Freitag, 9. März 2012

IND-VI: Praktikum in Indien – Notizen (2)

* Die erste Praktikumswoche *

Am zweiten Tag, dem Dienstag 6.3., war es schon etwas straffer mit dem Unterricht: 9.30 ging es los. 2 Stunden ganz guter syrisch-aramäisch Unterricht in einer Mischung aus indischem Englisch und Deutsch, da es Father Rajou Spaß machte, seine Deutschkenntnisse – die für Unterricht nur in Deutsch aber zu gering sind – zu beweisen. Außerdem liegt Englisch den wenigsten meiner Kommilitonen so wirklich: besonders meine Kommilitonen, die keine deutschen Muttersprachler sind, können besser Deutsch als Englisch.
Eine böse Bemerkung muss ich übrigens noch machen: der Syrisch-Unterricht in Halle war wohl nicht besonders gut (das liegt nicht nur an den wenigen Wochenstunden) – sonst könnte ich nie in einem Kurs mit lauter Leuten mit Vorkenntnissen einsteigen. Aber selbst die Kenntnisse der syrischen Schrift waren bei den meisten Kommilitonen so unsicher, dass ich bis Donnerstag viel aufholen konnte. Hätte der Unterricht in Halle auch nur 20% der Intensität von dem hier in Kottayam, hätte ich Einzelunterricht kriegen müssen...

Wenn man im St: Ephrems Institute nicht nur Gaststudent ist, sondern als vollwertiges Mitglied oder Student des Instituts läuft, muss man sich an Regeln halten, die man von deutschen Unis nicht so kennt. Den Aushang des Institutschefs muss ich hier einfach mal als auszugsweise Übersetzung präsentieren:
„[...] Tagesordnung:
5.30 Weckruf [u.a. durch Glockengeläut]
6.00 Morgengebet
7.30-8.15 Frühstück
10.00-11.00 & 11.15-12.30 Unterrichtsstunden [dazwischen Teepause]
12.30 Mittagsgebet
12.45-13.30 Mittagessen [danach Vorbereitung auf späteren Unterricht]
14.30-16.00 Unterricht, danach weitere Teepause
19.30 [nach Vorbereitungszeit für Unterricht am darauffolgenden Tag] Abendgebet
20.00-20.30 Abendessen
[...]
Allgemeine Regeln:
1. Alle Studenten und Mitarbeiter haben alle Gebete zu besuchen [ausgenommen Gaststudenten, denen der Besuch freisteht]
8. Kein Bewohner des Hauses darf Müll außerhalb unseres Geländes ablagern. Von nun an [Mitte 2011] ist dies strafbar! Essensreste nur in dafür vorgesehene Eimer [etc.]
Unterwerfen Sie sich strengstens diesen Regeln!![...]“

Das Essen im Institut ist in der Fastenzeit übrigens nicht nur vegetarisch, sondern vegan, wie ich erst jetzt mitbekommen habe. Dass so was auf die Dauer ungesund ist, ist klar. Aber außerhalb der Fastenzeit wird hier wohl normaler gekocht, da der im Hinduismus sehr verbreitete Vegetarismus (die einzige größere Kultur, in der diese Ernährungsform verankert ist und nicht etwa eine Mode-Erscheinung wie in Europa) keine Pflicht ist in unserem Institut. Für so eine einseitige Ernährung, ist das Essen aber richtig gut. Außer zwei Sachen, hat mir bisher alles geschmeckt! Bloß die in Curry eingelegten Limonenschalen mit Buttermilch (erst ekelhaft sauer und dann brennt plötzlich die Fresse vom starken Curry, wobei die Schalen zäh wie Leder sind) und der Kokosnusssame (sieht ohne die Schale aus wie Styropor, riecht wie Styropor, fühlt sich an wie Styropor und schmeckt auch wie Styropor) waren widerlich.

Ansonsten kann man sich weder über Essen, noch Unterkunft oder die Kollegen hier beschweren. Hier interessiert es wenigstens viele, ob es einem hier gefällt und ob alles in Ordnung ist oder man Fragen hat. Das einzige, was mal wieder erschreckend war, waren die geographischen Kenntnisse des eigenen Landes: wie kann man sich als gebildeter Mensch nicht mal in seinem eigenen Bundesstaat auskennen? Mann, war das schwierig, an Informationen zu Palakkad – einem der wenigen Orten von touristischem Interesse in dem Staat Kerala (der mit 39.000qkm fast doppelt so groß wie Sachsen-Anhalt ist und übersetzt „Land der Kokospalmen“ heißt) – zu kommen... Father Jacob konnte sofort Osnabrück, Münster, Göttingen u.a. in eine Verbindung bringen und zu diesen 8.000km entfernten Städten etwas sagen – aber einmal ans 150km entfernte Palakkad oder 250km entfernte Kozhikode (Calicut) zu denken! Wenn ich nen Rostocker nach Schwerin frage, muss der schon sehr doof sein, wenn er nicht schnell aufs Schweriner Schloss kommt...

Ein bereits jetzt festzustellender Unterschied zu arabischen Ländern ist, dass die Leute hier nicht annährend so herzlich sind (immerhin sind die Leute in unserem Institut sehr freundlich), und meist sehr mundfaul. Beim Besichtigen der Kathedrale von Kottayam, die in einem nett anzusehenden Labyrinth von schmalen Asphalt- und Schotterstraßen inmitten von Palm- und Bananenumstandenen Häusern (mal Villen, mal Bruchbuden) liegt und einen ziemlich latinisierten Baustil aufweist, trafen Anja und ich aber einen Freund von einem Institutsmitarbeiter, der uns aus Freude darüber, dass wir uns am Institut mit Syrisch beschäftigen, gleich das syrische Gebet an den Herrn (in seinem Indian-English „Wäät, I sing yu aar prääya tu dä Lort“) zum besten gab. Natürlich interessierte ihn auch ob wir ein Paar sind und ob wie auch wie er katholisch seien. Die Antwort „Protestant“ störte ihn nicht weiter und das andere – na ja: in Marokko hatte ich eine Schwester, in Indien jetzt halt eine Frau...

Keine Kommentare: