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Freitag, 27. Dezember 2013

W386II: Groundhopping im Rif

--- Chabab Rif Al-Hoceima (نادي شباب الريف الحسيمي) ---
....................................... 0:1 (0:1) ...................................
Kawkab Athlétique Club Marrakech (الكوكب المراكشي)
- Datum: Samstag, 21. Dezember 2013 – Anstoß: 14.00
- Wettbewerb: GNF Botola 1 [لبطولة الوطنية الاحترافية] (d.h. 1. Marokkanische Liga; Profifußballiga)
- Ergebnis: 0-1 nach 97 Min. (48/49) – Halbzeit: 0-1
- Tor: 0-1 33. Sofiane al-Bahja
- Verwarnungen: NN (CRA); NN (KACM)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Mimoun Al Arsi „Estadio Chipula“ [ملعب ميمون العرصي بالحسيمة] (Kap. 7.000, davon 6.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 3.500 (darunter ca. 150 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 5,0/10 (Hoceima spielte richtig schlecht, aber durch Kawkab und die Atmosphäre war der Spielbesuch OK) Photos with English and Arabic Commentary:
a) Moroccan Professional Football League: Chabab Rif 0:1 Kawkab Marrakesh
b) Rif Mountain Range: Al Hoceima Coast and Landscape near Taounate
c) Meknés Old Town and Volubilis Roman Ruins & Zerhoun Mountains and Kasbah Nasrani

Diese Woche gab es ein paar Erziehungsmaßnahmen von Khadija bezüglich der Internetsucht ihrer Kinder, also hauptsächlich jener der beiden älteren Jungs: das Modem liegt jetzt bei Jim, sodass sie nur noch bei Freunden on gehen können, die sie auch schnell rausschmeißen würden wenn sie stundenlang den Computer blockieren und ich nutze das Internet der Nachbarn mit, da ich keinen teuren Surfstick für die neun Wochen die ich noch hier bin kaufe. Dadurch kommen die Berichte und Bilder jetzt meist später als zuvor. Da ich der große Bruder bin, wagt es auch keiner ungefragt an den Laptop zu gehen und wenn Khadija laut wird, hören selbst die älteren Jungs auf sie…

Im Institut wird seit dieser Woche hingegen noch mehr auf Multimedia gesetzt, aber die Lehrkräfte und Studenten gehen auch vernünftig damit um, was man von Mohammed und Hamza nicht behaupten konnte… Jedenfalls wurde diese Woche im Unterricht fast nur Fernsehen geguckt und dann über die Sendungen diskutiert. Und man kann selbst aus Trickfilmen noch einiges herausholen, v.a. solchen wie diesem ägyptischen Comic zu Koran-Geschichten, der die an sich im Koran nur knapp gehaltene Geschichte mit König Salomon und der Königin von Saba mit diversen Gags wie dem doofen Ehepaar Hausfrau + Polizist (der lässt sich von Spionen verarschen und seine Frau setzt ihm seine eigenen Brieftauben zum Essen vor) anreichert, aber ohne Grenzen zu überschreiten: Salomon wird als Prophet nicht ein einziges Mal auch nur angedeutet gezeigt und sein Text von einem externen Sprecher zitiert.

Noch gerade rechtzeitig bekam ich die Mail von zwei Groundhoppingkollegen aus Wuppertal, Timo und Jonny die für ein verlängertes Wochenende nach Fès reisten. So konnte ich sie Donnerstag am Flughafen abholen: für die Benzinkosten des Abholservices bekam ich ein ordentliches Essen ausgegeben. Freitag fuhren wir zusammen nach Meknés und besichtigten die Altstadt, dann weiter zu den römischen Ruinen nach Volubilis und nach Kasbah Nasrani im Zerhoun-Massiv. Letzteres war nur für den angehenden Sportlehrer unter den beiden lässig zu meistern… Durch meinen Umweg um ohne Polizeikontrolle in die Stadt zu kommen habe ich noch einen brauchbaren Atacadao gefunden – der in Bensouda hat 7-22 Uhr offen – und wir sind dann noch zu den Merinidengräbern, der besten Stelle für Fotos von der abendlichen Altstadt, hoch. Am Samstag stand dann die nächste Tour an. Wir trafen uns schon um 6 Uhr vor dem Ibis und brachen gen Norden auf. Drei deutsche Groundhopper nach Al Hoceima – bei dem schlechten Ruf des Rifgebirges und den Erfahrungen in Tetouan und Umgebung dachte ich eigentlich, das kann nicht gut gehen, aber die Fahrt sollte erstaunlich stressfrei verlaufen: kein Gangster „willst du Gras mein Freund“ und kein Polizist „Sie haben das und das gemacht, gib mir einfach 100 Dirham und wir vergessen das Ganze“… Nur der ab Taounate einsetzende Dauerregen und immer wieder auftretende Nebel nervte mit der Zeit, da nur wenige Landschaftsfotos nördlich von Taounate möglich waren. Und in diesem Bereich Marokkos, nördlich von Fès und zwischen Tetouan und Oujda, gibt es fast nur Landschaft zu sehen.

