Montag, 18. Oktober 2010

W220II: Blšany wieder erfolgreich, die böhmische Art Handball zu spielen und ein Besuch beim Bayern München der Tschechischen Republik

SK „Mondi“ Štĕtí 1:3 FK Chmel Blšany
Datum: Samstag 16. Oktober 2010 – Anstoß 10.15
Übersetzung: SC „Mondi“ Wegstädtl gegen FC Hopfen Flöhau
Liga: „Fincentrum“ Krajský přebor, Ústecký kraj (Bezirksliga Aussig, 5. tschechische Fußballliga, 1. Amateurliga)
Ergebnis: 1:3 nach 96 Min. (48/48) – Halbzeit: 0:1
Tore: 0:1 38. Stracený, 0:2 70. Čičcek, 1:2 73. Peterka (Elfmeter), 1:3 80. Stracený
Verwarnungen: Nr. 4, Nr. 7 (Štĕtí); Novák, Kolonin, Siegel sen. (FK Chmel)
Platzverweise: keine
Sportanlage: Městský Stadion Štětí - hřištĕ 2/ Stadtstadion Wegstädtl - Platz 2 (Kap. 1.200 davon 24 Sitzplätze)
Zuschauer: 150 zahlende, insgesamt ca. 200 (davon 2 Gästefans)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Gutes Spiel beider Mannschaften)
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Photos and English version:
1)
SK Mondi Steti 1-3 FK Chmel Blsany (Krajsky prebor)
2)
Palaces of Libochovice, Budyne n. O., Roudnice n. L. & Melnik

Der Tag begann mit einem Frühstück, wie wir es oft in Tschechien essen: Baguettes an der Tanke. Bei der Benzina in Litvínov funktioniert zwar meistens vieles nicht – so ging bei einem Tschechen neben uns die Tankuhr nicht, der Kaffeeautomat war defekt und mit Karte konnte man auch nicht zahlen – aber dafür ist die Chance hier den freundlichen jungen Mitarbeiter zu treffen sehr hoch. Einer der so engagiert arbeitet, ist in Tschechien im Dienstleistungssektor absolute Mangelware.

Von Litvínov aus ging es über Libochovice, wo sich ein ganz ansehnliches Barockschloss am Markplatz befindet, das einen schönen Arkadeninnenhof und einen größeren Park mit Buchsbaumhecken hat, weiter nach Budynĕ nad Ohří. Dort ist eine komplett restaurierte oder rekonstruierte Wasserburg zu sehen; ein sehr eindrucksvoller Bau mit starken Mauern am Wehrgraben und Innen eben diesem geschlossenen Bau mit einem auffälligen Turm.

Nach Überquerung der Elbe erreichten wir die nicht besonders attraktive Industriestadt Štětí. Wir fuhren zügig zum am Süd-Ende der Stadt gelegenen Stadtstadion. Das eigentliche Stadion wird nicht mehr für Wettkämpfe genutzt, da auf der Tribüne die Sitzbänke angegammelt oder zertrümmert sind. Allerdings habe ich schon Spiele höherer Spielklassen in heruntergekommeneren Sportstätten gesehen... Gespielt wird auf dem Platz direkt daneben, der auf einer Seite drei Betonstufen aufweisen kann. Auf der obersten Stufe stehen an dem einen Ende vier Bänke. Gegenüber ist kein Ausbau außer einem Gerüst für einen Kameramann. Am Auffälligsten ist der Sprecherturm mit seiner komischen achteckigen Form.

Der SK Mondi Štětí ist einer der Vereine, der auf sinnlose und dumme Sponsorennamenzusätze hört. Zu diesem Problem habe ich mich noch weiter unten im Bericht vom Spiel zwischen Sparta und Liberec geäußert. Das Industriegebiet des international vertretenen britisch-österreichischen Papier- und Verpackungsmaterialienkonzerns ist in Štětí auch schwer übersehbar wenn man von Westen aus kommend über die kuriose Eisenbahn- und Auto-Brücke fährt.

