Dienstag, 28. Januar 2014

W391II: Groundhopping in Fès

Association Raja Sportif Bensouda (جمعية رجاء بنسودة)
...................................... 2:2 (2:0) ..................................
Association Sportif de Jerada - (الجمعية الرياضية لجرادة)
- Datum: Sonntag, 26. Januar 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: GNF Amateur 2, Groupe Nord-Est [طولة القسم الوطني الثاني هواة - شطر الشمال الشرقي] (2. Amateurliga Nord-Ost, d.h. 4. Marokkanische Fußballliga, 2. Amateurliga)
- Ergebnis: 2-2 nach 97 Min. (48/49) – Halbzeit: 2-0
- Tore: 1-0 5. NN, 2-0 45. + 2 Nr. 31, 2-1 48. Nr. 19, 2-2 83. Nr. 19
- Verwarnungen: Nr. 28 (ARBS); Nr. 20, 23 (ASJ)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Bensouda [ملعب بنسودة بفاس] (Kap. 1.400, davon 400 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 750 (keine Gästefans?)
- Unterhaltungswert: 7,0/10 (Gutes und spannendes Spiel)

Association Chourouk Sportif Fassi (الشروق الفاسي)
.................................. 0:0 (0:0) ..................................
--- Club Ittihad Moulay Abdellah (اتحاد م عبد الله) ---
- Datum: Sonntag, 26. Januar 2014 – Anstoß: 10.30
- Wettbewerb: Quatrième Division Groupe E [E القسم الرابع المجموعة] (Stadtliga Fès, d.h. 7. und unterste marokkanische Fußballliga, 5. Amateurliga)
- Ergebnis: 0-0 nach 94 Min. (47/47) – Halbzeit: 0-0
- Tore: keine
- Verwarnungen: Nr. 4, 15 (ACSF); Nr. 11, 27 (CIMA)
- Platzverweise: Nr. 19 ACSF (84. wg. Schiedsrichterbeleidigung); Nr. 14 CIMA (87. wg. unsportlichen Verhaltens)
- Spielort: Stade Saadienne, Terrain 6 [ملعب السعديين6] (Kap. 1.200, davon 200 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 50 überwiegend neutrale
- Unterhaltungswert: 2,5/10 (Mieses Gekicke mit einigen guten Szenen in Hälfte zwei aber keinen Toren)
  
Photos with English and Arabic Commentary:
a) Amateur Football in Fès: Chourouk v Moulay Abdellah (City Division at Saadienne Stadium, Pitch 6)
b) Amateur Football in Fès: Raja Ben Souda v AS Jerada (North-East Division at Ben Souda Stadium)

Der Sonntag war zwar auch sportlich, aber vergleichsweise ruhig, denn es wurde nur innerhalb der Stadt Fès etwas unternommen. Mit Zaki fuhr ich zum Saadier-Stadion, wo auf allen 6 Plätzen und den zwei Bolzplätzen seit 9 Uhr Hochbetrieb war. Wir suchten blöderweise das beschissenste Spiel aus, da es auf dem schönsten Platz ausgetragen wurde. Neben dem Leichtathletikstadion Platz 3, wo ab 10 Uhr Laufwettbewerbe für Schüler und Kadetten ausgetragen wurden, lohnt sich Platz 6 am meisten: ein Fußballstadion mit fast völlig weggetretenem Rasenplatz und lehmiger Laufbahn sowie rostigem Maschendrahtzaun drumherum, das eine kleine, vierreihige, hochgebaute Tribüne zu bieten hat.

Auf dem Feld gab es einen Grottenkick in der Stadtliga zwischen Chourouk (Horizonte) Fès – auch Zaki wusste nicht, aus welchem Stadtteil die sind – und Ittihad Moulay Abdellah – die sind aus der Mellah und Fans von WAF – zu sehen. In der zweiten Hälfte wurde das Match besser, da es Chancen im Minutentakt gab, doch beide Teams waren völlig unfähig den Kasten zu treffen. In der Schlussphase gab es noch Pöbeleien, die zu zwei Platzverweisen führten. Zaki konnte es nicht fassen, auf welchem Niveau diese beiden Drecksmannschaften waren. Den ersten Platzverweis erklärte er mir so:
„Der von My Abdellah hat ,ich fick deine Mutter‘ gesagt und der andere hat zum Schiri gesagt ,ey Alter, der hat ich fick deine Mutter zu mir gesagt! Hast du das nicht gehört, Schiri? Ey, der hat meine Mutter beleidigt‘ und als der Schiri nicht reagiert hat, hat der ,ach scheiße, fick deine Mutter‘ zu dem gesagt und deswegen hat der die Rote gekriegt.“
Ich meinte nur: „du hast jetzt drei Mal ,fick deine Mutter‘ gesagt – rede mal zuhause auf dem Niveau, mal sehen was Khadija sagt…“
Er daraufhin: „Besser nicht, die klatscht mir eine, wenn ich auch nur einmal ,fick‘ ohne ,deine Mutter‘ dahinter sage…“
Diese gute Erziehung haben die Spieler der beiden sich torlos trennenden Teams aber offensichtlich nicht genossen. Ich übrigens auch nicht in der Form, deshalb habe ich auch kein Problem in diesem Bericht fünf – nein, jetzt sechs Mal – unzensiert „fick“ zu schreiben…  
Nach dem Mittagessen fuhr ich alleine ein zweites Mal los, in die Siedlung 10 in Ben Souda, die nach Siedlung 45 angeblich die übelste Ecke der Stadt ist. Die Häuser entlang der Bahnlinie sind auch angegraut und dreckig, davor streunen hässliche Hunde und zerzauste Kinder spielen in völlig verdreckten Klamotten Fußball auf löchrigen, vermüllten Straßen. Das sind die Viertel in denen man sich als Tourist besser nicht blicken lässt und die die Leute vom Tourismusministerium gerne leugnen wollen. Andererseits belästigte mich niemand und mehrere Typen grüßten mich, da ich die Trainingsjacke von Maghreb Fès anhatte. Und ich konnte auch in Erfahrung bringen, dass das Stadion in der Nachbarsiedlung, der Sportkomplex El Hajj Tajmouati, aufgrund des Bankrottes des privaten Trägers vor sich hin verfällt. Sieht schon kurios aus: zwei Tribünen mit Schalensitzen, eine ordentliche Sporthalle und alles verfällt und wuchert zu…

Das Stadion von Ben Souda ist hingegen in gutem Zustand: allerdings ist der Lehmplatz nicht so toll und etwas dreckig ist es auch und das Stadion sowie die umstehenden, teilweise ganz guten Mehrfamilienhäuser, werden übel von der Bahnlinie beschallt: wenn so ein Zug durchfährt, wackelt es auch auf den Felsen und der achtreihigen Betontribüne. Viele der über 750 Zuschauer platzierten sich übrigens nicht auf der zu kleinen Tribüne, sondern entweder wie ich auf den Felsen oder den vier Meter hohen Mauern.

Stimmung kam leider nur bei den Toren auf, gepöbelt wurde nicht mehr als üblich, aber es entwickelte sich ein gutes Spiel mit vielen Chancen auf der Heimseite: Raja Bensouda konnte eine davon auch per Kopf nach nur fünf Minuten nutzen. Kurz vor der Pause wurde die Abwehr von AS Jerada (Jerada heißt Heuschrecke; ob der Ortsname nicht doch eine andere Bedeutung hat, weiß ich nicht, aber vielleicht haben die Dreckviecher den Ort in der Umgebung von Oujda dauernd heimgesucht) ein weiteres Mal überrumpelt und mit einem Schuss ins lange Eck stand es 2:0.

Die scheinbar einseitige Partie gab Fès-Bensouda in der zweiten Hälfte aus der Hand: ein schneller Anschlusstreffer und ein ausgeglichenes Spiel, in dem der Gast aus Jerada 10 Minuten vor dem Abpfiff noch zum 2:2 kam, folgte. Beide Mannschaften spielten übrigens fair und verhielten sich weitestgehend zurückhaltend: außer gelegentlichem Meckern gab es kaum Regelverstöße.

  
Statistik:
- Grounds: 1.064 (heute 2; diese Saison: 93 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.974 (heute 2; diese Saison: 118)
- Tageskilometer: 40 (40km Fahrrad)
- Saisonkilometer: 33.560 (32.470 Auto/ 1.040 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 1 [letzte Serie: 1, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 391

W391I: Chabab Mrirt v Fath Nador und Neues aus Fès

Club Jeunesse Mrirt (نادي شباب مريرت)
....................... 3:1 (1:1) .......................
Fath Riadi Nador (الفتح الرياضي الناظور)
- Datum: Samstag, 25. Januar 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: GNF Amateur 1, Groupe Nord [بطولة القسم الوطني الأول هواة - شطر الشمال] (Amateurliga Nord, d.h. 3. Marokkanische Fußballliga, 1. Amateurliga)
- Ergebnis: 1-1 nach 96 Min. (46/50) – Halbzeit: 1-1
- Tore: 1-0 39. (11), 1-1 44. (4), 2-1 47. (21), 3-1 60. (3)
- Verwarnungen: Nr. 11, NN (Mrirt); Nr. 5, 15 (FRN)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Municipal de Mrirt [الملعب البلدي بمريرت] (Kap. 1.500, davon 1.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 750 (darunter ca. 5 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 7,0/10 (Gutes Spiel)  
Photos with English and Arabic Commentary:
a) Amateur Football Top Flight: Chabab Mrirt v Fath Riadi Nador (Stade Municipal Mrirt)
b) Middle Atlas: Agourai Kasbah, Oulmes and Mrirt Mountainous Landscape

Es gibt wieder neue Gäste im Haus: ein US-Amerikaner, der in Fès Arabisch lernt und, da sehr sportlich, gleich am zweiten Tag seines Aufenthaltes einen morgendlichen 8km-Lauf mit mir, Mohammed und Zaki ansetzte. Am Freitag trafen wir uns dann mit dem Nachwuchsmetzger Driss, der die Strecke unbedingt noch auf 10km ausdehnen musste. Da ich über das stupide Laufen meckerte, setzten wir für nächste Woche ein Freizeitfußballspiel an – aber dazu später mehr. Bei der Runde am Freitag war v.a. lustig, dass wir die Mellah meiden mussten, da ich mit dem Maghreb-Fes-Trainingsanzug unterwegs war und im ehemaligen Judenviertel (von den vormals mehr als 95% jüdischen Bewohnenern sind nur noch 5% geblieben und nicht in die USA oder Israel ausgewandert) das Islamistenpack von Wydad Fes wohnt. Selbst Muslime behaupten mitunter, dass es ärgerlich ist, dass die mehrheitlich zahlungskräftige jüdische Elite weggezogen ist, da das Viertel seit Jahrzehnten immer mehr herunterkommt. Im Nachbarviertel Batha sieht es besser aus und vor einem der Verwaltungsgebäude lief uns der zur Arbeit hetzende Boss der Ultras Maghreb Fès „Fatal Tigers“ – Najib – über den Weg und feierte mich erstmal ab, da er mich schon mal im Fanblock gesehen hatte (gegen Khouribga) und ihm zuvor noch kein Ausländer mit einem Trainingsanzug des Vereins untergekommen ist. Er ist außerdem ein Kumpel von Mohammed und erstaunlich respektiert, da er die Macht über den Kindergarten in der Fankurve nicht missbraucht, sondern lieber zwischen Fans auf der einen und Sicherheitskräften und Management auf der anderen vermittelt. Das Choreo- und Pyromaterial kommt trotzdem nicht zu kurz… Aber selbst Khadija kennt und schätzt ihn, da er einer von den „1% Vernünftigen in der Siedlung 45 ist“. Wenn ich diese Siedlung mal sehen wollte, die nach Sidi Moumin in Casablanca eine der höchsten Kriminalitätsraten des ganzen Landes hat, solle ich mal mit ihm da hingehen; da kommt mir keiner dumm...

Die anderen Besucher, nach Eric, waren zum Glück nur sehr kurz da, da es in einem Fall um die weniger beliebte Verwandtschaft aus Rish ging und im anderen nur ums Geschäftemachen (Computerverkauf) mit Mohammed. Khadijas Cousin hat in eine Chleuh-Familie eingeheiratet: nicht dass die ein Problem damit hätte, dass dadurch Berber in die ansonsten sehr arabische Familie reingekommen sind – aber die berberische Seite ist typischerweise die konservativste Fraktion in der ganzen Familie. Mohammeds gegelten Haare gefielen nicht und dass ausländischer Besuch da war stieß zwar auf Interesse, aber auf diese nervige Art von verwundertem und verständnislosen Interesse: Ist das denn kein Problem mit der fremden Kultur? Gefällt es ihm wirklich hier? Wieso lernt der eigentlich Arabisch? Als dann auch noch die Frage der berberischen Schwiegermutter von Khadijas Cousin kam: „Ist er Muslim? Nein? Dann lad ihn ein (d.h. bekehre ihn)!“ meinte Khadija nur noch zu ihr: „Hör auf depperte Fragen zu stellen!“ Khadija entschuldigte sich noch bei mir für die peinliche Verwandtschaft „in Rish und Rissani haben die halt keine Ahnung“ – aber das ist mir schon klar, dass ich mich nicht über den schlechten Bildungsstand der Leute dort aufregen muss; das ist halt leider so – und zwar ohne erkennbare Chance auf Verbesserung.

Was den Computerverkauf anging: keinem in der Familie gefielen diese Geschäftspartner; 1. hatte meine Lehrerin Fatima den Computer erstehen wollen, und 2. handelte es sich bei den Mehrbietenden um zwei polizeibekannte Salafisten – und das kommt bei einer anständigen marokkanischen Familie so rüber, wie wenn in einer anständigen deutschen Familie zwei polizeibekannte Neonazis zum Bequatschen eines Verkaufs vorbeikommen. Den Zuschlag für den PC bekam schließlich doch Fatima, wahrscheinlich auch, da Mohammed mit den beiden schon nach einem Tee aus dem Haus ging, da wir drohten, ihn vor den beiden lächerlich zu machen: er solle doch mal das Bild einer befreundeten Kollegin auf seinem Iphone zeigen – eine Marokkanerin mit kurzem Rock würde bei den beiden Salafisten gleich Skandalgeschrei auslösen…
Khadija setzte noch einen drauf und meinte: „Simo! Wenn die nicht nach einem Glas Tee weg sind, schocke ich die richtig und erzähle, wie gut ich das finde, dass unser deutscher Gaststudent und Freund letzten Sonntag mit meiner Schwester zum Fußball gefahren ist und die nicht zum ersten Mal etwas zu zweit unternommen haben…“
Leider bekam Khadija keine Gelegenheit zu diesem Gag, da Simo die zwei Bartgeier schnell wieder nach draußen begleitete: so eine Konfrontation wäre der Knaller gewesen, da die zwei bei der Begrüßung schon demonstrativ an Khadija vorbeiguckten, da sie „nur“ Kopftuch (Hijab) und nicht etwa Gesichtsschleier (Niqab) trägt – und wenn sie dann auch noch gehört hätten, dass ein „Fräulein“ aus der Familie in Begleitung eines nicht-muslimischen Ausländers verreisen und Fußballgucken darf, hätten die sich nicht mehr zurückhalten können, der Familie den „rechten Glauben“ abzusprechen. Denn viele Salafis sind der Meinung, dass selbst Freundschaften zwischen männlichen Muslimen und einem z.B. Christ gegen das verstoßen, was sie „marokkanische islamische Kultur“ nennen. Dass die Salafia eigentlich nur einen Abklatsch einer saudi-arabischen Kultur bildet, die ein stärkerer Fremdkörper in Marokko ist als die französische Kultur, ist solchem Abschaum nicht einmal bewusst, da sie zu dumm sind, einzusehen, dass auch die Salafia den erstrebten Lebensstil des Propheten Mohammeds (der übrigens sehr wohl Kontakte zu Christen und Juden gepflegt haben muss) aufgrund der zeitlichen Distanz und veränderten sozialen und politischen Situation nicht nachbilden kann.  
Samstag fuhr ich mit einigen aus der Familie nach Ain Chgag, wo sich jetzt dank Driss‘ algerischer Kohle endlich etwas am Familienhaus tut. Ich fuhr alleine weiter, da sich die Kinder gegenüber Khadija zu blöd verhalten hatten im Laufe dieser Woche, sodass sie ein Reiseverbot für alle vier verhängte.

Von Ain Chgag ging es nach Westen über El-Hajeb in das mittelgroße Dorf Agourai, wo es eine stattliche Kasbah mit verziertem Haupttor, fast mittig platzierter Moschee, aber völlig schmucklosen Wohnhäusern im Inneren gibt. Von dort bis Ras Jerry waren die Straßen durch Bauarbeiten schwierig zu fahren, aber nach Erreichen der Landesstraße nach Oulmes wurde es eine sehr schöne Fahrt. Die Straßen sind zwar eng und anspruchsvoll, aber fast völlig leer und v.a. schlängeln sie sich durch herrliche Landschaft. Tiefe Täler und Schluchten, Gebirgsbäche, Nadelwälder, hoch aufragendes Mittelgebirge und ab und an sieht man im Hintergrund die Spitzen des Hochgebirges. Mittlerweile ist auch die Straße von Oulmes nach Mrirt (bis auf die letzten 500m zur Landesstraße Meknes – Mrirt) asphaltiert und führt (noch enger) durch fast gleichermaßen schöne Landschaft.

Mrirt erreichte ich schon nach 5 Stunden Fahrt, sodass ich lässig in eines der beiden Restaurants der Stadt einkehren konnte: gute Ziegen-Tajine (inklusive Wasser) für 40 Dirham. Der Ort ist absolut gesichtslos und hässlich. Am Rande expandiert das Kaff, da Beduinen sesshaft werden und Dorfbewohner der Umgebung zuziehen. Entsprechend ist auch die Atmosphäre im Stadion. Ständig derbe Beleidigungen gegen die nicht einmal anwesenden Mütter der Spieler - untereinander mehrere kleine Schlägereien - zwei Versiffte betteltenden mich an „Haste ma ‘n Dirham“ woraufhin ich sie auf die Bonzen vom Vorstand auf der Ehrentribüne verwies, was für Gelächter bei den Umsitzenden sorgte, die es aber natürlich nicht für nötig hielten, die beiden von sich aus wegzuschicken…

Vom Stadion aus hat man einen netten Blick in die gebirgige Landschaft. Die besagte Ehrentribüne ist ganz ordentlich geworden und auf den Sozialtrakt gebaut. Die beiden anderen Tribünen sind baugleich und vierreihig, leicht erhöht, gegenüber aufgestellt. Hinter den Toren und rechts und links des Sozialgebäudes kann man sich noch ebenirdisch hinstellen, was v.a. in der zweiten Hälfte viele Zuschauer machten. Insgesamt waren gut 750 anwesend, die erschreckend wenig Stimmung machten. Nur eine Handvoll Dorfjugendlicher ging gut ab.

Das Spiel an sich war recht sehenswert, wobei nach einer frühen Drangphase der Gäste, der Gastgeber das Heft in die Hand nahm. Es dauerte aber bis kurz vor den Seitenwechsel, ehe eine weite Flanke einen Abnehmer fand und zum 1:0 eingeschoben wurde. Fünf Minuten später fiel fast mit dem Pausenpfiff das flach eingeschossene 1:1. Nach der Halbzeit war fast nur noch Mrirt am Drücker und der Gast aus Nador konterte ab und an erfolglos. Schon nach 15 Minuten in Spielabschnitt zwei mussten sie die Entscheidung hinnehmen. 3:1 für Mrirt und außer einem sinnlosen Flaschenwurf von den Heimfans und der entsprechenden Show der ohnehin viel zu oft reklamierenden Rif-Kabylen aus Nador gab es keinen Zwischenfall auf dem Feld.

Die Rückfahrt gestaltete ich natürlich weniger spektakulär als die Hinfahrt: die sehr gut ausgebaute aber nicht allzu interessante Landesstraße Mrirt – Meknes fuhr ich bis zum Abzweig nach El-Hajeb, wo sich die Rundfahrt um diesen Bereich des Mittleren Atlas (ab Rommani bzw. Maaziz schließt er dort an das kleinere Mittelgebirge Zaer an) schloss. In Ain Chgag, das ich über kleine Umwege anfuhr um noch weitere Strecke zu sehen, gab es dann Abendessen.  
Statistik:
- Grounds: 1.062 (heute 1; diese Saison: 91 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.972 (heute 1; diese Saison: 116)
- Tageskilometer: 440 (440km Auto)
- Saisonkilometer: 33.520 (32.470 Auto/ 1.000 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 1 [letzte Serie: 4, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 391

Dienstag, 21. Januar 2014

W390I-II: Fußball-Winter in Marokko; 2:0 bei Minus 2 Grad in Boulemane und Torlose Rutschpartie in Chefchaouen

Football Club Bab Taza (نادي إف سي باب تازة)
............................ 0:0 (0:0) ............................
----- Club Wifaq Amsa (نادي وفاق أمسا) ------
- Datum: Sonntag, 19. Januar 2014 – Anstoß: 14.50
- Wettbewerb: Ligue du Nord, 4ème Division d'honneur; Groupe A [A القسم الشرفي الرابع المجموعة] (Kreisunionsliga Chefchaouen/ Tetouan/ Larache; d.h. 6. Marokkanische Fußballliga, 4. Amateurliga)
- Ergebnis: 0-0 nach 93 Min. (46/47) – Halbzeit: 0-0
- Tore: keine
- Verwarnungen: Nr. 6, 14 (beide Amsa)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Municipal de Chefchaouen [الملعب البلدي بالشاون] (Kap. 1.500 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 75 (darunter ca. 35 für Bab Taza und 10 für Amsa)
- Unterhaltungswert: 5,0/10 (Also die gaben ja wirklich ihr Bestes, sodass es nicht langweilig wurde – aber sowas von unfähig vorm Kasten, alle 22 Flaschen…)

Association Union Guigou (جمعية اتحاد كيكو)
.......................... 2:0 (1:0) ............................
-- Club Ittihad Tandite (نادي اتحاد تانديت) --
- Datum: Samstag, 18. Januar 2014 – Anstoß: 14.15
- Wettbewerb: Ligue du Centre Nord, Quatrième Division Groupe A [A القسم الرابع المجموعة - عصبة وسط الشمال] (Kreisunionsklasse Boulemane/ Sefrou; d.h. 7. Marokkanische Fußballliga, 5. und unterste Amateurliga)
- Ergebnis: 2-0 nach 95 Min. (45/50) – Halbzeit: 1-0
- Tore: 1-0 12. (7), 2-0 91. (11)
- Verwarnungen: Nr. 1, 2, 5, 6, NN (alle Tandite)
- Platzverweise: Ersatztorwart auf der Wechselbank von Tandite (85. Min., Schiedsrichterbeleidigung)
- Spielort: Stade Municipal de Boulemane [الملعب البلدي ببولمان] (Kap. 1.500, davon 750 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 50 (darunter ca. 25 aus Guigou und 3 aus Tandite)
- Unterhaltungswert: 5,0/10 (Erwartet niedriges Niveau – war ja auch unterste Liga und schwierige Bedingungen – aber wirklich unterhaltsam)  
Photos with English and Arabic Commentary:
a) Amateur Football, 7th Level at Boulemane Stadium: Ittihad Guigou v Ittihad Tanadite
b) Amateur Football, 6th Level at Chefchaouen Stadium: FC Bab Taza v Wifak Amsa
c) Middle Atlas: Sefrou, Boulemane, Tichoukt Valley (Taferdoust, Skoura)
d) Rif-Mountain Range: Chefchaouen, Oued El Makhazin, Bouhachem Natural Reserve

Wintereinbruch mit Sturmfluten, sintflutartigen Regenfällen in weiten Teilen Marokkos und Schneefall in den Höhenlagen. Klingt nach deutschem Wetter und in Sachen Fußball nach einer Flut von Absagen und Ausfällen – doch natürlich nicht in Marokko! Das Wetter war zwar wirklich so scheiße wie bei uns, doch beide anvisierten Fußballspiele fanden statt!

Kurz vor diesem Winterwochenende und nach 18.000km in 11 Wochen ist Driss, der Vater meiner Gastfamilie, wieder aus Algerien zurückgekehrt, wo er als Kunsthandwerker Aufträge für algerische Häuslebauer und Ämter, die z.B. ihre Türstürze mit Steinmetzarbeiten oder ihre Innenhöfe mit bunten, historischen Fliesenmustern haben wollen, ausgeführt hatte. Außer den üblichen Problemen bei der Ein- und Ausreise mit den verkommenen algerischen Behörden (erst langwierige Visabeschaffung und dann musste er seine Bezahlung in bar außer Landes schaffen, da Geldtransfers verboten sind) konnte er nur Gutes berichten. Da er erstmal Ruhe brauchte, war die Motivation der gesamten Gastfamilie bei den Wochenendtouren mitzumachen sehr gering. Als dann auch noch ein heftiges Regengebiet hereinzog, ging sie gegen Null, da viele Marokkaner bei Regen lieber zuhause bleiben. Bei Schnee rennen alle begeistert raus, aber bei Regen – der auch nicht viel häufiger ist als Schnee – wird nur Verpflichtungen nachgegangen und wenig dem Vergnügen. Allerdings jammern Marokkaner nie über Niederschlag, da er (selbst im Norden) doch sehr viel seltener als bei uns in Deutschland vorkommt…

Also alleine zu einer Partie der siebten und untersten Fußballspielklasse! Bei Adrare.Net findet man unter der Rubrik „Sport“ selbst die Ansetzungen der meisten unteren Spielklassen und da ich noch nie am Südende des Bundeslandes (Region, Djiha) Fès-Boulemane, nämlich dem Landkreis (Province, Iqlim) Boulemane war, entschied ich mich, dort ein Spiel zu gucken.

Bis Sefrou geht es über eine sehr gut ausgebaute Bundesstraße zügig voran, dann wird die N13 eng und schlecht. Durch kahle Hochebenen und kleine Waldstücke geht es recht abwechslungsreich voran. Die Idee über Mischliffen, Timahdite und Guigou nach Boulemane zu fahren musste ich am Tizi-n-Tretten aufgeben: ich hatte es befürchtet, da kurz hinter Sefrou Schneeregen einsetzte, was ordentlichen Schneefall in Ifrane bedeutet. Der Räumdienst war zwar fleißig mit französischen Material unterwegs, aber die Schneeverwehungen am Pass Tizi-n-Tretten bekamen sie nicht weg. Also wieder zurück und im wenig sehenswerten Boulemane, das aber auf 1.700m von umso sehenswerteren Bergformationen umgeben liegt, am Stadion vorbei in eine extrem enge und schlechte Nebenstraße rein. Bis Skoura sind es hin und wieder zurück 54km. Das Tichoukt-Massiv weiß durch tolle Felsformationen und tief eingeschnittene Wadis zu gefallen. Vereinzelt tauchen berberische Bergdörfer auf: Lehmhäuser in braun und Betonbauten in grau, die spektakulär in den Berg – oft knapp oberhalb stattlicher Schluchten – geknallt wurden. Besonders schön ist das auf halben Weg zwischen Boulemane und Skoura auf einem Mäander gelegene Taferdoust. Auch besagtes Skoura (Skoura M’daz, nicht Skoura bei Ouarzazate) liegt toll auf einer Hangkante oberhalb der Flussschlucht.  
In Boulemane zurückgekommen ging es gleich zum Stadion. Ein bisschen mit den Betreuern der Gastgeber gequatscht und dann auf die blau-rot gestrichene und sehr steile Betontribüne. Die Mannschaft aus Boulemane spielte erst Sonntag, doch der Siebtligist aus dem 25km entfernten Alm-Dorf Guigou hat nur einen Kleinfeldplatz auf der Kuhweide – Boulemane hingegen einen Lehmplatz mit ordentlichen Großfeldmaßen, der mittlerweile auch von einer ordentlichen Tribüne flankiert ist. Heute war leider nicht das Wetter für eine Aufnahme vom gegenüberliegenden Berg wie diese

Im Stadtstadion von Boulemane (Buhlmahn oder auch Pullman gesprochen) fanden sich erwartungsgemäß nur 50 Zuschauer ein, die bei 2 Grad unter null unterklassigen Fußball sehen wollten. In Deutschland hätte bei den Temperaturen, dem scharfen Wind und dem Schneeregen wahrscheinlich niemand gekickt – aber die 22 Amateure, die in Ermangelung eines zweiten Trikotsatzes bis auf die Torhüter durchweg kurzärmlig und ohne lange Hosen unter den Shorts spielten, schlugen sich wacker auf dem knochentrockenen und von kleinen Steinen übersäten Lehmplatz. Viele Lehmplätze in Marokko sind ja angenehm sandig, sodass die Verletzungsgefahr geringer als auf Kunstrasen ist – aber der Acker ist einfach mal das Letzte!