Einzige architektonische Sehenswürdigkeit war die spanische Burgruine in Torres de Alcalá. Der Ortsname wird auch im Arabischen so verwendet und ist eh ein Sprachmischmasch aus dem spanischen Torres und dem Arabischen Alcalá (al-qal’a) was dann zusammen „Türme der Burg“ heißt. Und diese Türme sind insgesamt drei verfallene die auf einem Bergkegel direkt an einer kiesigen, ruhigen Bucht am Mittelmeer thronen. Eine Bucht weiter aber kaum erreichbar befindet sich die spanisch besetzte und militärisch gesicherte (aber von Marokko aus auf Distanz zu besichtigende) Halbinsel Badis. Durch den Nebel konnten wir auch die zweite spanische Militäreinrichtung, den Peñon de Alhucemas – eine Felsinsel vor der Küste Al Hoceimas – nicht sehen. Wenn wir schon beim spanischen Schwachsinn sind, kann ich auch gleich noch erklären, warum Al Hoceima der einzige Ort im ehemaligen Spanisch-Marokko ist, in dem mehr Französisch als Spanisch als Zweisprache genutzt wird: die Spanier haben den Ort nämlich im 3. Rifkrieg 1926 mit Senfgas verseucht, nachdem die Rifeños über 10.000 Besatzer liquidiert hatten.

Noch heute ist Al Hoceima mit einer weit überdurchschnittlichen Lungenkrebsrate geschlagen und 2004 wurden sie auch noch von einem Erdbeben heimgesucht und musste größtenteils neu aufgebaut werden was dem Stadtbild nicht geholfen hat. Also warum die Regierung gerade in diesem 250.000-Einwohner-Ort mit diesen Problemen und am Arsch des Landes, den Tourismus vorantreiben will, weiß ich nicht so genau. Auch was der König da mit seiner x-ten Sommerresidenz – für seine Verhältnisse keiner seiner prunkvollen Paläste mit üppiger Grünanlage sondern mehr eine Datsche in einem Schrebergarten – will… Hier gibt es außer einer aufgehübschten Corniche mit Strand und spektakulärer Klippenlandschaft nichts Touristisches. Und jegliche Infrastruktur fehlt oder ist mehr als dürftig: das Preis-Leistungs-Verhältnis der Hotels darf in Zweifel gezogen werden und das einzige Restaurant was wir vor dem Spiel auftreiben konnte war das ganz gute aber zu teure (Tajine 80 Dh., Pizza ab 65 Dh., Fischgerichte teilweise deutlich über 100 Dh.) im Drei-Sterne-Hotel gegenüber des Stadions. Das besagte Stadion heißt nach Mimoune Al Arsi über den ich auf die Schnelle keine Infos finden konnte (wahrscheinlich ein ehemaliger Spieler). Außen wie innen dominieren die Vereinsfarben Blau und Weiß. Heute gab es freien Eintritt, sodass wir einfach so in das weite Rund, äh… enge Rechteck eintreten konnten. Dass nur zwei Seiten ausgebaut sind ist ebenso ungewöhnlich für ein Stadion der oberen marokkanischen Ligen wie die Innenstadtlage. Aber an letzterem erkennt man das hohe Alter des Stadions: die meisten Städten sind nämlich erst in den letzten 30 Jahren so gewuchert. Besonders alt ist die steinerne Gartenhütte hinter dem einen Tor, in der mal die Umkleiden untergebracht waren. Natürlich ist auch die blau-weiß gestrichen. Die blauen Sitzschalen sind auf einer Seite überdacht, auf der anderen Längsseite nicht. Oberhalb des unüberdachten Bereiches gibt es aber noch eine überdachte Loge mit orangen Sitzen.