Warum wir – obwohl wir wussten, dass nicht auf dem Hauptplatz gespielt wird – gerade nach Štětí fuhren, war die Ansetzung: denn unser tschechischer Lieblingsklub – FK Chmel Blšany – trat dort an. Der Gastgeber und die Hopfenkicker sind dabei punktgleich (15 Zähler, d.h. 6 weniger als Tabellenführer Louny) und als gleich stark einzuschätzen. Nach einer ersten Druckphase der Gastgeber tat sich Blšany allerdings schnell als die technisch bessere, beweglichere und torgefährlichere Mannschaft hervor. Allerdings dauerte es bis kurz vor dem Halbzeitpfiff, ehe nach Stracenýs starkem Flachschuss aus vollem Lauf ins Eck zwei der 200 Zuschauer jubeln konnten. Während die Heimfans hauptsächlich durch pöbeln auffielen, fielen die Gäste durch Abwesenheit auf. Nur mein Vater und ich unterstützten den „FC Hopfen“, was Kapitän Siegl Senior auch zur Kenntnis nahm.

In der zweiten Halbzeit war anfangs wieder der Gastgeber stärker, doch nutzte seine Chancen nicht und produzierte einen üblen Abwehrfehler – Fehlpass vorm eigenen Sechzehner, den sich Čiček erlief – wodurch Blšany mit 0:2 in Führung ging. Der Schiri war eine ziemliche Flitzpiepe und hatte nicht nur mit Einwurf-, Eckball- und Abstoßentscheidungen so seine Probleme, sondern auch mit dem Einschätzen von Fouls. So gab es einen fragwürdigen Elfmeter, den Peterka gegen Blšanys Ersatztorwart Krabec, der den gesperrten Klíma ansonsten prima vertrat, verwandelte. Allerdings dauerte es nicht lange, ehe der Gast aus dem 900-Einwohner-Dorf seinen dritten Treffer markierte: erneut zieht Stracený von der Strafraumgrenze aus ab und trifft Klasse ins Netz. 1:3 war der Endstand.
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Wir fuhren dann nach Roudnice nad Labem zurück, wo wir uns noch das in Renovierung befindliche Lobkowitz-Schloss von außen anguckten, auf dem sehr ansehnlichen Markplatz herumliefen und uns wunderten, warum der kleine Platz zwischen Markt und Wachturm (und auch ebenjener, heute als Aussichtsturm benutzte Wehrbau) in so viel besseren Zustand als die Kirchen sind.

Weiter ging es nach Mĕlnik. Dort darf man sich nicht von der Hässlichkeit des neueren Bereiches der Stadt abschrecken lassen: an der Spitze des Berges oberhalb der Elbe – von Westen aus ein gutes Panorama – befinden sich ein paar sehr schöne Häuser, eine auffällige Kirche und direkt daneben ein bekanntes und auch sehenswertes Schloss. Ansonsten kann man die Altstadt auch statt über die Treppe durch den Weinberg mit ein paar Schritten durch das Prager Tor – der Wehrbau wird derzeit restauriert – betreten. Insgesamt muss ich aber sagen, dass dieser Ort enorm überschätzt wird. Mĕlnik ist keine romantisch-schöne Stadt an der Elbe, sondern ein mieses Kaff bei Prag, das immerhin ein ganz nettes Schloss und ein paar andere alte Häuser, die aber in dieser Form jeder halbwegs zivilisierte tschechische Ort hat, bieten kann.
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TJ Avia Čakovice (ženy A) 37:20 TJ Stará Hut’ (ženy B)
Datum: Samstag 16. Oktober 2010 – Anwurf 14.20
Übersetzung: TV Avia (?) Prag-Čakovice (Frauen I) gegen TV Alte Hütte (Frauen II)
Liga: 2. liga ženy, Národní házená (2. Liga Frauen, Česká házená bzw. „Böhmisches Wurfspiel/ Handballspiel“)
Ergebnis: 37:20 nach 60 Min. (30/30) – Halbzeit: 20:9
Tore: Spielernamen unbekannt
Verwarnungen: keine (?)
Platzverweise: keine
Sportanlage: Areál TJ Čakovice, hřiště národní házená/ Vereinsgelände TV Prag- Čakovice, Handballplatz (Kap. 300, davon 125 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 15 (keine Gästefans)
Unterhaltungswert: 5,0/10 (Ganz flottes Spiel mit den in der Klasse sicher üblichen Mängeln)

