Montag, 6. August 2012
W314IV: Schweinfurt und sein Stadion mit dem umstrittenen Namen
1. FC Schweinfurt 05 2:4 SpVgg Bayreuth
Datum: Freitag, 3. August 2012 – Anstoß: 20.00
Wettbewerb: Bayernliga Nord (5. Liga, 2. Halbprofiliga)
Ergebnis: 2-4 nach 94 Min. (47/47) – Halbzeit: 2-2
Tore: 1-0 20. Thomann, 1:1 22. Kayser, 2:1 39. Lunz (Foulelfmeter), 2:2 44. Hiemer, 2:3 55. Root, 2:4 77. Hiemer (Foulelfmeter)
Verwarnungen: Lunz, Nr. 10, Nr. 17 (FCS); Kayser, Nr. 6, Nr. 7, Nr. 22 (SpVgg)
Platzverweise: keine
Spielort: Willy-Sachs-Stadion (Kap. 15.060, davon 860 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 1.800 (davon 1.104 zahlende, mind. 100 Gästefans)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Gutes Spiel mit vielen Torszenen)
Nach langer Zeit sollte es mal wieder ins allseits populäre Bundesland Bayern gehen. Bisher hatte ich auch nur ein Fußballspiel in Bayern gesehen, sodass es sich anbot, zum Freitagsflutlichtspiel der Bayernliga Nord nach Schweinfurt zu fahren.
Schweinfurt ist nicht so die Touristendestination und ohnehin sollte sich herausstellen, dass die Landkreise Rhön-Grabfeld und Schweinfurt touristisch mit die unattraktivsten des an sich sonst sehr sehenswerten Bundeslandes sind. Touristisch deutschlandweit am sehenswertes ist ohnehin Thüringen – und das gilt natürlich auch für den Kreis Schmalkalden-Meiningen, wo wir unsere Besichtigungen starteten.
Meiningen ist eine sehr sehenswerte Kleinstadt mit ganz hervorragend gemachter historistischer und neobarocker Architektur. Im Gegensatz zu gekünzelten Städten wie Marburg in Hessen erkennt man bei vielen Gebäuden erst mit Blick auf dezent angebrachte Plaketten, dass es z.B. erst 1890 und nicht schon 1690 errichtet wurde. Das Schloss hat einen ziemlich ungewöhnlich geformten Baukörper, ein besonderer Bau ist auch das wuchtige Theater mit angrenzendem Park, an dessen Eingang Scheinruinen aufgebaut wurden. Die Landschaft um Meiningen herum ist bestes thüringisches Bergland: Die Röhn halt!
In Walldorf bei Meiningen sind wir leider etwas spät zum Besichtigen der Wehrkirche gekommen. Wehrkirchen gibt es in der ganzen Region Rhön ungewöhnlich viele – irgendwie wie in Rumänien, aber wiederum ein anderer, weniger spektakulärer Baustil als dort. Die Wehrkirche in Walldorf liegt besonders schön auf einem Felsen, doch das Kirchgebäude hinter den massiven Mauern brannte in diesem April – wohl durch einen Umfall – aus. Der Innenraum wurde völlig zerstört und auch der Turm beschädigt.
In Herpf steht ein andere Kirchenburg, die weniger spektakulär ist und nur noch teilweise von Mauern umgeben.
Ein paar Kilometer weiter ist der Hutberg, auf dem sich die recht ansehnlichen Mauern der Burgruine Hutberg befinden. Wegen angeblicher Lebensgefahr wurde die Ruine abgesperrt und reinklettern ist sehr kompliziert. Man sieht aber auch von außen das Meiste.
Im ehemaligen Todesstreifen befindet sich die Dorfstelle Schmerbach, ein mehrere Hundert Jahre altes Dorf, dass aufgrund der Grenzlage von der DDR zerstört wurde. Reste des Friedhofs sind noch vorhanden.
Kaum hat man die Landesgrenze zu Bayern passiert, schon gab es die nächste Kirchenburg. Der „Mauerschädel“ in Filke ist allerdings seit Jahrhunderten nur noch eine Ruine, lohnt sich aber dennoch anzuschauen.
Erschreckend ist es dann, wenn man nach Ostheim vor der Rhön kommt. Das ist ja das letzte Kaff! Wenn man von Thüringen aus da rein fährt, denkt man ist grad in irgendein Dorf in Tschechien gefahren. Ganz nette Architektur, aber recht heruntergekommen und kaum Beschilderung. Dazu blöd glotzende Dorfdeppen und Schwierigkeiten, um 14.15 Uhr was zu Essen zu finden. Zum Glück gab es einen Döner-Pizza-Imbiss in diesem trostlosen Nest!