Der Besuch war für Al Hoceima eher deutlich unterm Durchschnitt, wobei 150 Gästefans ganz gut waren. Die Anhänger von Kawkab Marrakesch waren auch öfter mal mit ihrem melodischen Gesang zu hören und setzten sich zum Ende hin mit buntem Rauch in Szene. Der Heimanhang ging etwas wenig mit für marokkanische Verhältnisse. Vor allem in unserer Ecke wurde wie in Deutschland rumgemeckert – von wegen „die können noch 100 Minuten spielen und schießen kein Tor“ – wobei auch der Altersschnitt in diesem Bereich recht hoch war.

Das Spiel war weder langweilig noch gut. Die erste Hälfte war noch ziemlich ansehnlich. Aber was Hoceima da zeigte war durchweg ziemlich scheiße: kaum ein Angriff aufs Tor, v.a. in der zweiten Hälfte nicht, und hinten in der Abwehr das letzte Chaos. So fiel aber wenigstens ein Tor, als die Abwehr nicht entschlossen genug dazwischen ging und ein Schuss ins lange Eck gesetzt wurde. Kawkab machte in der zweiten Hälfte dann nicht viel mehr als nötig um den Vorsprung zu verteidigen, was dem Spiel erstrecht nicht gut tat.

Die Rückfahrt verlief zügiger als gedacht, obwohl die engen und kurvenreichen Bergstraßen nicht leicht zu fahren sind. Die erste Hälfte des Finalspiels der Klub-WM hörten wir dann auf Capradio. Die Zusammenfassung von Raja gegen Bayern guckte ich nach dem Abendessen bei Khadija. Trotz der 0:2 Niederlage waren die marokkanischen Fans gut drauf – es freuten sich halt alle, dass Raja mit dem Erreichen des Finales solche Werbung für das Land machen konnte. Wie sich die beiden Ausrichterstädte den ausländischen Fans präsentierten kann ich nicht beurteilen, aber der Zusammenhalt der marokkanischen Fans (selbst Wydad und FAR-Anhänger unterstützten Raja für die Zeit der Club-WM) hat die Fans, die Ahnung haben und auf so was achten, definitiv beeindruckt. Dass wir in Deutschland diesen Zusammenhalt in diesem Maße nicht haben, musste ich meiner Gastfamilie dann noch zur allgemeinen Erheiterung beweisen:
Fayza hatte ihre Schwester Khadija angerufen und wollte dann auch mich sprechen um mir schon mal frohe Weihnachten zu wünschen und zum Sieg „meiner Bayern“ zu gratulieren. Ich meinte zum letzten Punkt nur „ich halte nicht auf Bayern“ – Sie: „Ja, nicht in der Bundesliga. Aber international doch schon, oder?“ – Ich: „Nein, ich erkenne ihre Leistung an, aber gewinnen sehen will ich sie eigentlich nicht.“ – Sie: „Auch nicht in der Champions League oder der Klub-WM? Aber das ist doch eine deutsche Mannschaft!“ – Ich: „Naja, Bayern und Deutschland… Bayern ist nicht so richtig Deutschland, das ist wie die Kabylei in Algerien wo die Leute nicht mal richtig Arabisch können…“ – Sie [lachend]: „Also wirklich! Du diskriminierst die armen Leute aus Bayern…“ Statistik:
- Grounds: 1.048 (1 neuer; diese Saison: 77 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.957 (heute 1, diese Saison: 101)
- Tageskilometer: 550 (550km Auto)
- Saisonkilometer: 27.970 (26.930 Auto/ 990 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 15 [letzte Serie: 2, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 386

Montag, 18. November 2013

W381I: Torloses Unentschieden bei den Islamisten

Wydad Athletic de Fès (نادي الوداد الرياضي الفاسي)
................................ 0:0 (0:0) ..............................
Chabab Rif Al-Hoceima (نادي شباب الريف الحسيمي)
- Datum: Freitag, 15. November 2013 – Anstoß: 19.00
- Wettbewerb: GNF Botola 1 [لبطولة الوطنية الاحترافية] (= 1. Marokkanische Liga; Profifußballiga)
- Ergebnis: 0-0 nach 97 Min. (47/50) – Halbzeit: 0-0
- Tore: keine
- Verwarnungen: 14, 17, 20 (WAF); 4, 14 (CRH)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Complexe sportif de Fès [لفاس الرياضي المركب] (Kap. 45.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 450 (darunter ca. 35 Gäste-Fans)
- Unterhaltungswert: 2,0/10 (Zwei scheiß Vereine lieferten eine scheiß Leistung ab) البطولة المغربية - وداد الفاسي و الشباب الريف الحسيمي Photos with English and Arabic Commentary:
Wydad Athletic Fès v Chabab Rif Hoceima (Moroccan Professional League)

