Freitag, 27. Dezember 2013

W386II: Groundhopping im Rif

--- Chabab Rif Al-Hoceima (نادي شباب الريف الحسيمي) ---
....................................... 0:1 (0:1) ...................................
Kawkab Athlétique Club Marrakech (الكوكب المراكشي)
- Datum: Samstag, 21. Dezember 2013 – Anstoß: 14.00
- Wettbewerb: GNF Botola 1 [لبطولة الوطنية الاحترافية] (d.h. 1. Marokkanische Liga; Profifußballiga)
- Ergebnis: 0-1 nach 97 Min. (48/49) – Halbzeit: 0-1
- Tor: 0-1 33. Sofiane al-Bahja
- Verwarnungen: NN (CRA); NN (KACM)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Mimoun Al Arsi „Estadio Chipula“ [ملعب ميمون العرصي بالحسيمة] (Kap. 7.000, davon 6.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 3.500 (darunter ca. 150 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 5,0/10 (Hoceima spielte richtig schlecht, aber durch Kawkab und die Atmosphäre war der Spielbesuch OK) Photos with English and Arabic Commentary:
a) Moroccan Professional Football League: Chabab Rif 0:1 Kawkab Marrakesh
b) Rif Mountain Range: Al Hoceima Coast and Landscape near Taounate
c) Meknés Old Town and Volubilis Roman Ruins & Zerhoun Mountains and Kasbah Nasrani

Diese Woche gab es ein paar Erziehungsmaßnahmen von Khadija bezüglich der Internetsucht ihrer Kinder, also hauptsächlich jener der beiden älteren Jungs: das Modem liegt jetzt bei Jim, sodass sie nur noch bei Freunden on gehen können, die sie auch schnell rausschmeißen würden wenn sie stundenlang den Computer blockieren und ich nutze das Internet der Nachbarn mit, da ich keinen teuren Surfstick für die neun Wochen die ich noch hier bin kaufe. Dadurch kommen die Berichte und Bilder jetzt meist später als zuvor. Da ich der große Bruder bin, wagt es auch keiner ungefragt an den Laptop zu gehen und wenn Khadija laut wird, hören selbst die älteren Jungs auf sie…

Im Institut wird seit dieser Woche hingegen noch mehr auf Multimedia gesetzt, aber die Lehrkräfte und Studenten gehen auch vernünftig damit um, was man von Mohammed und Hamza nicht behaupten konnte… Jedenfalls wurde diese Woche im Unterricht fast nur Fernsehen geguckt und dann über die Sendungen diskutiert. Und man kann selbst aus Trickfilmen noch einiges herausholen, v.a. solchen wie diesem ägyptischen Comic zu Koran-Geschichten, der die an sich im Koran nur knapp gehaltene Geschichte mit König Salomon und der Königin von Saba mit diversen Gags wie dem doofen Ehepaar Hausfrau + Polizist (der lässt sich von Spionen verarschen und seine Frau setzt ihm seine eigenen Brieftauben zum Essen vor) anreichert, aber ohne Grenzen zu überschreiten: Salomon wird als Prophet nicht ein einziges Mal auch nur angedeutet gezeigt und sein Text von einem externen Sprecher zitiert.

