Dienstag, 28. Dezember 2010

W230II: Von Merseburg durch den Schnee nach Mähren; eine Stadtbesichtigung von Olomouc

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Photos and English version:
MORAVIA'S MOST BEUTIFUL CITY: OLOMOUC

Um das Sonntagsspiel von HC Litvínov in Zlín nicht zu verpassen und den Mietwagen ordentlich zu nutzen fuhren wir schon kurz nach 6 am Samstag nach Mähren. Vor zweieinhalb Jahren hatten wir Olomouc schon einmal besichtigen wollen, doch aus Zeitgründen verschieben müssen. Dem Deutschen eher als Olmütz bekannt, gilt sie als eine der zehn sehenswertesten Städte Tschechiens, wovon übrigens acht im anderen Landesteil, Böhmen, liegen.

Wir brauchten nur aufgrund der enorm schlechten Witterungsbedingungen und der Überforderung des Winterdienstes ganze 8 Stunden für die sonst in knapp 6 Stunden schaffbare Distanz von 580km. Von Merseburg bis Dresden war die Schneedecke fast immer geschlossen. Beobachtungen auf der gesamten Strecke zeugen von der Unfähigkeit, mit einem etwas härteren Winter mit relativ viel Schnee – so widerlich dieses weiße Dreckszeug auch sein mag: damit muss man besser fertig werden, als das hierzulande derzeit der Fall ist – zurechtzukommen. Vor den Leunawerken kämpft sich ein Chemiearbeiter auf dem Rad von der Nachtschicht nach Hause zurück, denn öffentliche Verkehrsmittel wie die Straßenbahn von Leuna nach Halle fahren seit Tagen nicht mehr, da die Mischung aus zu wenig Personal und zu viel Elektronikmist den Schienenverkehr lahm legt. Hinter Leipzig hat irgendjemand seinen Kombi auf der Begrünung neben der rechten Spur der Autobahn geparkt, da er auf einer Autobahn mit minimalstem Verehr viel zu weit rechts gefahren ist. Schneepflüge sorgen in der Gegend von Dresden nicht etwa für Sicherheit, sondern für Behinderungen und zusätzliche Gefahren: lieber auf einer festen oder pulverigen Schneedecke fahren, als auf den spiegelglatten Flächen, die diese Karren, die nicht richtig gestreut sondern nur schlecht geschoben haben, hinterlassen. Da braucht niemand einem Autofahrer einen Vorwurf zu machen, wenn er statt auf der nur langsam wieder zuschneienden Eisfläche hinter den Räumfahrzeugen herzufahren, rechts überholt und die sicherere Schneedecke befährt. Echt gut ist, wenn kilometerlang zwei solcher Dreckskarren nebeneinander mit 30km/h zuckeln. Auf der Schneedecke konnte man wenigstens 60 bis 90km/h fahren und hatte keine Vereisungen zu meistern. Und wenn die schon nicht richtig räumen können, dann können die auch gleich zuhause bleiben, was denen am ersten Weihnachtsfeiertag auch sicher lieber gewesen wäre.