Video on MyVideo.De:
Supporters’ Songs and Islamists’ Chants during Wydad v Chabab Rif

Mit meiner Gastfamilie Nachrichten zu gucken gehört seit Beginn des Aufenthaltes zum Standard – das schult ja auch die Sprachkenntnisse und führt oft zu interessanten Unterhaltungen. Anfang der Woche war es besonders interessant, denn in den Sportnachrichten ging es u.a. um das Trainerchaos bei Maghreb Fès: Rössli ist schon der neue Trainer, aber Skitioui darf nun doch bleiben, da das die Spieler so verlangt haben und daher macht Rössli eigentlich nur den Co. Und wie auch immer; alle wollen Banani, den Präsidenten der wohl so dämlich ist wie sein Nachname, weg haben, da er den Verein nicht mehr führen kann. Überall in der Stadt sind Graffitis „Inqadhu Maghreb al-Fasy“ (Rettet Maghreb Fès) und „Irhal Banani“ (Banani raus)angebracht worden in den letzten Tagen. Das Hauptproblem des Clubs: die Spielergehälter wurden seit fünf Monaten nicht mehr vollständig gezahlt, nur der Trainerstab kassiert normal, es gibt Streit mit Sponsoren und mit den Fans so wie so.

Ums Geld ging es dann auch im Gespräch mit Khadija und Zakariya. Viele Araber sind ja sehr offen im Umgang mit diesem Gesprächsthema, aber in der Gastfamilie wird wohl aufgrund ihrer Erfahrung mit Ausländern etwas zurückhaltender über Geld geredet. Nur Zakariya fing laut an zu erzählen, denn er ist jetzt ganz stolz, dass er einen dreistelligen Dirham-Betrag pro Woche verdient. Er hat mit seinen 14 Jahren die Schule geschmissen und den Verkäuferjob im Großmarkt in der Neustadt angenommen, den ein Kumpel zugunsten einer anderen Stelle aufgegeben hatte. Malika fand das unmöglich – „Mit 14 die Schule abbrechen? Der Junge hat doch keine Zukunft! Der wird wie mein Neffe sein bisschen Geld für Kaffeehausbesuche und Zigaretten ausgeben…“

Als Ende der Woche noch mal das Thema aufkam, wartete Khadija ehe die fleißig lernende Rita aus dem Raum war, und meinte dann merklich leiser zu mir: „Weißt du, eigentlich finde ich es ja nicht schön, dass Zaki die Schule geschmissen hat. Aber er verdient Geld. Nicht viel, aber er kann jetzt ein Konto eröffnen und er lernt bei dem Verkäuferjob auch etwas für später. Das Schlimme ist nämlich, dass man hier in Marokko oft jahrelang zur Schule und zur Uni geht, die Prüfungen besteht, die Zeugnisse sammelt und dann doch in der Arbeitslosigkeit landet oder Berufe weit unter seinem Niveau ausübt. Du kennst doch Amin? Der ist studierter Pharmazeut und arbeitet seit kurz nach seinem Studienabschluss in der Stadtbibliothek! Und du hast doch gestern wieder so lange mit Fayza gechattet? Sie hat dir doch bestimmt gesagt, dass ihre Bewerbung in Meknes abgelehnt wurde. Jetzt hat sie den Master und schon parallel zum MA-Studium nach BA-Abschluss hat sie drei Jahre lang einen Job in ihrem Ingenieursbereich gesucht – vergeblich. Und jetzt sieht es auch nicht besser aus! Oh Herr (Ya Rabb)… Ich weiß manchmal echt nicht, warum ich Rita zum Lernen dränge… vielleicht weil sie es, wenn sie mal in 10 Jahren ein Studium anfängt, so Gott will, einfacher hat und es dann mehr Möglichkeiten gibt, in dem mühsam erlernten Berufsfeld zu arbeiten. Aber Gott weiß es am besten, was die Zukunft bringt – wir können nur hoffen, dass sich die wirtschaftliche und Bildungs-Lage verbessert…“

Also nicht, dass es solche Probleme in Deutschland nicht auch (in weitaus schwächerer Form allerdings) gäbe, aber dass die einheimischen Firmen zum Beispiel nur 10% der Ingenieurswesen-Absolventen übernehmen, so wie das in Marokko der Fall ist - und so selbst die Hälfte der im Ausland studierten marokkanischen Ingenieure nicht ihren gelernten Beruf ausüben können - ist bei uns nun wirklich nicht der Fall.

