Donnerstag, 30. Dezember 2010

W231II: Magdeburg schlägt Flensburg mit fünf Toren

SC Magdeburg 34:29 SG Flensburg-Handewitt
Mittwoch 29. Dezember 2010 – Anwurf 18.00
Liga: „Toyota“ Handball Bundesliga (1. Profi-Handballliga)
Ergebnis: 34:29 nach 60 Min. – Halbzeit: 13:12
Tore: Weber 11, Tönnesen 4, Grafenhorst 4, Natek 4, Wiegert 4, Jurecki 3, Rojewski 3, van Olphen 1 (SCM); Mogensen 10, Eggert 8, Knudsen 3, Szilagyi 2, Heinl 2, Mocsai 1, Svan Hansen 1, Carlén 1 (SGFH)
Gelbe Karten: Wiegert, Natek, Tönnesen (SCM); Carlén, Heinl, Knudsen (SGFH)
Zeitstrafen: Landsberg 2, van Olphen 2, Natek 2 (SCM: 6 Minuten); Mogensen 2, Heinl 2 (SGFH)
Platzverweise: keine
Sportanlage: Bördelandhalle (Kap. 7.559, davon 7.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 7.700 (davon zahlende: 7.072, Gästefans: ca. 50)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Gutes Spiel mit überraschend gutem Ergebnis für den SCM!)

Photos and English version:
Burg, Loburg, Möckern: Three Small Towns in Magdeburg Vicinity
SC Magdeburg defeats SG Flensburg-Handewitt in Handball-Bundesliga

Wir fuhren nicht direkt nach Magdeburg nur zum Spiel, sondern schauten uns zuerst drei Landstädte östlich des sachsen-anhaltischen Hauptortes an. Zuerst Loburg, ein zu Möckern gehörender Ort mit 2.000 Einwohnern, der in seinem Kern seit über 1.000 Jahren besteht und eine Kirchenruine in der fürs nördliche Sachsen-Anhalt typischen Feldsteinbauweise, eine intakte Kirche aus dem 18. Jahrhundert (der Vorgängerbau stammt aus dem 9. Jh.) mit einer spektakulären Turmhaube, eine Burg von der nur der Bergfried noch erkennbar aus dem Mittelalter stammt, einen Torturm und ein Rathaus aus dem frühen 17. Jahrhundert vorweisen kann.
In besagtem Möckern ging die Besichtigung weiter: auch da gibt es noch geringe Reste der Stadtbefestigung zu sehen, zudem ein recht ansehnliches Rathaus und dahinter ein als Grundschule genutztes Schloss aus dem frühen 18. Jahrhundert. Möckern ist die drittgrößte Stadt Deutschlands – mit 14.000 Einwohnern aber nur nach der Fläche von 530qkm, die durch die Eingemeindung von über 60 Orten zustande gekommen ist. Der eigentliche Ort Möckern hat keine 3.000 Einwohner. Also ich bin ja auch dafür solchen Möchtegern-Barockfürsten von Bürgermeistern, die ihre 200-Einwohner-Kuhdörfer am liebsten unabhängig sehen würden (schönen Gruß nach einem Kaff südlich von Leuna), mit Eingemeindungen vorzugehen – aber so was wie Möckern geht nun auch zu weit: dieses Konglomerat von Dörfern, die alle paar Kilometer in der Felder- und Waldlandschaft auftauchen, nimmt ein Drittel der Kreisfläche Jerichower Land ein. Und der Kreis ist groß genug...
Burg ist mit seinen 24.000 Einwohnern noch die größte und städtischste Stadt der drei. Sie ist sogar die Hauptstadt des Landkreises Jerichower Land – gegen andere Kreishauptstädte wie Merseburg (Saalekreis) oder Naumburg (Burgenland) ist sie allerdings ein Kuhdorf. Nur eine hohe romanische Kirche, davor das historistische Rathaus, in der Nähe ein bisschen Stadtbefestigung und dazwischen ein paar Fachwerkhäuser, die zwischen Betonhütten und abrissreifer älterer Bebauung stehen, sind zu sehen.