Das Almdorf Guigou trat jedenfalls gegen die Elf aus dem Oasendorf Tandite (auch Tanadite, Tanedite oder Tandit geschrieben: neben der Bundesstraße N15 von Midelt nach Oujda zwischen Missour und Guercif gelegen) an, die eine komplizierte 120km lange Anfahrt über Outat El-Haj und abenteuerliche Bergstraße nach Boulemane hinter sich gebracht hatte. Ittihad Tandite ist eigentlich die zweite Mannschaft von Wifaq Tandite, die eine Liga höher erfolgreicher kickt und aufgrund eines Heimspiels den Mannschaftsbus (klappriger 20-Sitzer) zur Verfügung stellte.

Ittihad war vor dem Spiel Vorletzter und Guigou Letzter mit 0 Punkten – doch Veränderungen deuteten sich von Beginn an an. Guigou war offensiver und konnte schnell in Führung gehen, die Mehrzahl der Chancen gehörte ihnen, die Fehlpassquote und die Querschläger waren nicht ganz so schlimm wie bei Tandite. Nach dem Seitenwechsel das gleiche Bild. In der Schlussphase, als das Spiel drohte langweilig zu werden, fing der Gast dann an, den Scheiß-Verlierer rauszuhängen: Pöbeleien zwischen der Dorfjugend und Gästespielern auf dem üblichen Niveau der strohdummen Landjugend, bei denen es immer um das Ficken von nahen Verwandten gehen muss… Der Ersatztorwart der Gäste bekam jedenfalls auf der Ersatzbank hockend die rote Karte gezeigt und nachdem in der Nachspielzeit das 2:0 ins lange Eck gelegt wurde, gab es noch vier gelbe Karten gegen die meckernden und pöbelnden Gäste…

Eigentlich wäre ich nach dem Spiel noch gerne beim Handball in Sefrou aufgekreuzt, aber aufgrund der Afrikameisterschaft – an der auch die marokkanische Nationalmannschaft teilnimmt – wurden alle Pokalspiele des Wochenendes auf das nächste oder übernächste verlegt. Na ja: ich wollte eh lieber mal in Fès oder Tanger wegen der guten Stimmung gucken und man muss dem Verband immerhin lassen, dass er es trotz seines katastrophalen Zustandes (Präsidiumsrücktritt, Korruptionsfälle und dadurch extrem später Saisonstart etc.) geschafft hat, diesen Pokalspieltag zwei Tage im Voraus zu verlegen, sodass ich an der an der Hauptstraße gelegenen Sporthalle von Sefrou locker vorbei fahren konnte und ohne Stress gegen 18 Uhr in Fès war. Bei den Eltern von Khadija zum Essen eingeladen, lernte ich dann auch mal ihren ältesten Bruder Abdallah und dessen Frau kennen.  
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Am Sonntag regnete es immer noch und am Abend hatte sich Besuch aus den USA angekündigt, sodass mich auch nach Larache/ El-Aouamra niemand aus der Familie begleitete, obwohl es für Fayza erst der zweite freie Tag in sieben Wochen war (was selbst in Marokko, obschon üblich in vielen Firmen, nicht wirklich gesetzeskonform ist) und sie deshalb mit mehr Besuchern rechnete. Die 210km lange Strecke benötigte aufgrund der gefährlichen regennassen bzw. teilweise gefluteten Fahrbahn und des Dauerregens etwas mehr Zeit als letztes Mal, obwohl ich die Route schon auswendig kenne, sodass ich keine fünf Minuten nach 9 Uhr eine dieser typischen besorgt-drängelnden SMS einer pünktlichen Marokkanerin (und es sind gar nicht so wenige Marokkaner strikt pünktlich wenn sie sich mit Europäern treffen!) auf dem Handy hatte…

Wir fuhren über Ksar El-Kebir am Stausee Oued El Makhazine, der spektakulär zwischen steil aber nicht senkrecht abfallenden Bergen liegt, vorbei nach Chefchaouen. Die blaue Stadt ist nicht nur ziemlich von Touristen frequentiert, sondern auch bei Marokkanern sehr beliebt, wobei sie dort zum ersten Mal war. Ich nutzte den zweiten Besuch v.a. um neue Ecken der Kleinstadt in spektakulärer Berglage (der Ortsname bedeutet: „Schau dir die Berggipfel an“) zu besuchen: einen Teil der Altstadt mit ihren charakteristischen blau-weißen Häusern, die Oberstadt mit der zur Abwechslung mal braunen Stadtmauer, und die Festung (Kasbah) von innen; dort kann man sich für 10 Dirham ein kleines ethnologisches Museum angucken, in einem sehr gepflegten Garten im inneren der Festungsmauern herumlaufen und auf den Wehrturm steigen, der die ganze Altstadt überblickt.  
Es gibt auch so etwas wie eine Neustadt, die wir von unserem Picknickplatz in der Nähe des Hotels „Atlas“ gut sehen konnten: auch dort sind die meisten Häuser in blau gehalten und auch das Stadion (der Kleinfeldplatz am Rande der Altstadt bei der Quelle Ras El Ma wird nicht für den Spielbetrieb genutzt!) befindet sich dort. Im Malaab al-Balady (Stadtstadion) sind natürlich auch die Tribünen, Mauern und Eckfahnen blau und weiß. Allerdings nicht in so kräftigem blau wie die Altstadthäuser, denn von allen Tribünen blättert die Farbe ab. Alle Tribünen – der überdachte Mittelbereich der Hauptseite, die rechts und links davon abgetrennten unüberdachten Sektoren und die zwei Tribünen der Gegenseite – haben sechs Reihen massive Betonstufen die im Wechsel blau und weiß gestrichen sind. Auf dem teilweise etwas überwucherten und von blauen sowie mehreren stadttorähnlichen Eingängen versehenen Mauern umgebenen Sportgelände befindet sich auch noch ein Bolzplatz (heißt in Marokko „Minifoot“) mit Handballtoren und kleiner Tribüne.

Leider spielte nicht die Heimmannschaft Ittihad Chaoueni in ihrer 5. Liga sondern eine Liga tiefer der FC Bab Taza, ein Dorf im Landkreis Chefchaouen, knapp 25km südlich der Kreishauptstadt. Der Gegner war heute eines der drei Teams aus Amsa, einem Ortsteil von Tetouan und gut 75km bzw. zweieinhalb Stunden über enge Gebirgsstraßen weg. Die Trikotfarben der Gäste gingen ja noch mit gelb und grün, doch bei der Farbwahl der nominellen Heimelf konnte sich selbst Fayza einen Spruch nicht verkneifen: „Also ich bin für Bab Taza, weil das eine Mädchenmannschaft ist: rosa Trikots und hellblaue Stutzen habe ich bisher nur beim Frauenfußball gesehen…“

Das Spiel fing mit 20 Minuten Verspätung an, da der Unparteiische anordnete, die größten Pfützen auf dem matschigen, fast völlig weggetretenen Rasenplatz mit Besen zu verteilen, sodass der Ball nicht so stark gebremst wird. Der Platz war schwer bespielbar, aber eine Verlegung stand nicht zur Debatte. Es gab nur noch ganz geringen Niederschlag und Bab Taza wie auch Amsa hätten auch bei besserem Wetter kein besseres Spiel abgeliefert…

So schlecht war es insgesamt gesehen aber nicht: beide spielten schnell und offensiv, zeigten vollen Einsatz sodass sich fünf Mal jemand packte und durchnässt aus einer der Pfützen aufstand; nur gleichwertig wie sie waren, kamen sie wenig in die Strafraum und die Distanzschüsse aus 20 und mehr Metern gingen alle weit daneben. Die Schüsse von innerhalb des Strafraums wurden abgeblockt oder an den Pfosten oder das Außennetz gesetzt. Amsa erzielte auch schon nach 15 Minuten ein Abseitstor. Am Ende traf aber niemand regulär den Kasten, sodass es 0:0 hieß, was in Marokko leider deutlich häufiger als in Deutschland vorkommt. In den Amateurligen (v.a. auf Kreisebene) fallen jedoch mehr Treffer und in den drei Staffeln der 6. Liga Nord war es das einzige torlose Unentschieden dieses Wochenende, was von Fayza passend kommentiert wurde: „Also wenn hier in den oberen Ligen keine Tore fallen, dann kommt das durch die defensive Spielweise, weil die Angst vor der Niederlage haben. Aber wenn auf der Amateurebene keine Treffer erzielt werden, dann kommt das, weil die so ungeschickt den Ball behandeln wie ich…“