TJ „Avia” Čakovice 17:18 TJ Sokol Opatovice nad Labem
Datum: Samstag 16. Oktober 2010 – Anwurf 16.30
Übersetzung: TV Avia (?) Prag-Čakovice gegen TV Falke Opatowitz/ Elbe
Liga: 1. liga muži, Národní házená (1. Liga Männer, Česká házená bzw. „Böhmisches Wurfspiel/ Handballspiel“)
Ergebnis: 17:18 nach 60 Min. (30/30) – Halbzeit: 6:9
Tore: Spielernamen unbekannt
Verwarnungen: bis zur Pause keine
Platzverweise: bis zur Pause keine
Sportanlage: Areál TJ Čakovice, hřiště národní házená/ Vereinsgelände TV Prag- Čakovice, Handballplatz (Kap. 300, davon 125 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 40 (davon vllt. 3 Gästefans)
Unterhaltungswert: 7,0/10 (Interessante Art Handball zu spielen... da ich den Sport nach EHF-Regeln gut genug kenne und dieses Spiel doch dem üblichen Handballspiel sehr ähnelt, kann ich hier von einem guten Spiel reden)
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Photos and English version:
Narodni Hazena (Bohemian Handball):
TJ Avia Cakovice (Prague)

Durch Zufall erfuhr ich im Internet von der ausschließlich in Tschechien verbreiteten, 1905 als eine Version des Handballspiels entwickelten Sportart Česká házená. Man belässt es meist bei diesem Namen, wobei die Tschechen ihr als „Böhmisches Handball“ oder „Tschechisches Wurfspiel“ zu übersetzendes Feldhandballspiel als Národní házená bezeichnen. Das heißt dann so viel wie „Staatliches Handball“ oder „Nationales Wurfspiel“. Mittlerweile ist das die 44. Sportart, die wir live kennengelernt haben. Im Gegensatz zum in Deutschland aus der Mode gekommenen und nur selten als modernen Verschnitt aufgeführten Feldhandball – Fußballfeld und -tore bedeuteten lange Laufwege wenige Treffer und geringere Attraktivität, da Handball in seiner jetzt international üblichen Form (in einer Halle auf einer Spielfläche von einem Bruchteil jener eines Fußballfeldes; ja, ein Handballfeld ist kaum größer als ein Strafraum eines Fußballplatzes) von den harten Zweikämpfen auf engem Raum und dem schnellen Hin- und Her zwischen den nur 40m auseinander stehenden Toren lebt – ist diese Art des Feldhandballspiels ziemlich sehenswert. Das Spielfeld beim Národní házená ist kaum größer als in der Halle, die Tore sind recht kurios (höher als breit: 2 x 2,40m) und der Belag reicht auch von Kunstrasen über Asche bis Beton.

Der Gastgeber Avia Čakovice, aus einem Vorort von Prag, spielt auf Kunstrasen und hat noch diverse andere Sportarten – es lief gerade ein Fußballtennis-Turnier; das Fußballstadion wäre auch spielbereit gewesen – im Angebot. Die tschechische Art des Handballs ist dort aber besonders ausgeprägt und als wir um kurz vor 15.00 dort aufkreuzten, waren die Frauen von Avia Čakovice in ihrem Spiel gegen die Reserve von TJ Stará Hut’ gerade noch in der Halbzeitpause. Es stand bereits 20:9, was in einigen Spielen der Endstand nach 60 und nicht der Zwischenstand nach 30 Minuten ist, wobei vor allem durch die beiden überforderten Torhüterinnen – der Gast wechselte zwar auch mal die Torfrau, doch auch die dritte Torhüterin war eine Katastrophe – noch mal so viele Tore in Halbzeit zwei fallen sollten. Was der Gastgeber zeigte, war auch immer wieder sehenswert: locker am Kreis kombinieren und dann mal beherzt aufs Tor geworfen. So siegten sie mit 37:20. Die Kleidung beider Teams passte übrigens zur Spielweise: die Gastgeber hatten richtige Trikots in blau-weiß mit Namen drauf – die Gäste schlabbernde T-Shirts und Hosen ohne jeden Aufdruck außer einer Nummer.