Der Oberknaller war dann allerdings am Montag, als ihm der Chef auf die Schliche gekommen ist, dass er falsche Angaben zu Alter und Schulausbildung gemacht hat: „du beendest die Schule [vorgesehen mit 16] sonst gibt’s was auf de Goschn!“ Und schon war das Thema Job erledigt und Zakariya am Dienstag wieder in der Schule… البطولة المغربية - وداد الفاسي و الشباب الريف الحسيمي Zurück zum Freitag: dort ging es zum anderen von Finanzproblemen gebeutelten Verein aus Fès. Wydad ist der kleinere Club, der eher die bürgerlichen Schichten anlockt, aber auch da klemmt es bei den Finanzen. Letzte Saison hätten sie ja fast zurückziehen müssen, wenn nicht ein weiterer Sponsor eingesprungen wäre und diese Saison sind mehrere Spieler aus Finanzgründen gegangen und mit dem schwachen Kader mit vielen unerfahrenen Jugendspielern steht WAF auf dem letzten Platz mit nur 2 Punkten aus 8 Spielen.

Für 30 Dirham holte ich mir eine Karte für die Pelouse: im Kassenhäuschen ging das Licht nicht, sodass der Kassenwart eine Kerze auf dem Tisch stehen hatte. Das Stadion war gähnend leer. Irgendwie war der Gästeblock heute auf der Mitte der Gegentribüne und zuerst ging die Stimmung auch nur von den Kabylen aus. Neben mir setzte sich ein sehr freundlicher junger Mann namens Mohcen, der sich auch nur auf Arabisch mit mir unterhielt. Wir wechselten dann nach einer halben Stunde, da die Ultras von WAF in die Hintertorkurve unter der Anzeigetafel stürmten, in diesen Sektor, denn Mohcen ist WAF-Fan und hatte nur den falschen Eingang genommen. Das Wechseln hatte den Vorteil, dass ich nun im Stadion einmal rum bin und in jedem Sektor gesessen habe… Und außerdem konnte ich dann aus nächster Nähe erfahren, was bei WAF für Typen unterwegs sind.

Im WAF-Block angekommen wurde ein Banner hochgehalten: „WAF li-r-ridjâl faqat“ (WAF nur für Männer) – erst als mir wieder einfiel, dass marokkanische Vereine Fördergelder bekommen, wenn sie Frauensport unter ihrem Dach fördern, wusste ich wieder, dass das auf die Pläne der Vereinsführung, wie Maghreb und Wyfaq Fès halt auch, eine Frauenfußballmannschaft aufzubauen, abzielt. Mohcen ist wie die Vereinsführung moderat islamistisch oder einfach religiös konservativ. Aber unter den Ultras sind, obwohl sie durchweg westlich gekleidet und teilweise „unislamisch“ gestylt sind, einige Hardliner und unter den Normalos auch. Also dass das Glaubensbekenntnis durchs Stadion hallt oder Allahu Akbar gerufen wird ist ja gar kein Problem, aber Forderungen nach einem islamischen Staat und Parolen gegen Israel (Judenstaat) müssen nun wirklich nicht sein. Wie Khadija schon richtig meinte, als ich ihr vom Spiel erzählte: „Darf doch nicht wahr sein, so was! Das ist doch kein politischer Debattierklub so ein Stadion – die sollen die Mannschaft anfeuern!“

Das Spiel war sehr dürftig: beide Mannschaft versuchten alles aber konnten nichts. Torchancen wurde kläglich vergeben, Abspielfehler, technische Unsicherheiten, billige Fouls – dass die beiden da erste Liga sind, ist eine Schande! Hoffentlich steigen die beide ab, denn die anderen Abstiegskandidaten sind allesamt besser als die zwei Scheißmannschaften!

