Montag, 28. Februar 2011

W239III: Wie man einen 8-Tore-Vorsprung verspielen kann und in der Schlussminute doch noch gewinnt

LSV Ziegelheim 29:30 HV Rot-Weiß Staßfurt
Datum: Samstag, 26. Februar 2011 - Anwurf 17.30
Liga: Mitteldeutsche Oberliga (4. Liga, 1. Amateurliga)
Ergebnis: 29:30 nach 60 Min. – Halbzeit: 11:19 (!)
Tore: D. Heinig 13, Reusch 6, A. Heinig 3, Ulbricht 3, Kley 2, Block 1, Luding 1 (LSV); Retting 9, Scholz 7, Jacobi 5, Stolz 4, Hähnel 2, Ernst 1, Rach 1, Bruchno 1 (HV RW)
Siebenmeter: LSV 3 von 6, HV RW 2 von 3
Verwarnungen: 4x (!?) LSV (Reusch, Kley, Block, Trainer); 3x HV RW (Trainer, Wartmann, Bruchno)
Zeitstrafen in Minuten: Moritz 6, D. Heinig 2, Luding 2, A. Heinig 2, Sense 2 (LSV = 14 Minuten); Bruchno 4, Hähnel 4, Stolz 4, Rach 2, Wartmann 2 (HV RW = 16 Minuten)
Platzverweise: Moritz (LSV; 54., dritte Zeitstrafe)
Spielort: Wieratalhalle (Kap. 600, davon 350 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 600 (davon ca. 30 Gästefans)
Unterhaltungswert: 6,0/10 (Spiel auf niedrigem Niveau aber extrem spannend – Ziegelheim in der 1. Halbzeit schwach und Staßfurt Mittelmaß, in 2. HZ umgekehrt)
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Photos and English version:
Gößnitz & Waldenburg – Eastern Thuringia Province
LSV Ziegelheim vs. HV RW Staßfurt (Amateur Handball Top Level)

Kaum aus Ronneburg zurück, saßen wir wieder im Zug nach Weimar. Weiter ging es nach Gößnitz, wo wir eigentlich ein Fußballspiel der Regionalklasse, der nach der Thüringenliga und den Landesklassen dritthöchsten Amateurliga in Thüringen, angucken wollten. Obwohl noch am Abend vorher im Internet angekündigt, wurde bei diesem Scheißverein FSV Gößnitz nicht gespielt. Dabei waren zwei bespielbare Plätze zur Verfügung. Wenn man so eine Partie absagt, muss man schon total hacke sein. Ich dachte eigentlich, die Spielabsagenseuche wäre etwas abgeklungen, aber mit den Bescheuerten in Gößnitz habe ich nicht gerechnet.

Gößnitz ist auch das letzte Provinznest, das sich damit brüstet, den längsten Bahnsteig Deutschlands zu haben. Das zu lang geratene Ding ist aber auch der einzige Bahnsteig des Bahnhofes, der nicht mal mehr ein Gebäude hat, aber als Rangierbahnhof wichtig ist. Ansonsten muss man noch die Kirche hervorheben, die mit den drei Türmen doch recht gelungen und in einem erstaunlich guten Zustand ist. Wir fuhren dann weiter nach Waldenburg, was mehr daher macht, aber auch nur ein kleines Städtchen ist. Der Rathausplatz ist aber ganz nett, eine größere Kirche fällt auch ins Auge, dann gibt es noch das monströse Internat und auch das ganz nette Schloss.

Über teilweise sehr löchrige und extrem schmale, zudem auch schlecht beschilderte Straße fuhren wir an Gehöften wie Koblenz bei Waldenburg vorbei, die uns glauben ließen, wir hätten uns verfahren. Aber nicht etwa im westdeutschen Koblenz wähnten wir uns, sondern im tiefsten Balkan, so heruntergekommen wie einige der Ortschaften waren. In Ziegelheim wurde das erheblich besser: das Handballdorf hat immerhin eine recht spektakuläre Kirche auf einem Berg zu bieten und keine bewohnten Ruinen.
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Handball wird in der Wieratalhalle gespielt, die schon von Außen recht auffällig ist und innen sehr zusammengepfrimelt, aber trotzdem ansehnlich wirkt. Zuschauerplätze sind aber nur auf zwei Seiten; jeweils in Form einer Obertribüne (hinterm Tor aber mit einem Netz zugehängt und auf der Längsseite sehr voneinander separiert mit auffällig dicken Gewölbestreben) und einer Vortribüne. Die Vortribüne ist dann aber wirklich einfach zusammen gepfriemelt, wie ich das seit Serbien nicht mehr gesehen habe: einfachste Gerüstbauweise mit Spanplatten und auf zwei der drei Tribünen auch noch einfach Stühle draufgestellt, die nach Lust und Laune von den Fans durch die Halle geschleppt werden. Das hat natürlich zur Folge, dass sich spät kommende Fans an den Rand der Tribüne stellen, weswegen die halbe Sitztribüne aufstehen muss, um beide Spielfeldhälften zu sehen. Na ja, Organisation und Dorfhandball eben...

Aber was beim Dorfhandball dafür oft gut ist, ist die Atmosphäre. Nicht nur, dass wir mit netten Leuten ins Gespräch kamen, auch wurden die Ziegelheimer ihrem Anspruch „Die besten Fans aus Thüringen“ zu sein wenigstens phasenweise so halbwegs gerecht. Solange es für Ziegelheim scheiße lief – also bis kurz nach der Pause – beschränkte sich die Stimmung zwar auf 20% Klatschen, 35% Gegner voll meckern und 45% Schiedsrichter beschimpfen – aber dann ging es gut ab: Laute Sprechchöre, frenetischer Jubel und enthusiastisches Feiern der Mannschaft. So ist die Stimmung wirklich gut! Allerdings war in Ronneburg am Vortag keineswegs weniger Support, sondern eher mehr und besser.

