Montag, 19. März 2012

IND-XIII: Basketballwochenende in Kochi (Teil 2)

* Schweißtreibende Stadtbesichtigung und Platzsturm beim Basketball *

Kerala Women 67:70 Chhattisgarh Women
Datum: Samstag, 17. März 2011 – Beginn: 18.00
Wettbewerb: 26th Federation Cup Basketball Championship (Halbfinale des landesweiten Pokalwettbewerbs für Basketballerstligisten/ Frauen)
Ergebnis: 67:70 nach 45Min. – Viertelergebnisse: 15:11, 12:23 (= 27:34 Halbzeit), 22:14, 18:22
Punkte: PS Jeena 23, Seena Joseph 11, u.a. (Kerala); Anju Lakra 29, Kavitha 19, u.a. (Chhattisgarh)
Fouls: unbekannt
Spielort: Rajiv Gandhi Indoor Stadium, Kochi (Kap. 10.000 Sitzplätze, davon heute 3.000 Sitzplätze freigegeben)
Zuschauer: ca. 1.000 (davon Gästefans: ca. 5)
Unterhaltungswert: 6,0/10 (Spannendes und erstaunlich gutes Spiel)

Customs and Central Excise Kochi 44:47
Oil and Natural Gas Corporation Dehradun
Datum: Samstag, 17. März 2011 – Beginn: 19.30
Wettbewerb: 26th Federation Cup Basketball Championship (Halbfinale des landesweiten Pokalwettbewerbs für Basketballerstligisten/ Amateurmeisterschaft)
Ergebnis: 44:47 nach 40Min. – Viertelergebnisse: 15:14, 6:9 (= 21:23 Halbzeit), 18:14, 5:10
Punkte: Monish Wilson 14, Manoj R 14, u.a. (Kochi); Yadwinder Singh 15, Mohit Bhandari 7, u.a. (ONGC)
Fouls: unbekannt
Spielort: Rajiv Gandhi Indoor Stadium, Kochi (Kap. 10.000 Sitzplätze, davon heute 3.000 Sitzplätze freigegeben)
Zuschauer: ca. 1.100 (davon Gästefans: ca. 5)
Unterhaltungswert: 7,5/10 (Kein gutes, aber sehr körperbetontes und spannendes Spiel mit zünftigen Emotionen)
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Photos and English Version:

Video:

Am Samstag stand vormittags die Besichtigung des bekanntesten Teils der Stadt Kochi, auf einer Insel vor dem Festland (Ernakulam ist der Kernortsteil des Festlandes und dort hatten wir ein Hotel am Fähranleger bezogen) gelegen, auf dem Plan. In Fort Kochi ist zwar, wenn man für gerade einmal 2,5 Rp. (0,04€) pro Person und Richtung mit einer recht ordentlichen Fähre übergesetzt hat, nichts mehr von der Befestigung des Forts zu sehen, doch die relativ ordentlichen und vor allem von vielen Häusern in oft englischem Baustil des 19. und 18. Jahrhunderts gesäumten Straßen werten das ganze ehemalige Fort richtig auf. Es gibt auch etliche schöne Kirchen und einen niederländischen Friedhof. Auch eine befestigte Villa haben die Niederländer hinterlassen. Direkt daran haben die Hindus zwei Tempel gebaut – Betreten natürlich für Nicht-Hindus verboten. Am dreckigen Strand kann man den Fischern bei ihrer Arbeit mit den kuriosen Konstruktionen von Schöpfnetzen zuschauen.

Da es 30 Grad und etwa 90% Luftfeuchtigkeiten waren, gingen wir mittags erstmal ins Hotel. Am Nachmittag hofften wir, dass es noch ein Spiel der Kochi Premier League im Maharaja College Ground geben würde – doch die kicken dort komischerweise nur unter der Woche bis einschließlich Freitagabend. Im Schatten eines Baumes auf der Betontribüne rumzuhängen und Cricketmännern beim Bowling- und Batting-Training zuschauen und außerdem immer wieder die junge Frauenleichtathletikgruppe beim Rundenlaufen zu beobachten, ist aber für viele Inder so normal, dass es gar nicht auffällt, wenn man das als Ausländer auch macht. Man hätte auch auf dem Fußballplatz kicken können – es hätte wohl keinen gestört. Nach zwei Stunden entschieden wir uns noch mal zum Basketball zu gehen und sahen dann auch ein Frauenspiel im Rajiv Gandhi Indoor Stadium. Die Auswahlmannschaften der Bundesstaaten Kerala und Chhattisgarh (zentral im Inland Indiens gelegen) kämpften um den Einzug ins Finale.
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Dabei stellten sich beide Teams gar nicht so blöd an: in einem guten und engen Spiel zeigten wenigstens drei Spielerinnen pro Mannschaften gute Basketballfähigkeiten. Alle diese guten Spielerinnen waren mittelgroß bis ziemlich groß (max. 1,90m) und athletisch. Eine Spielerin der Gäste aus Chhattisgarh stach leider nicht durch Können sondern nur durch ihre krankhafte Größe hervor. Die 16jährige misst 2,04m (=6 feet, 7 inches) und ist extrem dünn, sodass schon Verformungen im Gesicht erkennbar sind. Würde sie von ordentlicher Ernährung und einem guten Arzt profitieren, könnte sie schon eine richtig gute Sportlerin werden – so wird sie wohl leider nicht sonderlich alt werden. Durch ein starkes letztes Viertel siegte ihre Mannschaft aber immerhin mit drei Punkten.