Bei der Rückfahrt stellte ich durch den Rückenwind einen neuen Zeitrekord auf: 28 Minuten vom Stadion zur Wohnungstür mit dem Fahrrad…
Dort angekommen war der Besuch aus den USA schon da und neben ihren Reiseberichten sorgten auch meine Erzählungen vom Spiel für gute Unterhaltung. Die größten Lacher erntete aber Rita: als Hamza mir eine grammatikalisch völlig verquere Frage zu meinen Reiseplänen stellte („ila aina mal’ab turid safarta ghada?“), meinte Fayza zu mir: „Mein Gott, soll das Fusha sein?! Hast du ihn verstanden? Weißt du was er falsch gemacht hat?“ Ich schaffte es in der Tat den Satz richtig zu formulieren (ila ayya mal’ab turîdu an tusâfira ghadan?) und während mich Fayza lobte und meinte „Super! Du kannst wirklich schon richtig gut Arabisch“, fing Rita an Hamza auszulachen und meinte: „Hamza, du Depp! Er ist Deutscher und kann besseres Arabisch als du als Marokkaner…“ البطولة المغربية - وداد الفاسي و الشباب الريف الحسيمي Statistik:
- Grounds: 1.033 (kein neuer; diese Saison: 62 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.938 (heute 1, diese Saison: 82)
- Tageskilometer: 40 (40km Fahrrad)
- Saisonkilometer: 22.410 (21.370 Auto/ 990 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 0 [letzte Serie: 8, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 381

Montag, 28. Oktober 2013

W378II: Unter Ultras beim Kellerduell im Nordosten

Renaissance Sportive de Berkane
---- (نادي النهضة الرياضية البركانية) ----
...................... 0:2 (0:2) ..................
----- Chabab Rif Al-Hoceima -----
------- (نادي شباب الريف الحسيمي) ------
- Datum: Samstag, 26. Oktober 2013 – Anstoß: 15.00
- Wettbewerb: GNF Botola 1 [لبطولة الوطنية الاحترافية] (1. Marokkanische Liga; Profifußballiga)
- Ergebnis: 0-2 nach 96 Min. (47/49) – Halbzeit: 0-2
- Tore: 0-1 17. Abdessamad al-Moubaraky (Handelfmeter), 0-2 20. Nabil Oumghar
- Verwarnungen: Nr. 10 (RSB); Nr. 23 (CRAH)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade d’Honneur d’Oujda [الملعب الشرفي] (Kap. 30.000, davon 1.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 500 (ca. 400 Berkane- und 100 Hoceima-Fans)
- Unterhaltungswert: 7,0/10 (Der übliche Abstiegskampf, aber vom Ultrablock aus gesehen war das Spiel einfach mal klasse…) مركب الرياضي بوجدة Photos with English and Arabic Commentary:
a) Moroccan Football League in Oujda: Renaissance Berkane v Chabab Rif Hoceima
b) North-East Morocco: Oujda Old Town, Msoun Kasbah

Freitag war noch unterhaltsamer als sonst. Rita hielt mir vorm Frühstück ihr Hocharabischbuch vor die Nase: „Das ist für uns in der 2. Klasse – ließ mal, Bruder!“ Ist gar nicht mal so uninteressant was da drin steht: von der Liebe zum Vaterland, das so schön ist mit seinen Bergen und Wüsten, Meeren und Seen sowie den so unterschiedlichen Bewohnern (!) oder auch Umwelterziehung mit religiösen Begründungen; „Verletze diesen Vogel nicht, mein Junge – denn Gott schuf ihn so wie er uns schuf, er atmet so wie wir atmen, fühlt Schmerzen so wie wir sie fühlen…“
Im Institut gab es dann noch das traditionelle Couscous, gratis für alle Studenten und Mitarbeiter.