Dass hier zwei hauptsächlich aus Berbern bestehende Dorfmannschaften kickten, merkte man übrigens nicht am Verhalten auf dem Platz – es wurde zwar bei jedem noch so klaren Regelverstoß „wa l-hakam“ (boah, Schiri) gerufen, aber es gab keine derben Beleidigungen – sondern nur auf den Rängen. Dass außer Fayza keine einzige Frau unter den über 70 Zuschauern im Stadion war, ist ungewöhnlich – aber in so einer konservativen Ecke wie dem Rif vielleicht doch eher üblicher als in den arabischen Städten (Fes, Rabat, Meknes etc.) oder auch den berberischen Atlas-Orten (v.a. Khenifra und Beni Mellal wo mehr Frauen als sonst in Marokko ins Stadion gehen). Blöd zu quatschen wagte keiner, aber dass wir - wie es in vergleichbaren Orten überall in Deutschland auch passieren würde - dämlich und deutlich angeglotzt wurden, ist auch nicht typisch für Marokko. Selbst Bab Taza-Spieler auf der Wechselbank drehten sich auffällig nach ihr um und tauschten Kopfbewegungen aus die nicht nur in Marokko „guck dir die mal an“ heißen. Fast alle auf der Tribüne guckten ihr hinterher als sie sich zum Nachmittagsgebet kurz vor der Halbzeit etwas entfernt von den vereinzelten betenden Männern hinter den Parkplatz zum Beten begab. Und einige Alte schräg hinter mir hörte ich nur mit Blick auf mich tuscheln „… huwa ma kiysallish [der betet nicht]...“ – obwohl sie selber nicht mal in der Pause ihr Gebet verrichteten…  
Die Rückfahrt legte ich anders: über El-Hamra durch den Naturpark Bouhachem nach El-Ayisha, wo die Straße nach Larache zurückführt. Schon kurz vor El-Hamra gab es den üblichen Stress mit dem Polizei aus dem Rif, wobei uns wohl nur ein Übereifriger mit frischem Abschluss von der Polizeischule anhielt, der gar nicht auf Bestechung aus war, sondern wirklich nur ganz korrekt die Dokumente kontrollieren wollte:
Polizist: Friede und Gottes Segen sei mit euch. Die Fahrzeugpapiere bitte!
Ich [gebe ihm Fahrzeugschein und Zolldokument]: Auch mit Ihnen sei Gottes Segen!
Polizist [liest ordentlich durch]: Du bist Deutscher, ja? Wer ist die Dame neben dir?
Ich [gucke zu Fayza, deren Gesichtsausdruck mir sagt: „bring jetzt bloß keinen Gag mit Ehefrau“]: Meine Freundin. Wieso?
Polizist: Kein Problem. Aber ich muss deinen Reisepass, internationalen Führerschein und Versicherung sehen.
Ich [gebe nur Pass und Führerschein hin]: Bitte sehr.
Polizist [kurzer Blick in die Dokumente]: OK, nur noch die Versicherung, bitte.
Ich [werde langsam unruhig während Fayza neben mir schon kreidebleich wird, da wir beide selbst zusammen kein Geld für das Benzin für meine Rückfahrt hätten, wenn er uns jetzt einen Strafzettel ausstellen würde]: Moment. Die ist hier. Irgendwo. Weiß nicht… Das hier glaube ich. [Ich reiche ihm die ungültige Grüne Karte, die meine beschissene deutsche Versicherung nicht für Marokko validieren wollte]
Polizist: Ja, genau. Die Grüne Karte meinte ich. [Guckt etwas drauf herum, dreht sie noch mal um und nickt]. Alles klar. Gute Fahrt!
Ich: Auf Wiedersehen! [Fahre an, biege gen Bouhachem ab]. Fayza [nach einer Minute Sprachlosigkeit über mein breites Grinsen]: Kein Gott außer dem Herrn… Was hast du mir denn erzählt? Du hast ja doch eine Versicherung! Und was lachst du denn so?!
Ich: Ich habe eine Versicherung, die ist aber nicht in Marokko gültig, es ist auch erst das zweite Mal in 20.000km in Marokko, dass einer die Versicherung sehen will und ich habe dir auch schon gesagt, dass ich nicht die marokkanische Versicherung für ausländische Fahrzeuge löse, da sie reiner Betrug ist [kostet das Vierfache einer deutschen Teilkasko und nutzt eigentlich nichts, da bei einem Unfall alle Beteiligten der Gegenseite die Schuld auf den Ausländer schieben, was jeder Polizist für ein bisschen Bestechung so eidesstattlich versichern würde].
Fayza [lacht los]: Gott sei Dank, dass er nie Deutsch gelernt hat und deine Dokumente nicht richtig verstehen kann!

Der Schreck an der Straßenkontrolle lohnte sich, denn der Naturpark Bouhachem, den wir mit dem letzten Licht des Tages noch durchfuhren, ist eine der schönsten Ecken Marokkos. Der Westrand des Rifgebirges ist fast gänzlich unbesiedelt zwischen der Stadt Chefchaouen und dem Umland von Larache. Hier winden sich enge Asphaltstraßen und Schotterwege durch ruhige Bergtäler, über kleine Gebirgsbäche und bewaldete Höhenzüge. Hier sind auch nicht nur Nadelbäume vorzufinden, sondern auch etliche Laubbäume wie Buchen und Birken, die dem ganzen Gebirge einen europäischen Anschein – irgendwas zwischen Böhmen und Balkan – geben.

Ich brachte Fayza noch zur Firmenwohnung und fuhr dann nach Fès zurück, wo ich Mitternacht ankam. Wahrscheinlich gehen an einigen Sonntagen im Februar noch mal Groundhoppingtouren zum Fußball und auch endlich mal Handball im Nordwesten Marokkos mit ihr: wenn die Firma frei gibt, ist sie nämlich auch sehr gerne auf Sportstätten unterwegs. Und auch wenn Sportbegeisterung unter Frauen in Marokko mindestens genauso oft wie in Deutschland zu finden ist und Fayza sogar mehr Ahnung vom Sport hat als die meisten deutschen Frauen die ich kenne, ist es für sie ungleich schwieriger, mal einfach zum Fußballgucken irgendwo ins Stadion zu gehen: es ist zwar keineswegs verboten, aber selbst sie geht nicht ohne einen ihrer Brüder (die wohnen jetzt aber alle zu weit weg) oder eben mich zu einem Männerspiel, da sie nicht nur (v.a. in Stadien in kleineren Orten) ziemlich schief angesehen werden würde, sondern sogar blöd angelabert...  
Statistik:
- Grounds: 1.061 (Samstag 1 neuer, Sonntag 1; diese Saison: 90 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.971 (Samstag 1, Sonntag 1; diese Saison: 115)
- Tageskilometer: 1.080 (Samstag 350km Auto, Sonntag 730km Auto)
- Saisonkilometer: 33.080 (32.030 Auto/ 1.000 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: keines [letzte Serie: 4, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 390

Dienstag, 14. Januar 2014

W389II: Stressiger Sonntagsausflug nach Casa

Youssoufia Club Berrechid - (النادي الرياضي ليوسفية برشيد)
..................................... 1:1 (0:0) ......................................
Jeunesse sportive de Kasbat Tadla (نادي شباب قصبة تادلة)
- Datum: Sonntag, 12. Januar 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: Botola 2/ GNF 2 [2 البطولة الوطنية المغربية] (d.h. 2. Marokkanische Fußballliga, Halbprofiliga)
- Ergebnis: 1-1 nach 95 Min. (47/48) – Halbzeit: 0-0
- Tore: 0-1 47. Alex Kwasi, 1-1 77. Kamal Ait El-Hajj
- Verwarnungen: Nr. 2, 4, 17, 24 (CAYB); Alex Kwasi, Nr. 2, NN (JSKT)
- Platzverweise: Nr. 24 von CAYB (69. wg. groben Foulspiels)
- Spielort: Casablanca; Stade Père Jégo [ملعب الأب جيكو] (Kap. 10.000, davon 7.500 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 250 (darunter ca. 20 Kasbah-Tadla Fans, der Rest fast ausschließlich Berrechid)
- Unterhaltungswert: 6,0/10 (Nach mäßiger erster Halbzeit folgte eine gute zweite)

Chabab Essoukhour Assaouda (شباب الصخور السوداء)
................................... 1:4 (1:2) ..................................
Club Hilal Athletique Mohammedia (الهلال للمحمدية)
- Datum: Sonntag, 12. Januar 2014 – Anstoß: 11.00
- Wettbewerb: Division Pré-Honneur Groupe D [D القسم ما قبل الشرفي المجموعة] (Stadtklasse Casablanca, Gruppe D; d.h. 6. Marokkanische Fußballliga, 4. Amateurebene)
- Ergebnis: 1-4 nach 95 Min. (47/48) – Halbzeit: 1-2
- Tore: 1-0 19. (23), 1-1 27. (23), 1-2 28. (24), 1-3 71. (NN), 1-4 85. (NN)
- Verwarnungen: 2x Nr. 14, Nr. 16 (CEA); Nr. 6, 7, 8 (CHAM)
- Platzverweise: Nr. 14 von CEA (87. wg. wiederholtem Foulspiels)
- Spielort: Stade Raja Roches Noires [ملعب رجاء الصخور السوداء] (Kap. 5.000, davon 4.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 75 (darunter ca. 5 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 6,5/10 (Ganz ordentlicher Amateurkick)  
Photos with English and Arabic Commentary:
a) Chabab Essoukhour Assaouda v Hilal Mohammedia, Amateur Football at Stade Roches Noirs
b) Youssoufia Berrechid v Chabab Kasbah Tadla, 2nd Division at Stade Pere Jego