Wir gesagt lief es – man kann es auch am Halbzeitstand oben ablesen – für Ziegelheim bis kurz nach der Pause richtig schlecht. Beim Spiel 9. gegen 11., also Abstiegskampf, konnte man ja nicht so viel erwarten, aber während Ziegelheim im Hinspiel (siehe Bericht vom 23.10.10) klar besser war und verdient gewann, war der Gastgeber hier völlig von der Rolle. Staßfurt spielte mittelmäßiges Handball: einige schöne Tore und gute Spielzüge, aber das sollte man auch als Mindestes erwarten können in der höchsten Amateurliga, die das Sprungbrett in den Halbprofi- und Profibereich darstellt. Verdient lag Staßfurt gegen das desolate Ziegelheim mit 19:11 in Front.

Desolat war im Übrigen auch die Leistung der thüringischen (!) Schiedsrichter: Tore wegen angeblichen im Kreis stehen aberkannt, obwohl der Schütze nicht ab stand; zwei Minuten für Lächerlichkeiten, keine zwei Minuten für klare Fouls; foulenden Spielern trotz einem Verletzten auf der Platte den Angriff aufs gegnerische Tor ermöglicht; Foul nicht gepfiffen, Tor für die foulende Seite gegeben und dann zwei Minuten gegen den Foulspielenden im Nachhinein gegeben... Innerhalb von 60 Minuten deutlich mehr als 10 Fehlentscheidungen zu treffen – bei dem bis zur 50. Minute ziemlich langsamen Tempo – ist schon bedenklich. Die fragwürdigen Pfiffe gingen aber in beide Richtungen; von Heimschiedsrichtern – oder wie viele Heimfans gerne tönten: Staßfurter Schiebern – konnte also keine Rede sein.
Immerhin versuchte das Kampfgericht nicht, das Spiel zu beeinflussen, wie das offensichtlich gegen Leipzig (anscheinend erfundener Wechselfehler der zum Sieg mit einem Tor führte und jetzt ein Fall fürs Sportgericht ist) so war.

Zurück zu den Spielern: nach der Halbzeit gab es plötzlich ein völlig anderes Bild. Es ist einfach schlimm, dass Staßfurt nur 30 bis höchsten 40 Minuten Handball spielen kann und dann die anderen 20 bis 30 Minuten ein grauenhaftes Niveau mit Fehlern ohne Ende und schwachem Abschluss wie auch mangelnder Verteidigungsarbeit zeigt. Nach ein paar Minuten waren die mittlerweile wenigstens auf durchschnittlichem Niveau agierenden Gastgeber bis auf 19:21 herangekommen. Dann sollte es eng umkämpft sein, aber Staßfurt war unfähig, einen acht Tore Vorsprung auch nur ansatzweise zu halten. Mal gingen sie bis auf 20:24 davon, dann zog der Gastgeber nach und verkürzte auf 23:24, glich zum 25:25 aus und ging 27:26 in Führung. Kurz vor Schluss lag der LSV sogar bei 29:27 mit zwei Toren vorn. Doch dramatischerweise wendete sich das Blatt nochmals und Fehler der Ziegelheimer und ein letztes Aufbäumen der Staßfurter Gäste brachten die Wende: 29-30 am Ende! Ein richtig packendes Spiel also, obwohl es vom Spielniveau her eher mäßig war. Einen glücklichen, aber nicht unverdienten Sieg konnten die Staßfurter somit für sich verbuchen: Staßfurt spielte hat 32 Minuten richtig Handball und Ziegelheim nur 30, sodass dieser Eintorsieg in Ordnung geht.
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Bei sternenklarem Himmel und innerhalb von drei Stunden um 10 Grad gefallenen Temperaturen verließen wir die hohe Tonnengewölbehalle von Ziegelheim und fuhren mit den Rädern weiter nach Altenburg. Dort fiel uns im Vergleich zu Weimar am Vortag Folgendes auf: 1. nicht nur Prolls auf der Straße, 2. alle Sehenswürdigkeiten angestrahlt, und 3. das Bahnhofsgebäude offen und die dortige Pizzabäckerei auch noch in Aktion. Da würde Altenburg also viel eher den Kulturbahnhof- oder Kulturstadt-Titel verdienen, als dieses Spießbürger-Provinznest Weimar.
Auch wenn dieses Mal die Leistungen der Bahn zufriedenstellend waren, kann ich nur wiederholen, dass ab Mitte des Jahres dieses Drecksunternehmen kein Geld mehr von uns erwarten kann. Wahrscheinlich machen wir auch keine Radtour nach Tschechien, sondern fahren mit dem Auto, weil die Sachsen Faxen machen und in vielen Teilen des Freistaates (wo genau recherchiere ich noch) mittlerweile asozialerweise 4,50€ für die Fahrradmitnahme verlangen. Diese sächsischen Bahnverbände, die diese Preise erheben, boykottieren wir natürlich generell.
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Statistik:
Grounds: 531 (heute ein neuer Ground; diese Saison: 81 neue)
Sportveranstaltungen: 1.232 (heute 1, diese Saison: 119)
Tageskilometer: 330 (270 Bahn, 60 Fahrrad)
Saisonkilometer: 20.170 (12.070 Auto/ 4.520 Bahn, Bus, Tram/ 2.780 Fahrrad/ 800 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 89
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 239

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