Aber die Ansetzungen des Verbandes waren mal wieder scheiße: Khouribga gegen WAF am Freitag (wie sollen wir da bitte hinfahren wenn ich bis 14.30 Sprachkurs hab?!) und Samstag waren die einzigen neuen Grounds Marrakesch (7 Stunden pro Richtung und dann noch 20h) und Oujda (4h Fahrt und 15h Anstoß). Die Wahl fiel natürlich auf letzteres Spiel, das kurz vor der immer noch geschlossenen algerischen Grenze ausgetragen wurde. النهضة البركان و شباب الريف الحسيمة لعب في وجدة Am Abend vorher war noch eine Familienfeier von der mütterlichen Seite, sodass nur die Jungs übrigblieben und von denen musste heute einer arbeiten und die beiden anderen waren krank. So brach ich diesmal alleine auf. Die Autobahn kostet von Fès bis zum Streckenende in einem westlichen Vorort von Oujda ganze 92 Dirham (8,40€!). Die Hinfahrt unterbrach ich auf etwa halber Strecke in Msoun. Die Mautstation vor diesem fast völlig verlassenen Kaff war ungewöhnlicherweise mit einem Mann besetzt: normalerweise arbeiten da nur Frauen. Typischerweise musste ich den anweisen, auch die kompletten 55 und nicht nur 50 Dirham Wechselgeld herauszurücken. Bei den Frauen an den Mautstationen braucht man überhaupt nicht nachzählen – die sind ausnahmslos vertrauenswürdig und meistens auch sehr höflich. In der ganzen Zeit, die ich jetzt schon hier bin, wollte mich ohnehin noch nie eine Frau bescheißen und jede mit der ich hier irgendwie gesprochen habe war höflich bis sehr herzlich – aber so etwa jeder dritte, vierte Mann versucht seine Mitmenschen (auch andere Marokkaner, aber natürlich noch mehr Ausländer) zu seinem Eigennutz zu verarschen!

Msoun besuchte ich wegen der Kasbah die an der Autobahn ausgewiesen ist. Vom Hügel aus sieht man das recht verfallene Teil schon sehr eindrucksvoll. Die Seitenlänge der quadratischen Umfassungsmauern beträgt je 250m, ursprünglich war die Anlage aber rechteckig (500m x 250m). Sie sind außerdem bis zu sechs, sieben Meter hoch mit Zinnen und Turmspitzen. In der Kasbah selbst stehen größtenteils verfallene aber teilweise noch bewohnte Häuser. Als ich die Anlage besichtigte, tobten nur ein paar Kinder herum, die in keiner Form aufdringlich waren, sondern nur zurückhaltend winkten.

Wieder dieselbe Auffahrt genutzt und ab nach Oujda. Denn das Spiel von Berkane gegen Hoceima wurde nicht im Stadion von Berkane, die alte kleine Bruchbude darf nur noch für Jugend-, Reserveliga und unterklassigen Fußball genutzt werden, sondern in Oujda (beide Orte liegen 60km auseinander) ausgetragen. Oujda ist die größte Stadt in Nordost-Marokko. Entsprechend überwiegen bei 700.000 Einwohnern die Neubauten. Aber auch einige Neubauten sind sehenswert: vor allem die Moscheen am Westrand der Stadt. Die Altstadt ist durchsetzt und von einer teilweise unterbrochenen mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. Insbesondere die Mauer zur Hauptmoschee hin ist sehr gut erhalten. Zwischen den beiden Stadttoren liegen meist einfache Häuser, vereinzelte Moscheen und ein überdachter Markt. Außerdem gibt es einen recht ordentlichen Park. Insgesamt fühlte ich mich wie in Algerien: kein einziger Tourist außer mir zu sehen, ab und an grüßten Leute freundlich und niemand wollte einem irgendwelche Scheiße andrehen…

Insbesondere in der Gegend am Rand der Innenstadt wo ich kostenfrei parkte und kostengünstig in einem kleinen Restaurant aß, fiel mir wieder ein, was ich letzte Woche mal mit Fayza und Khadija im Fernsehen über Oujda gesehen hatte: die Flüchtlingsproblematik in der Region Orientale, wo sich 10.000 Senegalesen, Nigerer u.a. ohne Papiere aufhalten. Die beiden waren, als gute Musliminnen die auf die Pflicht der Reicheren Arme zu unterstützen pochen, wirklich entsetzt, als ein Marokkaner der vom Staatsfernsehen interviewt wurde, in etwa meinte: „de depperten Neescher solln wieder innen Urwald zurückgehen, hier jibts keene Arbeit – nich ma für Marokkaner – und Diebe und Bettler wolln wir ooch nich!“ Ist doch echt toll, dass die Asyldiskussionen in Marokko genauso niveauvoll geführt werden wie in Deutschland… وجدة Eine Stunde vor Anpfiff war ich am Sportkomplex: ein großer Parkplatz, eine große futuristische Sporthalle und ein großes, etwas veraltetes Stadion. Bis auf den mittleren Teil der überdachten Längsseiten mit seinen Bänken und Sitzen gibt es nur Stehplätze. Von denen sind jene links von der Haupttribüne in schwarz-weiß (USM Oujda) bzw. rechts davon in grün-weiß (Moloudia Oujda) gehalten. In der grün-weißen Kurve („Curva Taliban“ genannt) gab es heute schwarz und orange zu sehen: Renaissance (Nahda, die arabische Wiedergeburt) Berkane war Gastgeber. In der anderen Kurve standen die blau-weißen von Chabab Rif (Kabylische Jugend) aus Al-Hoceima vom Mittelmeer.