Als die Planung für den Sonntag bei Tisch bequatscht wurde, klang das am Freitag so:
Rita: „Berrechid? Wieso willst du zur Klappsmühle? Du bist doch viel vernünftiger als die anderen Jungs!“
Ich: „Hä? Klappsmühle?“
Rita: „Ach so, du willst die anderen Jungs dahin bringen! Das ist natürlich gut so!“
Nachdem Rita von Khadija ihr übliches „halt die Klappe und iss“ zu hören bekam, erklärte sie mir auch, warum man in Fès besser nicht „nach Berrechid“ sondern „in die Stadt Berrechid“ sagt, wenn man zu einem Spiel von Youssoufia will: die Irrenanstalt in Fès heißt nämlich genau wie die Stadt bei Casablanca, die eher für Industrie wie Getränkeabfüllung bekannt ist…

Bevor ich dort hin fuhr, fuhr ich über Casablanca und dort von der A3 in Roches Noires ab. Der Stadtteil heißt Arabisch As-Soukhour As-Saouda, was natürlich auch „Schwarze Felsen“ bedeutet. Casanoir, sag ich da nur… Der Stadtteil ist auch stark von einfachen Plattenbauten und unordentlichen Straßenzügen geprägt.
Dazu passend das Stadion: ein großes, angegrautes Eingangsportal mit abblätterndem Raja-Wappen (Raja hat hier ein Jugendtrainingszentrum), die gewaltige überdachte Tribüne hat nur noch wenige ihrer Holzsitze zu bieten, auf den drei anderen (ausbautenlosen) Seiten wuchert es ziemlich, was man vom harten Lehmplatz nicht behaupten kann. Auffällig ist, dass sich der Platzwart mit der Begrünung im Tribünenbereich sehr Mühe gegeben hat. Den Vokuhila-Typen lernte ich dann auch mal kennen, weil er wissen wollte ob ich von der Presse bin und mit den Bildern Druck auf Raja aufbauen will, dass sie dieses Jugendfußballzentrum in Roches Noires besser pflegen. Normalerweise stellt keiner so blöde Fragen in Marokko, das war ja fast wie in Deutschland – aber nur fast, denn hier ist die Begrüßung mal wieder viel höflicher gewesen…

Das Spiel der untersten Amateurliga wusste ganz gut zu gefallen: die Heimmannschaft Jeunesse Roches Noires wurde vom Gegner aus dem benachbarten Mohammedia, der seinen Vereinsnamen nirgendwo übersetzt (Hilal müsste mit Croissant - also Halbmond - wiedergegeben werden), stark unter Druck gesetzt. Das erste der fünf Tore des heutigen Tages erzielten aber dennoch die Schwarzen Felsen. Mit einem Doppelschlag, davon ging ein Treffer durch ein Loch im Netz, hieß es aber bald 1:2 und nach der Pause konnte Hilal Mohammedia auf 1:4 davonziehen. Essoukhour Assaouda beendete den weitestgehend fairen aber ab und an von Gemecker gestörten Kick zu zehnt.

Wahrscheinlich ist Roches Noires ein Stadtviertel für zugewanderte Provinzler, denn nicht nur der Platzwart interessierte sich für mich, sondern auch eine ganze Jugendmannschaft, die das 9-Uhr-Spiel gemacht hatte. Die kasperten natürlich rum, wie die durchschnittlich ungebildeten Teenager das halt tun, aber ihr Trainer bremste die U15 überraschend deutlich aus, als sie mir erzählten, dass sie neben den ganzen positiven Dingen wie Weltklasse Fußball, moderne Autos, starke Wirtschaft, fleißige Arbeiter auch Hitler mit meinem Land verbinden. Auch die Frage nach der Religion unterband er streng, bevor ich antworten konnte. Dass er Gymnasiallehrer ist, wie er danach kurz erzählte, merkte man schon vom ganzen Auftreten.  
Weiter ging es ins 20km entfernte Berrechid. Dort stellte ich erst erstaunt fest, wie sauber und gepflegt hier die Hauptstraßen sind und wie ordentlich die Parkanlagen – und dann stellte ich fest, dass ich doch mal die Ansetzungen richtig hätte lesen sollen: denn bis Ende letzten Jahres spielte Youssoufia Berrechid immer in ihrem Stadtstadion Stade Municipal, doch seit hier umgebaut wird, müssen sie ins Pere Jego Stadion in Casablanca (immer geradeaus die Autobahn entlang bis in die Stadteinfallsstraße hinein und dann links), genau 20km entfernt. Und das gilt erst seit dieser Woche bis vorraussichtlich Ende dieser Saison, sodass dieser Ground erstmal aus der Liste der Zweitligastätten fällt…

Also wieder zurück nach Casa, dort die 20 Dirham Eintritt für das altbekannte Pere Jego – nach wie vor ein sehr schönes Teil – entrichtet und die dürftige Kulisse von nur 250 Leuten, davon mindestens 20 (überwiegend jugendliche) Gästefans, verwundert zur Kenntnis genommen.

Das Spiel war anfangs im Niveau nicht viel besser, doch nach der torlosen ersten Hälfte und dem Seitenwechsel knallte der schwarzafrikanische Gästestürmer einen Schuss zum 0:1 unters Tordach. Nach einem immer härter werdenden, leicht von den Gästen bestimmten Spiel, glich Youssoufia – mittlerweile in Unterzahl – zum 1:1 aus. Die spannende Schlussphase brachte keinen weitere Treffer.

Übrigens: den ganzen Tag über war mir der komische Straßenverkehr (extrem viele Kontrollen und trotzdem chaotischeres Fahren als sonst) aufgefallen, aber die Rückfahrt setzte noch einen drauf. Von Sidi Allal El Bahraoui bis nach Fès wurden regelrechte Rennen veranstaltet – ich wurde bei 160 im 120er-Bereich teilweise noch überholt! – und ausgesprochen riskant überholt. In Fès war dann auch alles ungewöhnlich voll, da wohl alle für den Maulid (Prophetengeburtstag) einkaufen wollten. Vorm großen Einkaufszentrum Burj wurde ich dann in eine Karambolage verwickelt, an der aber glücklicherweise nur gebildete Fahrer (alles junge, höfliche, gut gekleidete Leute in einfachen Autos, d.h. maximal Dacia Sandero) beteiligt waren. Bei ungebildeten Leuten wäre es nicht ohne Geschrei, Bedrohen und Beleidigen abgegangen…
Jedenfalls: es entstanden nur ganz geringfügige Kratzer, an meinem Wagen sogar gar kein Schaden, obwohl ich zwischen zwei anderen eingeklemmt war. Auf den vierten in der Karambolagenkolonne wäre ich aber wohl auch ohne Zutun der jungen Frau (Nr. 6 und die hinterste in der Kolonne) hinter mir drauf gerutscht, da Wasser auf der sehr abschüssigen und abgefahrenen Asphaltdecke das Bremsverhalten massiv beeinträchtigt hatte. Das passiert an der Stelle in Fès immer wieder – und immer wieder fallen Fahrer darauf herein. Aber wie gesagt: die Leute (die vier anderen Fahrer und die eine Fahrerin) waren erstaunlich freundlich und gelassen: erstmal begrüßten wir uns alle untereinander mit „Salamu aleykum“ usw. und nach kurzer Betrachtung der Fahrzeuge kamen alle zu dem Schluss „bei der schlechten Straße kann das Mal passieren, sind ja nur ganz geringfügige Kratzer entstanden“ und nach kurzer Entschuldigung „smahli, khuya“ beim jeweiligen Vordermann fuhren wir alle wieder (auffällig langsamer als vorher natürlich) weiter.  
Statistik:
- Grounds: 1.059 (heute 1 neuer; diese Saison: 88 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.969 (heute 2, diese Saison: 113)
- Tageskilometer: 670 (670km Auto)
- Saisonkilometer: 32.000 (30.950 Auto/ 1.000 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 3 [letzte Serie: 23, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 389

Sonntag, 12. Januar 2014

W389I: Ein Stadion an einem heiligen Felsen

Club Union Sportif Azrou (نادي الاتحاد الرياضي أزرو)
.................................. 2:1 (1:1) ................................
- Club de Estudiantes de Tetuán (نادي طلبة تطوان) -
- Datum: Samstag, 11. Januar 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: GNF Amateur 2, Groupe Nord-Ouest [بطولة القسم الوطني الثاني هواة] (d.h. 4. Marokkanische Liga; 2. Amateurliga, Gruppe Nord-West)
- Ergebnis: 2-1 nach 97 Min. (46/51) – Halbzeit: 1-1
- Tore: 1-0 17. Nr. 5?, 1-1 27. Nr. 2, 2-1 80. Nr. ?
- Verwarnungen: Nr. 2, 7, 13, ?, ?? (CUSA); Nr. 4, 5 (CET)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Complex Sportif de Azrou, Annexe [ملحق المركب الرياضي بأزرو] (Kap. 1.500; davon 750 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 350 (darunter keine Gästefans?)
- Unterhaltungswert: 6,0/10 (Mittelmäßiges Niveau, spannender Spielverlauf) Photos with English and Arabic Commentary:
a) Moroccan 2nd Amateur League: Union Azrou defeat Estudiantes Tetuán
b) Middle Atlas: Cedar Forest of Azrou, Azrou Town Centre with the Holy Rock