In Mellrichstadt guckten wir uns auch noch die Reste der Altstadt an. Sehenswerter ist das heute noch genutzte und modernisierte Kloster Maria Bildhausen, das ein ganzes Dorf ist. Auch die Burgruine Salzburg bei Neustadt/ Saale macht was daher, wird aber leider in Teilen immer noch von Privatleuten bewohnt. Sehenswürdigkeiten, die zwischen Neustadt/ Saale und Ostheim v.d.R. lagen, waren teilweise nicht auffindbar, da die Beschilderung in Rhön-Grabfeld noch auf dem Stand osteuropäischer Staaten ist, was ich so natürlich nicht erwartet hätte, da ich mich sonst besser über die Lage der Sehenswürdigkeiten informiert hätte. Aber eigentlich ist nicht nur die Beschilderung in dieser hintersten Ecke Bayerns auf einem veralteten Stand...
Über die Landstraßen fuhren wir nach Schweinfurt rein. Wieder so ein Tschechien-Erlebnis: Gegenüber vom Zeughaus sind mehrere als „Trinkstüble“ bezeichnete Kneipen, die von Säufern umlagert sind. So was habe ich in Deutschland noch nie gesehen – selbst in den übelsten Provinznestern in Brandenburg oder NRW nicht. Schweinfurt ist aber auch ein ziemlich übles Provinznest: Die Kriegszerstörungen sieht man an der minderwertigen Architektur, die von ein paar schönen historischen Gebäuden durchsetzt ist.
Eines der schönsten und auch interessantes Bauwerke in Schweinfurt ist das Willy-Sachs-Stadion, das sich hinter der Kaserne der US-Truppen befindet. Erbaut wurde es in den 1930ern, eröffnet 1936 im Zuge der Olympiade. Der Zeit entsprechend waren diverse Politverbrecher anwesend, wobei Namens- und Geldgeber Sachs auch gut bekannt war mit Himmler und Göring. Ob Sachs als SS-Obersturmbannführer und Geschäftsmann in dieser Zeit sich nicht auch Mordtaten und anderen Verbrechen schuldig gemacht hat, ist nicht klar. Die Kugel, die der Faschist sich selbst gab, hätte er aber sicherlich auch offiziell bekommen können, wenn richtig gegen ihn ermittelt worden wäre. Dass das Stadion trotzdem nach ihm heißt, ist in Deutschland sicherlich verwunderlich – dass die Namensgebung umstritten ist, ist natürlich nicht verwunderlich.
So zweifelhaft der Name auch ist, so sehenswert ist das Stadion aber. Es steht unter Denkmalschutz und hat diverse Details zu bieten. So auch eine Bildtafel Sachs’ unter einem eisernen Adler. Der Eingangsbereich ist aus Backstein. Dort muss man unheimlich hohe Eintrittspreise abdrücken: Stehplätze kosten selbst ermäßigt noch 6,50€ - in den NOFV-Oberligen ist das oft der Maximalpreis für einen Sitzplatz ohne Ermäßigung, wofür man in Schweinfurt schweinische 12€ hinlegen müsste. Die Sitztribüne ist massiv gemauert, formschön, typisch für die Bauzeit bis in die 1950er, aber leider durch Sitzschalen versaut. Hätte man, wie in Schweden, die Holzbänke erhalten, wäre das Stadion ein 10-Punkte-Stadion. Sehr ansehnlich sind auch die Stehränge, die geteert sind und dicht von Bäumen in der hintersten Reihe umstanden. Schön ist auch die Anzeigetafel.
Die Tafel hatte auch recht viel anzuzeigen, denn beide Mannschaften spielten vor recht leeren Rängen – aber immerhin ein paar Dutzend Fans beider Lager feuerten konstant an – sehr offensiv. Schweinfurt ging verdient durch ein Eins-gegen-Eins zwischen Stürmer und SpVgg-Torwart in Führung und kassierte kurz darauf durch einen Treffer aus klarer Abseitsposition den Ausgleich. Der Elfmeter für Schweinfurt, der sicher zur erneuten Führung verwandelt wurde, war unberechtigt – wobei dem FCS nur Minuten zuvor ein berechtigter Elfer verwährt wurde. Der Ausgleich war dann schon wieder durch eine Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns entstanden: Der Freistoß war keiner, aber er wurde herrlich direkt hoch ins Eck gezimmert.
Nach der Pause brach Schweinfurt ein und bekam seine, erst zur Schlussphase wieder zahlreicheren Torchancen, gar nicht mehr im Tor unter. Bayreuth schoss einen prima Treffer unters Tordach und bekam einen weiteren, diesmal aber berechtigten, Elfmeter in der Schlussphase zugesprochen, den sie zum entscheidenden 2:4 verwandelten.
Insgesamt hat sich der Spielbesuch wirklich gelohnt: Tolles Stadion, halbwegs gute Atmosphäre und gutes Spiel!
Statistik:
Grounds: 770 (heute 1 neuer; diese Saison: 2 neue)
Sportveranstaltungen: 1.581 (heute 1, diese Saison: 4)
Tageskilometer: 590 (590 Auto)
Saisonkilometer: 730 (690 Auto/ 40 Fahrrad/ 0 Flugzeug/ 0 Bahn, Bus, Tram/ 0 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 119
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 314
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