Verglichen damit ist Magdeburg natürlich eine Metropole, doch von Winterdienst haben die in dieser Dorfmetropole wohl noch nichts gehört. Aber solange die dort gutes Handball spielen, ist das ja erträglich. Für den SCM stellt man sich auch nach dem Kampf mit nicht geräumten Straßen 20 Minuten in die Kälte, bis den Arschlöchern an der Kasse mal einfällt: ach ja, noch 70 Minuten bis zum Anwurf, geben wir mal die reservierten Karten heraus... Natürlich war nur eine einzige der vier vorgesehenen Kassen besetzt. Also so eine unprofessionelle Kartenausgabe und Einlassabfertigung wie in Magdeburg beim Handball habe ich in der Fußballbundesliga noch nirgendwo gesehen. Die Preise für die meisten Plätze haben aber das Niveau der Fußballbundesliga – nur die Stehplätze sind preislich recht günstig: 10€, ermäßigt (Studenten, Schüler und so) 6,50€. Diesmal konnten wir auch – trotz eine Woche vorher per Internet bestellt – nur Stehplätze bekommen. Irgendwo schräg über dem „Ostmob“ mussten wir uns in die Ecke stellen, sahen zwar alles ganz gut, aber hatten das Fangnetz im Blickfeld. Wir konnten allerdings auch feststellen, wie der „Ostmob“ – eine Gruppierung pubertierender Jugendlicher die sich als Ultras verstehen und auch einige Elemente der Bewegung ganz gut übernehmen, doch in der Halle völlig untergehen – heranwächst: mittlerweile sind das wohl so um die 20, die auch ein paar Ältere zum Mitziehen bewegen konnten. So sangen bis zu 30 Leute die teils recht einfallsreich umgetexteten Standardgesänge. Vor dem Anwurf gab es auch eine kleine Choreo mit grünen und roten Folienbändern – auch die Schnarchnasen hinter dem Mob machten da weitestgehend mit. Nur pöbelten einige Zuschauer die Jungs wegen ihrer Fahnenschwenkerei während des Spiels an. Da war dann sinnloses Theater im Block, weil der Ostmob nicht kapiert, dass man nicht 60 Minuten lang zur Selbstdarstellung mit Fahnen wedeln muss: der Handballsupport ist derartig arm an Gesängen, dass man sich viel mehr darauf konzentrieren muss und nicht anderen Zuschauern außerhalb der Spielpausen die Sicht nehmen sollte. Dass erwachsenen Zuschauer nicht vernünftig mit den jungen Leuten reden können, sondern gleich pöbeln und drohen – die größten Schreihälse dabei natürlich Rentner: überall dasselbe Gesindel – ist natürlich ein noch größeres Armutszeugnis; aber schon beim Kartenholen und Eintreten in die Halle haben sich einige derartig bescheuert verhalten, dass einem als Halb-Hallenser nur wieder mal eins dazu einfällt: „typisch Magdedorf“...
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Vor dem Spiel wurde noch der verdienstvolle SCM-Handballer und nun Geschäftsstellenleiter Steffen Stiebler in die Hall of Fame aufgenommen – dass heißt, dass sein Trikot in einer kurzen Zeremonie unter die Verstrebung des Hallendachs gezogen wurde.
Dann legte der SCM gleich mal einen Fehlwurf hin, der von Flensburg ausgenutzt wurde. Ein gutes Spiel entwickelte sich, dass natürlich nicht frei von Fehlern war. Allerdings waren die Fehler der SCM-Abwehr, die oft zu wenig zupackte, nicht gerade berauschend. Sie ließen die Flensburger aber nie davonziehen. Maximal zwei Tore Vorsprung für die Gäste. Vor der Pause schaffte der SCM sogar die Führung. Ein 13:12 war vor allem durch den wie immer hervorragend spielenden Robert Weber zustande gekommen, doch von einer One-Man-Show ist man zum Glück weit entfernt, da er kaum ein Drittel der Treffer erzielt, was von der Verteilung her völlig OK ist. Bedenklich wäre, wenn er die Hälfte oder mehr aller Tore erzielen würde.

Mit Leuten wie Natek, Grafenhorst oder Tönnesen kam auch in der zweiten Hälfte ein ordentliches Spiel mit einigen tollen Toren zustanden. Zu Beginn der zweiten Halbzeit sah es noch nach einem ganz engen Spiel aus, doch nach 40 Minuten führte der SCM dann zum ersten Mal mit drei Toren. 10 Minuten vor Schluss kam richtig Stimmung in der Halle auf: der Vorsprung wurde sicherer. 4 Minuten vor dem Ende war der SCM zum ersten Mal mit 5 Toren weg, was zu Stimmungshöhepunkten wie leichten Sprechchören und ausdauerndem aber monotonem Geklatsche – dazu bei jeder guten SCM-Aktion Jubelstürme und bei jeder Entscheidung der mittelmäßigen Schiedsrichter zuungunsten des SCM laute Pfiffe und Buhrufe – führte. Am Ende stand ein 34:29 Sieg zu Buche, der von den Fans mit ein paar Minuten Applaus und „Oh wie ist das schön...“ quittiert wurde. Der SCM ist dadurch weiterhin auf Platz 7 und Flensburg auf Platz 6 der 18 Bundesligisten. Mehr kann man derzeit nicht verlangen, doch die heutige gute Darbietung lässt konstant gute Leistungen in nächster Zeit erhoffen.
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Statistik:
Ground Nr. 508 (kein neuer Ground; diese Saison: 57 neue)
Sportveranstaltung Nr. 1.198 (diese Saison: 85)
Tageskilometer: 200 (Auto)
Saisonkilometer: 15.220 (10.020 Auto/ 2.290 Bahn, Bus, Tram/ 2.110 Fahrrad/ 800 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 83
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 231

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