Montag waren für die Kinder die Schulferien vorbei, doch ihr Onkel Abdellah aus Casablanca war seit Sonntag zu Besuch und lud alle nach Moulay Yacoub ein. Da es ein Thermalbad (15km nordwestlich von Fès in einem Bergdorf) und kein normales Hamam ist, ist es auch für die Einheimischen ein Erlebnis – für mich als Ausländer ist es in Sachen arabischer Badekultur natürlich noch ein anderes Erlebnis. In den traditionellen Bädern von Moulay Yacoub sind so gut wie keine Ausländer anzutreffen. Natürlich gibt es eine Trennung nach Männern und Frauen sodass Rita und Khadija nach dem Eingang rechts ab und wir links ab mussten, denn das andere Geschlecht fast nackt zu sehen ist in fast allen Kulturen ein Tabu. Mit Abdellah, Mohammed, Zakariya und Hamza in dem schlecht beleuchteten und enorm heißen, salzigen und nach Schwefel riechenden Thermalbecken zu baden war natürlich lustig, denn die zeigten mir alles, was zu so einem Bad dazugehört: auch der mehrmalige Wechsel in die saukalte Vorhalle, vor dem man sich mit einem harten Waschlappen (brennt wie Sandpapier das Ding) abreibt, danach wieder ins warme Wasser und mit den dauerkrakeelenden Jugendlichen mehr Planschen als Schwimmen. Abdellah musste als ehemaliger Marineingenieur und -offizier natürlich allen zeigen, was eine richtige Massage ist: es gibt auch einen Masseur der gegen Geld eine normale Massage durchführt, aber das ist natürlich nichts gegen die kostenlose Marine-Massage von Abdellah, der irgendwie Massieren und Wrestling nicht so ganz auseinanderhalten kann…

Nach drei Stunden Aufenthalt brachen wir wieder gen Fès auf, was natürlich nicht ganz stressfrei verlief. Denn von den Erlebnissen in Sachen Badekultur mal abgesehen, ist Moulay Yacoub natürlich leider ein Tourismus-Erlebnis und das heißt in Marokko schlicht und ergreifend Stress: alle Gassen des Ortes sind von Läden die selbst von einfachen Einheimischen überhöhte Preise verlangen gesäumt, schon an der Kasse zum Thermalbad sollte Abdellah statt 7 Tickets zu je 4 Dirham wegen mir für 9 bezahlen was er mit der Begründung „1. ist er nicht ,der Ausländer da‘ sondern der Mann meiner Tochter [Anmerkung: er hat in Wirklichkeit nur zwei Söhne…] und damit ein Familienmitglied und 2. ist Rita hier erst 5 und kommt erst dieses Jahr in die Schule [Anmerkung: sie ist schon 3. Klasse], also verlang gefälligst nicht mehr als 24 Dirham von mir“ erfolgreich zu seinen Gunsten ausschlug bzw. den Kassenwart ja sogar um eine Karte für die 8jährige Rita als Revanche für den Abzockversuch prellte – und schließlich hatte ein Kumpel vom Parkwächter, der 5 Dirham Parkgebühr wollte, in unserer Abwesenheit unaufgefordert das Auto gewaschen, was anständige Marokkaner wie Mohammed mit 3 statt den üblichen 30 Dirham und dem Hinweis „hättest du Bescheid gesagt, würde ich dir das Zehnfache zahlen“ löhnen... 
Samstag gab es auf dem Weg nach Azrou übrigens mal ein interessantes Nachrichtenprogramm im Radio, das das Unterrichtsthema vom Freitag noch mal aufgriff: von wegen man kann nur in Deutschland oder der westlichen Welt „politisch korrekt“; die Berber aus der Souss-Region sind angeblich geizig und es gibt jedenfalls viele Witze darüber, doch wenn ein Politiker öffentlich so einen Spruch über die geizigen Soussiya raushaut, heißt es auch hier in Marokko gleich „Rassismus“ und „Diskriminierung der Minderheiten“.

Was andere Politiker so raushauen ist natürlich noch schlimmer: aber wenn von den kaum 40% die an der letzten Wahl teilgenommen haben, die Mehrheit eine erzkonservative Partei wie die Adala-wa-Tanmiya wählt, die sich schwer tut sich von kriminellen Geistlichen zu distanzieren und Reformvorschläge der Opposition wie die Erbrechtsreform als „Unsinn von Ungläubigen“ abtut, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Mordaufrufe gegen veränderungswütige linke Politiker nun auch zum politischen Ton gehören.

Die angesprochene Erbrechtsreform (z.B. bei einem männlichen und zwei weiblichen Erben erhält der Mann - gemäß althergebrachter religiös-sozialer Vorschriften aus dem Koran - bisher 50% und die Frauen je 25%, soll nach Willen der linken und gemäßigten Opposition jetzt 33,3% für jeden werden) und einige andere Ideen, z.B. die schon in Teilen durchgesetzte Scheidungsrechtsreform, stoßen aber in weiten Teilen der Bevölkerung - selbst bei Gebildeten und Leuten die gerne (zumindest zum Schein) einen auf „westlich“ machen - auf Ablehnung, da teilweise klare Widersprüche zum Koran und den Hadithen erkennbar sind. Und obwohl auffällig viele dieser Reformen und Veränderungsvorschläge Frauen direkt oder indirekt betreffen, sind selbst diese in der Mehrheit überhaupt nicht interessiert an Veränderungen – auch eine wie meine Lehrerin, die es sich in ihrer Situation leisten könnte, Forderungen zu stellen.

An sich verlief aber die Fahrt nach Azrou, der Nachbarstadt von Ifrane, knapp 75km von Fès entfernt, recht unspektakulär. Nur der Trottel, der meinte er können seinen Tieflager mit Dampfwalze mal einfach vom Bauhof in El-Hajeb auf direktem Weg über den Wochenmarkt in El-Sebt (der Ort heißt auch noch: Samstagsmarkt!) zur Baustelle auf der Bundesstraße zwischen Fès und Ain Chgag bringen, hielt in besagtem Ort den Verkehr für 10 Minuten auf.  
Aber auch so ist man in etwa anderthalb Stunden in der Ortsmitte, die eine große Moschee und der namensgebende Felsen (Azrou heißt „Felsen“ in einem der Berberidiome) zieren. Dieser Felsen war früher eine Kultstätte und da sich unter den Berbern noch trotz Islamisierung einige alte Bräuche erhalten haben, ziehen einige Europäer gerne den Trugschluss, dass Berber weniger konservativ oder weniger anfälliger für Radikalisierung seien als Araber. Das ist aber höchstens in Algerien der Fall und dort auch wahrscheinlich nur in der Kabylei, während in Marokko selbst und gerade die Kabylen (v.a. Nador) durch sehr strengen Sittenkodex und konservative bis radikale Islamauslegung auffallen. Ich kenne einige Berber persönlich – nicht einer bzw. eine davon ist so lässig drauf wie die meisten in meiner arabischen Gastfamilie!

Wie das mit der Bedeutung des Felsens steht ist ja auch egal: Fakt ist, dass man von dort einen hervorragenden Blick auf den Hauptplatz und einen mäßigen auf den Nebenplatz hat. Gleich hinter dem Felsen spielt nämlich Ittihad Azrou. Ittihad, d.h. Union, hat eine der besten Facebook-Vereinsseiten die ich je gesehen habe: alle möglichen Infos über den Club aus der Zedernstadt mit der Zeder im Wappen kann man unter https://www.facebook.com/cusafoot einsehen!

Ein Problem des unterklassigen deutschen Fußballs ist, dass die Vereine auf fussball.de meist zu blöd sind (selbst bis in die Verbandsliga hinauf) anzugeben, ob auf dem Haupt- oder dem Nebenplatz gekickt wird. Doch das klappt in Marokko erstaunlich gut: bei Adrare-Sports und auch dem Verband war für die Partie angegeben „Annexe“ bzw. „ملحق (mulħaq)“ und tatsächlich wurde auf dem Nebenplatz gespielt. Normalerweise würde ich da nicht hingehen, wenn ich das schon vorher weiß – aber der Nebenplatz des Sportkomplexes von Azrou ist keineswegs ausbautenlos und auch nicht viel schlechter als der Hauptplatz. Während der Hauptplatz zwei kleine Tribünen, davon eine überdacht und einen mit Laufbahn umgebenen völlig verrotteten Rasenplatz direkt am Felsen zu bieten hat, befindet sich der enge, sandige Lehmplatz mit einer fünfreihige Betontribüne entlang einer Längsseite direkt unterhalb des Hauptplatzes.

Es fand sich eine etwas dürftige Zuschauerkulisse von nur wenig mehr als 350 Fans aus Azrou ein. 50 bis 100 Jugendliche bemühten sich redlich mit Trommeln, Becken und Gesängen ihre Mannschaft zu unterstützen. Die Älteren meckerten ab und an oder quatschten mal kurz mit mir. Die Polizei fiel hier als besonders dämlich auf: einer mit großer Mütze schickt alle hinterm Tor ohne ersichtlichen Grund gen Tribüne weg, nach fünf Minuten stehen dort wieder alle (inklusive mir) an gleicher Stelle. Der Hilfspolizist hat sich mittlerweile ne Kippe angesteckt und will wieder alle wegschicken, was einer der älteren Haratin richtig beantwortete: „Rauche nicht im Dienst, dann hören wir auch was du willst!“ Jedenfalls blieben dort alle bis zum Spielende stehen und zur Erklärung, auch wenn es eigentlich nichts mit dem lustigen Dialog der beiden Männer zu tun hat: die Haratin sind schwarzer Marokkaner, die Nachfahren von Sklaven sind, welche bis maximal in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Arbeitsdienste für Grundbesitzer (diese Herren waren meistens die sich selbst als „Freie Menschen“ (Imazighen) bezeichnenden Berber, mit viel Landbesitz den die Schwarzen bewirtschaften mussten – aber natürlich auch einige Araber) erledigen mussten.