Noch gerade rechtzeitig bekam ich die Mail von zwei Groundhoppingkollegen aus Wuppertal, Timo und Jonny die für ein verlängertes Wochenende nach Fès reisten. So konnte ich sie Donnerstag am Flughafen abholen: für die Benzinkosten des Abholservices bekam ich ein ordentliches Essen ausgegeben. Freitag fuhren wir zusammen nach Meknés und besichtigten die Altstadt, dann weiter zu den römischen Ruinen nach Volubilis und nach Kasbah Nasrani im Zerhoun-Massiv. Letzteres war nur für den angehenden Sportlehrer unter den beiden lässig zu meistern… Durch meinen Umweg um ohne Polizeikontrolle in die Stadt zu kommen habe ich noch einen brauchbaren Atacadao gefunden – der in Bensouda hat 7-22 Uhr offen – und wir sind dann noch zu den Merinidengräbern, der besten Stelle für Fotos von der abendlichen Altstadt, hoch. Am Samstag stand dann die nächste Tour an. Wir trafen uns schon um 6 Uhr vor dem Ibis und brachen gen Norden auf. Drei deutsche Groundhopper nach Al Hoceima – bei dem schlechten Ruf des Rifgebirges und den Erfahrungen in Tetouan und Umgebung dachte ich eigentlich, das kann nicht gut gehen, aber die Fahrt sollte erstaunlich stressfrei verlaufen: kein Gangster „willst du Gras mein Freund“ und kein Polizist „Sie haben das und das gemacht, gib mir einfach 100 Dirham und wir vergessen das Ganze“… Nur der ab Taounate einsetzende Dauerregen und immer wieder auftretende Nebel nervte mit der Zeit, da nur wenige Landschaftsfotos nördlich von Taounate möglich waren. Und in diesem Bereich Marokkos, nördlich von Fès und zwischen Tetouan und Oujda, gibt es fast nur Landschaft zu sehen.

Einzige architektonische Sehenswürdigkeit war die spanische Burgruine in Torres de Alcalá. Der Ortsname wird auch im Arabischen so verwendet und ist eh ein Sprachmischmasch aus dem spanischen Torres und dem Arabischen Alcalá (al-qal’a) was dann zusammen „Türme der Burg“ heißt. Und diese Türme sind insgesamt drei verfallene die auf einem Bergkegel direkt an einer kiesigen, ruhigen Bucht am Mittelmeer thronen. Eine Bucht weiter aber kaum erreichbar befindet sich die spanisch besetzte und militärisch gesicherte (aber von Marokko aus auf Distanz zu besichtigende) Halbinsel Badis. Durch den Nebel konnten wir auch die zweite spanische Militäreinrichtung, den Peñon de Alhucemas – eine Felsinsel vor der Küste Al Hoceimas – nicht sehen. Wenn wir schon beim spanischen Schwachsinn sind, kann ich auch gleich noch erklären, warum Al Hoceima der einzige Ort im ehemaligen Spanisch-Marokko ist, in dem mehr Französisch als Spanisch als Zweisprache genutzt wird: die Spanier haben den Ort nämlich im 3. Rifkrieg 1926 mit Senfgas verseucht, nachdem die Rifeños über 10.000 Besatzer liquidiert hatten.

Noch heute ist Al Hoceima mit einer weit überdurchschnittlichen Lungenkrebsrate geschlagen und 2004 wurden sie auch noch von einem Erdbeben heimgesucht und musste größtenteils neu aufgebaut werden was dem Stadtbild nicht geholfen hat. Also warum die Regierung gerade in diesem 250.000-Einwohner-Ort mit diesen Problemen und am Arsch des Landes, den Tourismus vorantreiben will, weiß ich nicht so genau. Auch was der König da mit seiner x-ten Sommerresidenz – für seine Verhältnisse keiner seiner prunkvollen Paläste mit üppiger Grünanlage sondern mehr eine Datsche in einem Schrebergarten – will… Hier gibt es außer einer aufgehübschten Corniche mit Strand und spektakulärer Klippenlandschaft nichts Touristisches. Und jegliche Infrastruktur fehlt oder ist mehr als dürftig: das Preis-Leistungs-Verhältnis der Hotels darf in Zweifel gezogen werden und das einzige Restaurant was wir vor dem Spiel auftreiben konnte war das ganz gute aber zu teure (Tajine 80 Dh., Pizza ab 65 Dh., Fischgerichte teilweise deutlich über 100 Dh.) im Drei-Sterne-Hotel gegenüber des Stadions. Das besagte Stadion heißt nach Mimoune Al Arsi über den ich auf die Schnelle keine Infos finden konnte (wahrscheinlich ein ehemaliger Spieler). Außen wie innen dominieren die Vereinsfarben Blau und Weiß. Heute gab es freien Eintritt, sodass wir einfach so in das weite Rund, äh… enge Rechteck eintreten konnten. Dass nur zwei Seiten ausgebaut sind ist ebenso ungewöhnlich für ein Stadion der oberen marokkanischen Ligen wie die Innenstadtlage. Aber an letzterem erkennt man das hohe Alter des Stadions: die meisten Städten sind nämlich erst in den letzten 30 Jahren so gewuchert. Besonders alt ist die steinerne Gartenhütte hinter dem einen Tor, in der mal die Umkleiden untergebracht waren. Natürlich ist auch die blau-weiß gestrichen. Die blauen Sitzschalen sind auf einer Seite überdacht, auf der anderen Längsseite nicht. Oberhalb des unüberdachten Bereiches gibt es aber noch eine überdachte Loge mit orangen Sitzen.