Was folgte war ein Halbfinalspiel der Männer, bei dem richtig was los war. Die Costums Kochi trafen auf ONGC. Die Frauen von Kerala wurden schon sehr regelmäßig angefeuert, aber beim Spiel der Männer gingen die 1.000 bis 1.100 Fans noch mehr mit. Das Spiel war auch spannend, doch leider nicht besonders gut. Zum einen gab es durch die körperbetonte Spielweise beider Teams wenige Treffer – zum anderen war die Wurfquote auch einfach schlecht. Manchmal kämpften Spieler beider Teams noch am Boden liegend um einen Ball. Ab Mitte des zweiten Viertels regten sich beide Seiten über angebliche Fehlentscheidungen der Unparteiischen auf. Mit einem lächerlichen Ergebnis von 21:23 ging es in die Pause.

Nach dem Seitenwechsel schien Kochi das Spiel zu drehen, doch die knappe Führung sollte nur bis Mitte des letzten Viertels bestand haben. Nun wurde die Trefferquote wieder richtig schlecht und die Stimmung hitziger. Die Jugendspieler und der Alte mit der Halbglatze wurden langsam aggressiv. Als dann die Gäste aus Utterakhand mit drei Punkten in Front gingen und nur noch 30 Sekunden auf der Uhr standen, wurde es sehr packend. Ein Dreierversuch scheitert und Kochi will Freiwürfe erzwingen. Nach einem Stürmerfoul gegen Kochi fangen die ersten an mit den Plastestühlen zu winken. Den Ballbesitz kann ONGC aber nicht ausnutzen und Kochi greift noch mal an. Der Versuch, einen Freiwurf zu schinden, scheitert wieder und es gibt nur Einwurf von der Seite. Bei 7 Sekunden auf der Uhr wird der Ball wieder ins Spiel gebracht und der Sikh von ONGC klaut einem der Zollbeamten den Ball nicht ganz regelkonform. Es gibt ein persönliches Foul, aber keine Freiwürfe. Dass es wieder nur Einwurf von der Seite gibt, führt dann zu der ersten umgetretenen Werbebande. Während der Trainer von Customs den Wiederanpfiff durch Diskutieren verhindert, geht der erste Fan aufs Parkett und schnauzt den Schiri an. Der Dreierversuch scheitert, da der Werfer von zwei Spielern zugestellt wird. Als dann die Schlusssirene ertönt, kommt es auch zu einem Platzsturm bei dem einige Fans und Spieler der Heimmannschaft die Schiedsrichter und das Kampfgericht beschimpfen und bedrohen. Außer ein paar zertretenen Plastestühlen und einer umgeworfenen Werbebande ist nichts kaputt gegangen. Richtigerweise holte man aber gleich mal ein paar Polizisten in die Halle.

Tumulte beim Sport in Indien sind übrigens ziemlich selten. Schlägereien zwischen Amateurspielern beim Fußball, Cricket und Basketball gibt es ab und an – Stress mit Zuschauern ist außerhalb der Fußballszene von Kalkutta weitestgehend unbekannt. Somit war es schon das höchste an Emotionen, was man heute so erleben konnte. Ohnehin war der Basketballpokal richtig gut: gutes Niveau, tolle Halle, ganz ordentlich Stimmung und ein paar interessante Szenen am Rande. Als Musikeinspielungen (stets nur in Pausen zwischen Vierteln und Spielen – nie bei anderen Unterbrechungen wie Auszeiten) gab es zensierte amerikanische Rap- und Dancemucke. Über jugendgefährdende Inhalte werden in Indien einfach unverfängliche Liedtexte gelegt. Das Wischen des Spielfeldes erledigte übrigens natürlich keine junge Frau in kurzen Sportklamotten, sondern eine ältere Frau im Sari. Die Kleidung der Putzfrau stand allerdings im scharfen Kontrast zu der Kleidung der wenigen weiblichen Zuschauer und der der Spielerinnen, die sich nach dem Umziehen zum Zugucken auf die Tribüne hockten: durchgängig westliche Kleidung, damit man sofort erkennt, dass die Damen einer zahlungskräftigen Elite angehören...

Im angrenzenden Sportlerrestaurant gingen wir beide dann bei erwartungsgemäß etwas höheren Preisen (also zwei große Fleischgerichte und Getränke für zwei Personen kosteten 6,30€ - normal kostet das 3,50€-4,50€) gut Essen.
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Statistik:
Grounds: 715 (heute kein neuer; diese Saison: 121 neue)
Sportveranstaltungen: 1.485 (heute 2, diese Saison: 171)
Tageskilometer: 10 (10 Fähre)
Saisonkilometer: 41.970 (23.900 Auto/ 14.820 Flugzeug/ 2.010 Fahrrad/ 690 Bahn, Bus, Tram/ 10 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 38
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 294

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