Das Spiel fing mit klarer Feldüberlegenheit und guten Chancen (u.a. Lattenknaller) der Gäste, dem Studentenclub (Arabisch: Nady Talaba, Spanisch: Club de Estudiantes) aus Tetouan, an. Doch Azrou konnte per Kopfballtreffer in Führung gehen und die Gäste danach unter Druck setzen. Die kamen mit einem glücklichen Freistoßtor gegen den schwachen Heimtorwart zum Ausgleich. Ausgeglichen war dann auch der weitere Spielverlauf. In der zweiten Hälfte gab es einige schöne Torszenen auf beiden Seiten, aber wie gesagt war das Match sehr ausgeglichen, was zu einigem Blockieren im Mittelfeld führte. Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff gelang dann der Heimelf unter großem Jubel ein Heber aus 15 Metern über den Torwart der das entscheidende 2:1 herstellte. Es gab zwar doppelt so viele gelbe Karten wie Tore, aber an sich war das Spiel fair und außer etwas Meckern und mal etwas Pöbeln von den Rängen war die Atmosphäre wirklich entspannt.  
Statistik:
- Grounds: 1.058 (heute 1 neuer; diese Saison: 87 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.967 (heute 1, diese Saison: 111)
- Tageskilometer: 190 (190km Auto)
- Saisonkilometer: 31.330 (30.280 Auto/ 1.000 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 1 [letzte Serie: 23, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 389

Montag, 6. Januar 2014

W388III: Volle Hütte aber keine einzige Bude in der Kirschenstadt Sefrou

------- Widad Sportive Sefrou (وداد صفرو) -------
................................ 0:0 (0:0) ..............................
AS Al-Fath Ouislane (الجمعية الرياضية الفتح لوسلان)
- Datum: Sonntag, 5. Januar 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: GNF Amateur 2, Groupe Nord-Est [شطر الشمال الشرقي - بطولة القسم الوطني الثاني هواة] (d.h. 4. Marokkanische Fußballliga, 2. Amateurliga)
- Ergebnis: 0-0 nach 100 Min. (48/52) – Halbzeit: 0-0
- Tore: keine
- Verwarnungen: Nr. 11, 15 (Ouislane)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Municipal de Sefrou [الملعب البلدي بصفرو] (Kap. 1.000, davon 700 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 1.000 (darunter ca. 10 Gäste-Fans)
- Unterhaltungswert: 4,0/10 (Kein schlechtes, aber eben ein torloses Spiel)  
Photos with English and Arabic Commentary:
a) Amateur Football: Widad Sefrou v Fath Ouislane
b) Middle Atlas: Sefrou Old Town, Bhalil Village, Kandar Mountain Range around Sidi Khiar

Samstag hatten wir alle bei der Verwandtschaft in Meknés übernachtet, was schon erheblich bequemer ist als bei Fayza, auch wenn Abdelghanis Haus eine Baustelle ist: in vielen Ländern ist es nun mal üblich, wenn es ein einziges bewohnbares Zimmer im ganzen Haus gibt, sofort nach Fertigstellung dieses Zimmers einzuziehen und den Rest der Eigentumswohnung (je nach Finanzen) in den nächsten 2, 10 oder 20 Jahren fertigzubauen.

Kaum waren wir in Fès zurück, wollten Khadija, Rita und Zaki eigentlich gleich mit mir weiter nach Sefrou, aber es kam Verwandtenbesuch aus Casablanca sodass ich mit den Kindern alleine loszog. Wir fuhren bis fast nach Immouzer Kandar und bogen dann direkt an den Nordrand des Kandar-Bergmassivs (ein Ausläufer des Atlas) ein. Die spektakuläre, nadelwaldgesäumte Bergstraße nach Sidi Khiar ist allerdings eine Sackgasse, die nach 15km gleich hinter hinter Sidi Khiar auf eine Alm führt. Die Schlucht dahinter ist halt zu aufwendig zu überbrücken. Wir fuhren zurück bis zum Abzweig nach Bhalil und guckten etwas in diesem als Geheimtipp gehypten Kaff herum, wo uns aber niemand sagen konnte, wo die „berühmten“ Höhlenwohnungen sind.

Auch Sefrou ist keine große Sehenswürdigkeit, aber die Altstadt ist wenigstens aufgrund ihrer massiven Mauer unübersehbar. Das übliche Gassengewirr trifft man hinter den starken Lehmmauern an und der Gebirgsbach, der durch den Ort zieht, ist von etlichen Brücken überspannt. Architektonisch herausragende Gebäude gibt es aber keine.  
Das Stadion ist baulich echt nicht schlecht, aber a) zu klein und b) mit einem sehr harten Lehmplatz ausgestattet. Es gibt nur eine Tribüne, die mit ihren acht Reihen Holzbänke und dem Dach natürlich ein echter Hingucker ist. Wer keinen der gut 700 Plätze bekommen hat, kann sich aufgrund der Sperrung der Gegenseite - wo aber wohl auch noch Stehplätze entstehen sollen - nur noch daneben an den Zaum stellen unter die Kirschbäume. Für Kirschen und ein entsprechendes Volksfest ist Sefrou übrigens berühmt: auch im Vereinswappen und auf den Eintrittskarten sind Kirschen zu sehen. Eintrittskarten und Eintritt gibt es normalerweise nicht in Liga 4 – je 10 Dirham für Zaki und mich und für Rita 5 sind auch recht hoch – doch normalerweise machen die Vereine auch keine halbseidenen Mauscheleien mit Halbprofis so wie Aufstiegskandidat Widad Sefrou mit seinem Senegalesen von CODM oder WAF…

Die Tribüne reichte trotz des relativ hohen Eintritts wie üblich nicht aus, da etwa 1.000 Leute zugucken wollten, wie Widad Sefrou gegen die aus dem östlichen Vorort von Meknés stammende Fath Ouislane antrat. Mit zunehmender Zeit wurden natürlich zunehmend derbere Sprüche geklopft, die Zakariya unruhig werden ließen – doch als ich seiner Bitte nachkommen wollte, der achtjährigen Rita die Ohren zuzuhalten, umarmte sie mich nur breit grinsend und meinte: „Nicht nötig: Ich kenn die bösen Worte ja schon, weil die dummen Kinder mit denen Zakariya oft spielt, sagen das ja auch immer!“

Und während Gästespieler, Gästetrainer, Schiedsrichter, Linienrichter, Polizei, Presse und selbst der Kreisrat (Capo: „Wir grüßen den Kreisrat!“ Fans: „Yeaaahhhh!“ Capo: „Den korrupten Mafia-Kreisrat!“ Fans: „Yeaaaahhhh!“) belöffelt wurden, lieferten beide Teams ein ansehnliches Spiel ab, dass aber absehbarerweise 0:0 ausging. Denn während Ouislane nur auf Konter aus war, rannte Sefrou mit ihrem lächerlichen afrikanischen Halbprofi der als Mittelstürmer keinen brauchbaren Schuss ablieferte und nur blöd rumlaberte, blind und planlos gegen die Abwehr der Gäste an. Es gab einige gute Chancen, hauptsächlich auf Seiten von Sefrou, doch die Gastgeber waren nicht fähig daraus Kapital zu schlagen. Nach nur 23 Spielen also erneut das beschissenste aller Fußballergebnisse!

Bis auf das Resultat lohnte aber das Kommen nach Sefrou: die Stadt kann man mal besichtigt haben, es war kein schlechtes Spiel, es gab ganz akzeptable Emotionen, ausgetragen wurde es in einem schönen Stadion und trotz Einlasskontrolle war alles sehr entspannt: die freundlichen Polizisten und Vereinsordner grüßten nur und wünschten viel Spaß beim Spiel und fragten nicht mal, warum ein Ausländer mit zwei einheimischen Kindern ins Stadion geht. Im nur 25km entfernten Fès hätte es wieder Theater am Einlass und eventuell sogar noch versuchte Bestechungsgelderpressung gegeben…

Zurück nach Fès: Khadija hatte mich vor der Abfahrt noch dazu angehalten, die Kinder bei jedem Fehlverhalten auszuschimpfen und ihr zu sagen, wenn es Ärger gab, aber am Ende machte ich doch mit Rita und Zakariya gemeinsame Sache. Sie zeigten sich dadurch erkenntlich, dass sie die Süßigkeiten, die sie von ihren Großeltern bekommen hatten, an mich weitergaben. Als Khadija gefragt hat, habe ich halt weggelassen, dass die beiden dauernd am Raufen waren und ich im Stadion deshalb zwischen ihnen sitzen musste – fällt hier eh nicht negativ auf, wenn Kinder streiten und laut sind. Ritas kleine Wunde an der Lippe von der Keilerei auf der Kuppe bei Sidi Khiar und das dazugehörige Blut auf dem Pullover kamen dann halt nicht durch Zakis bescheuerten Rucksackwurf sondern dadurch, dass sie vor die Autotür gerammelt ist. Auch Zakis Schwellungen im Gesicht (Ritas Revanche mit bloßen Fäusten) waren dann im Auto passiert, da er ohne mein Wissen unangeschnallt war und beim Bremsen vor den Sitz geknallt ist…  
Statistik:
- Grounds: 1.057 (heute 1 neuer; diese Saison: 86 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.966 (heute 1, diese Saison: 110)
- Tageskilometer: 90 (90km Auto)
- Saisonkilometer: 31.140 (30.090 Auto/ 1.000 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: keine [letzte Serie: 23, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 388