören – ansonsten gab es nur ein bisschen monotones Geklatsche und trotz Aufmunterungen des guten, aber manchmal etwas zu moderationsfreudigen Hallensprechers, keine weiteren Anfeuerungen der Mannschaft. Nur Meckern und Pöbeln. Verglichen mit dem trommel- und sprechchorfreudigen Bernburger Anhang wirklich erbärmlich. Allerdings kann man den Köthenern auch nicht vorwerfen, dass sie niveaulos gewesen wären: rassistische Pöbeleien wie bei Anhalt Dessau oder einigen norddeutschen Bundesligisten werden in Köthen sicherlich nicht so akzeptiert und selbst die etwas unterbelichtete Bernburger Handballexpertin neben mir, die wohl meinte sie sei zuhause oder im Gästesektor, wurde nur belächelt und in Ruhe gelassen: da hab ich bei Dorfvereinen in solchen Situationen (Spieler der Heimmannschaft wird klar gefoult, bleibt liegen und Gästefan meckert für umsitzende Heimfans hörbar „Schauspieler“ etc.) schon richtig derbe Antworten gehört...

Alles in Allem hat sich der Besuch trotz der Preise aber gelohnt und ich kann diese Partie – auch in umgekehrter Reihung – jedem Handballinteressierten empfehlen. Auf dem Rückweg gab es wieder nur relativ geringe Verspätungen, sodass wir den Anschluss in Halle noch gerade so erreichten.
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Statistik:
Ground Nr. 502 (ein neuer Ground; diese Saison: 52 neue)
Sportveranstaltung Nr. 1.187 (diese Saison: 74)
Tageskilometer: 100 (Bahn)
Saisonkilometer: 12.630 (8.170 Auto/ 2.090 Fahrrad/ 1.570 Bahn, Bus, Tram/ 800 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 83
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 228

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