In Tschechien waren nur die ersten 25km bis nach Ústí nad Labem schwer zu fahren, doch dann hatte ich leichtes Spiel: kaum Schneefall, frei gefahrene Autobahnen mit maximal etwas Schneematsch und je tiefer man ins Land fuhr, umso besser und schneller kam man für seine teure Straßenmaut voran. Schon kurz vor Brno war die Fahrbahn nur noch geringfügig feucht. Da konnte man hinter den wie immer hektisch und unverschämt fahrenden einheimischen Neureichen in dicken 4x4 und Mercedes mit 150km/h her fahren.
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In Olomouc kamen wir kurz nach 14 Uhr an. Wir machten erst am barocken Klosterkomplex am Stadtrand ein paar Fotos – ein wirklich beeindruckender Bau und eines der größten Sakralgebäude Tschechiens! – und gingen dann durch die Altstadt. Die Häuserzeilen von Barock bis Jugendstil sind weitestgehend baulich geschlossen, nur selten ist eine Häuserruine, Baulücke oder ein Stilbruch (in der Nähe des Marktes z.B. ein sozialistisches Kaufhaus mit brauner Spiegelfassade) zusehen. Der Markt ist besonders sehenswert mit einigen schönen Bürgerhäusern, einer riesigen Pestsäule mit dutzenden Heiligendarstellungen und einem tollen Renaissance-Rathaus mit interessanten Details: verspielte Giebel, eine an einem Fahnenmast hängende Figur und vor allem die astronomischen Uhr, die etliche Meter hoch und reich verziert ist. Die Mosaike sehen aber nach allem anderen als Renaissance aus, da auch ein Chemiker und ein Handwerker darauf abgebildet sind...
Es gibt mehrere sehenswerte Kirchen, wobei manche dieser Kirchen eher durch Bizarrheit, denn durch Schönheit sehenswert sind. Die orthodoxe Kirche ist ja noch ganz nett – vor allem angestrahlt – aber die gegenüberliegende graue Kirche könnte auch ein Geräteschuppen der Feuerwehr mit Turm zum Aufhängen der zu trocknenden Löschschläuche sein. Noch bizarrer ist die Kirche des Heiligen Moritz, die zwar innen gotisch hohe, nett ausgestaltete Deckengewölbe hat, aber außen ein grauer Klotz mit gestutzten Türmen und einer seltsamen Betonfassade ist. Die Kirche Maria Schnee ist hingegen ein lupenreiner Barockbau, dessen Säulenportal besonders gelungen ist. Auch die düstere Jesuitenkirche mit dem angrenzenden Kolleg oberhalb der einfach gemauerten Stadtbefestigung, ist sehr sehenswert.
Das Kolleg ist ebenso wenig in religiöser Nutzung wie das weitläufige bischöfliche Palais mit den angrenzenden Gebäuden. All diese Gebäude werden von der Universität genutzt.
Der Dom soll Gotik sein, sieht aber trotz seiner drei entsprechend gestalteten Türme vor allem Innen nicht danach aus. Dieses Gotteshaus ist eindrucksvoll und recht ansprechend verziert, vor allem die Ranken auf den Säulen und das Sternendach über dem Altar fallen auf. Man darf sogar fotografieren, was man nur in 1, 2% der tschechischen Kirchen darf. Zur Weihnachtszeit passend gab es auch eine moderne Krippe auf mehreren Quadratmetern Fläche und ein dazupassendes Kinderchor- und Krippenspiel aufzunehmen. Dutzende Leute standen in fünf bis sechs Reihen vor dem Krippenspiel. Dass ich solche Szenen mal in diesem Atheistenstaat erleben würde, hat mich gewundert. In Polen muss das ja sein, aber in Tschechien war das überraschend.
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Weihnachten scheint dann aber doch in der Tschechischen Republik mit ihren kaum 8% eingetragenen Kirchlichen eine hohe Bedeutung zu genießen. Dass die Ausgestorbenheit der Gastronomie etwas mit der Religion zu tun hätte, muss aber ein Trugschluss sein: auch die restlichen 92% wollen ja mal frei haben. Dass sie sich aber alle gleichzeitig das Weihnachtswochenende 24.-26.12. aussuchen müssen, ist lächerlich, da für die allermeisten Tschechen dieses Datum überhaupt keine Bedeutung besitzt. Man kann doch auch ein Wochenende früher mit der Familie zusammensitzen. Aber nein: zu Weihnachten müssen ja immer 95% aller eintrittspflichtigen Sehenswürdigkeiten und Restaurants geschlossen haben. Die 5% offene Gaststätten sind welche der Preiskategorie, die wir auch in Deutschland nicht aufsuchen. Man will ja gescheites Essen für 5€ und keine undefinierbaren Kunstwerke für 25€ auf dem Teller. Ein Wunder, dass wir überhaupt etwas zu essen fanden – kein Wunder, dass das an einer der gut sortierten Tankstellen war. Diese befand sich auch noch gegenüber der historischen Markthalle, in der sich ein Supermarkt befindet, und neben der das Hotel Senimo liegt. Die haben äußerst moderne, saubere und geräumige Doppelzimmer – andere Hotels würden bei der Zimmergröße vier Betten unterbringen – für 50€ die Nacht zu bieten. Im Preis ist einiges Inklusive, doch z.B. das inkludierte Frühstück kann man am Weihnachtswochenende nicht verlangen. Einen Preisnachlass auf die Übernachtung aus diesem Grund (nicht erbrachte Vertrags-/ Serviceleistung) schon. Wenn man Pech hat, muss man dann mit einem der fremdsprachenunkundigen Mitarbeiter ausdiskutieren – da wir bis zum nächsten Morgen warteten, bekamen wir sogar noch ein mäßiges Lunchpaket von der perfekt Englisch sprechenden Rezeptionistin zusammengestellt, die uns für die Mängel auch gleich mit 15% Rabatt auf die Rechnung entschädigte.

So lohnend und sehenswert Olomouc (und viele weitere Orte in der Tschechischen Republik) auch ist – aber da brauch man zu Weihnachten echt nicht hinzufahren. Kurz nach Neujahr 2010/11 besuchen wir das Land zwar wieder und tun das Neujahr 2011/12 sicherlich ebenfalls, da dort Sehenswürdigkeiten, Hotels und Restaurants offen sind – aber Weihnachten 2011 werden wir dann hoffentlich in einem Land feiern und verreisen können, wo auch zu Weihnachten Touristenlokale und normale Restaurants offen haben.
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Statistik:
Tageskilometer: 610 (Auto)
Saisonkilometer: 14.260 (9.060 Auto/ 2.290 Bahn, Bus, Tram/ 2.110 Fahrrad/ 800 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug)

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