Als mich der freundliche Polizist am Eingang auf Deutsch fragte ob ich zu den Fans von Berkane oder von Hoceima will, konnte ich mir noch verkneifen, dem „zu den Fans von Berkane“ noch ein „denn die Asis aus Hoceima haben doch bestimmt Gras am Start“ hinterherzuschicken… Also der Gästemob war höchst dürftig und wenig stimmgewaltig – wahrscheinlich haben die wirklich bei ein paar Joints gechillt, so wie im Ultra-Block von Berkane gewitzelt wurde…

In den wollte ich eigentlich auch erst gar nicht, aber einer der älteren Ultras (der hatte wenigstens nur den Spitznamen „Simo“, andere nannten sich „Jamaikawy“, „Hashishi“ oder „Oldschool“), mit dem ich mich nach der deutschen Begrüßung aber auf Arabisch weiter unterhielt, bat mich, bei der Choreo mitzumachen. Und da blieb ich auch nach dem Entrollen der schwarzen und orangen Handflaggen und Spruchbänder die minutenlang unter herrlichen Gesängen präsentiert wurden. Trotz der schlechten Leistung von RSB wurde, von einzelnen Unmutsbekundungen abgesehen, durchgängig gefeiert, gesungen und gepogt. Auffällig war dabei, wie beim Pogen auf die drei Mädchen im Blog (selbst auf die, die ihre Kumpels immer provozierte und kräftig schubste) und auf mich Rücksicht genommen wurde. Niemand rempelte einen von uns vier auch nur leicht an, während sich andere mehrere Stufen runterstießen oder voll auf die Stehränge tackelten.

Interessant war auch das Liedgut, das nie gegen den König aber regelmäßig gegen den demokratisch gewählten Benkirane („Politik von gestern“), gegen seine Regierung („wir nehmen uns unsere Freiheiten“) und die Polizei („grüne Mafia“, „ACAB“, „puta policía“ und besonders gut: „nehmt uns fest, wir sind Fußball-Taliban“) ging, ohne wirklich richtig böse zu sein. Ansonsten wurde natürlich für die Mannschaft gesungen und auch mal der Gegner (freundlich und ernst gemeint!) gegrüßt (tahiyyat Berkaniyya Jamahir ar-Rifiyya). Aber von den Kiffer-Kabylen kam kein Gruß zurück…

Die Gäste konnten aber sehr zufrieden sein mit ihrer Elf, denn in einem mittelmäßigen, da sehr vom üblichen Abstiegsk(r)ampf geprägten Spiel, legten sie nach der Anfangsoffensive von RSB zwei Tore vor – eins per Handelfmeter und ein anderes nach einer Ecke nur drei Minuten später – die sie bis zum Ende verteidigen konnte. Somit hat auch Chabab Rif Hoceima nun einen Sieg auf dem Konto (sie waren nach 5 Spieltagen die einzige Mannschaft ohne 3er) und ist punktgleich mit Berkane und Wydad Fès am Tabellenende.

Ich ging gleich zum Auto, tankte noch vor der Autobahn voll (aber auch auf der Autobahn wäre OK gewesen, denn der Sprit kostet überall gleich: Normalbenzin 12,60, Super 12,80 (nur bei Shell und wenigen anderen erhältlich), d.h. 1,145 bzw. 1,16), und fuhr in einer prima Zeit nach Fès zurück: 20.30 war ich heeme, wo blöderweise Khadija noch nicht da war, sodass Driss das Essen aufwärmen musste – und wie Malika schon anmerkte: noch nicht mal das bekommen marokkanische Männer in der Küche hin... Aber ordentlichen Tee kann er immerhin kochen, was gar nicht so einfach ist bei dem aufwendigen Vorgang! النهضة البركان و شباب الريف الحسيمة لعب في وجدة Statistik:
- Grounds: 1.028 (1 neuer; diese Saison: 57 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.928 (heute 1, diese Saison: 72)
- Tageskilometer: 710 (710km Auto)
- Saisonkilometer: 19.860 (18.900 Auto/ 910 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 13 [letzte Serie: 178, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 378