Der Besuch war für Al Hoceima eher deutlich unterm Durchschnitt, wobei 150 Gästefans ganz gut waren. Die Anhänger von Kawkab Marrakesch waren auch öfter mal mit ihrem melodischen Gesang zu hören und setzten sich zum Ende hin mit buntem Rauch in Szene. Der Heimanhang ging etwas wenig mit für marokkanische Verhältnisse. Vor allem in unserer Ecke wurde wie in Deutschland rumgemeckert – von wegen „die können noch 100 Minuten spielen und schießen kein Tor“ – wobei auch der Altersschnitt in diesem Bereich recht hoch war.

Das Spiel war weder langweilig noch gut. Die erste Hälfte war noch ziemlich ansehnlich. Aber was Hoceima da zeigte war durchweg ziemlich scheiße: kaum ein Angriff aufs Tor, v.a. in der zweiten Hälfte nicht, und hinten in der Abwehr das letzte Chaos. So fiel aber wenigstens ein Tor, als die Abwehr nicht entschlossen genug dazwischen ging und ein Schuss ins lange Eck gesetzt wurde. Kawkab machte in der zweiten Hälfte dann nicht viel mehr als nötig um den Vorsprung zu verteidigen, was dem Spiel erstrecht nicht gut tat.

Die Rückfahrt verlief zügiger als gedacht, obwohl die engen und kurvenreichen Bergstraßen nicht leicht zu fahren sind. Die erste Hälfte des Finalspiels der Klub-WM hörten wir dann auf Capradio. Die Zusammenfassung von Raja gegen Bayern guckte ich nach dem Abendessen bei Khadija. Trotz der 0:2 Niederlage waren die marokkanischen Fans gut drauf – es freuten sich halt alle, dass Raja mit dem Erreichen des Finales solche Werbung für das Land machen konnte. Wie sich die beiden Ausrichterstädte den ausländischen Fans präsentierten kann ich nicht beurteilen, aber der Zusammenhalt der marokkanischen Fans (selbst Wydad und FAR-Anhänger unterstützten Raja für die Zeit der Club-WM) hat die Fans, die Ahnung haben und auf so was achten, definitiv beeindruckt. Dass wir in Deutschland diesen Zusammenhalt in diesem Maße nicht haben, musste ich meiner Gastfamilie dann noch zur allgemeinen Erheiterung beweisen:
Fayza hatte ihre Schwester Khadija angerufen und wollte dann auch mich sprechen um mir schon mal frohe Weihnachten zu wünschen und zum Sieg „meiner Bayern“ zu gratulieren. Ich meinte zum letzten Punkt nur „ich halte nicht auf Bayern“ – Sie: „Ja, nicht in der Bundesliga. Aber international doch schon, oder?“ – Ich: „Nein, ich erkenne ihre Leistung an, aber gewinnen sehen will ich sie eigentlich nicht.“ – Sie: „Auch nicht in der Champions League oder der Klub-WM? Aber das ist doch eine deutsche Mannschaft!“ – Ich: „Naja, Bayern und Deutschland… Bayern ist nicht so richtig Deutschland, das ist wie die Kabylei in Algerien wo die Leute nicht mal richtig Arabisch können…“ – Sie [lachend]: „Also wirklich! Du diskriminierst die armen Leute aus Bayern…“ Statistik:
- Grounds: 1.048 (1 neuer; diese Saison: 77 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.957 (heute 1, diese Saison: 101)
- Tageskilometer: 550 (550km Auto)
- Saisonkilometer: 27.970 (26.930 Auto/ 990 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 15 [letzte Serie: 2, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 386

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