Um 16 Uhr sollten eigentlich der 11. von 12 gegen den 5. der ersten Männerliga auf dem schönen kleinen Platz, der auf beiden Längsseiten je zwei vierreihige Tribünen – die zwei auf der einen Seite sind blaue Schalensitze auf Betonstufen, die zwei auf der anderen komische Metall- und Holzkonstruktionen – und drumherum einige Nadelbäume hat, spielen. Leider kam das Arschloch von Schiedsrichter nicht. Bis man für diesen Vollpfosten Ersatz hatte, war eine halbe Stunde rum. In dieser halben Stunde sollte eigentlich schon die ganze erste Hälfte gespielt sein. Die begann nun 16.30 mit einigen schönen Spielszenen, harten Zweikämpfen – ob die bei den Teams, die noch auf Betonplätzen spielen, auch so die Gegner zu Boden reißen? – guten Treffern und starker Verteidigungsarbeit. Obwohl die Zuschauerzahl katastrophal war – durchschnittliche Zahlen liegen bei 120 und nicht 40 wie hier, Spitzenzahlen sind bei 500 Leuten – kamen auch gute Emotionen auf: Gästespieler wurden nach Fouls lautstark als „Arschloch“ und „Fotze“ beschimpft, die eigene Mannschaft auch immer wieder mit „Macht ein Tor“ und „Vorwärts“ Rufen angefeuert.

Wir mussten wegen der Verzögerung durch den Penner von Schiri leider schon nach dem Pausenpfiff gehen um den sportlichen Höhepunkt des Tages nicht zu verpassen. Bei nächster Gelegenheit werden wir aber wieder so ein Feldhandballspiel in Tschechien wahr nehmen – und dann auch mal 60 Minuten ein Spiel und nicht zwei Spiele nur zur Hälfte!
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AC Sparta Praha 0:2 FK Teplice
Datum: Samstag 16. Oktober 2010 – Anstoß 18.20
Übersetzung: AC Sparta Prag gegen FC Teplitz-Schönau
Liga: 1. „Gambrinus“ liga (1. tschechische Profifußballliga)
Ergebnis: 0:2 nach 92 Min. (45/47) – Halbzeit: 0:1
Tore: 0:1 31. Aidin Mahmutovič, 0:2 66. Aidin Mahmutovič
Verwarnungen: Erich Brabec (Sparta); Vlastimil Vidlička, Tomáš Vondrášek, Antonín Rosa, Aidin Mahmutovič (Teplice)
Platzverweise: keine
Sportanlage: sogenannte Generali „Arena“, früher Stadion letná (Kap. 20.854 Sitzplätze)
Zuschauer: 6.942 (davon ca. 30 Gästefans)
Unterhaltungswert: 5,0/10 (Durchschnittliches Spiel)
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Photos and English version:
1st:
Sparta Praha 0:2 FK Teplice (1. Liga)
2nd: Older Pictures from Prague:
a)
February 2010, b) 2005 and 2007

Ziemlich problemlos steuerte ich – mit meinem Stadtplan lesenden Vater als Navigationsgerät – den Wagen durch halb Prag bis auf den Parkplatz gegenüber des Stadions Letná. Für 50 Kronen (etwas mehr als 2€) darf man dort unbegrenzt parken. Die Karten fürs Spiel holten wir uns natürlich nicht bei dem alten Sack, der unter der Hand damit handeln wollte, sondern an einer der Kassen. Wir bekamen Karten im mittleren Preissegment für 240 Kronen (10€) pro Stück: noch nie haben wir in Tschechien so viel Geld für eine einzige Sportveranstaltung ausgegeben!

Dass die Kommerzialisierung auch vor der Tschechischen Republik nicht halt macht, ist klar. Dass es seit Jahren schon Erscheinungen wie das Verkaufen von Lizenzen und mitunter auch das damit verbundene Verschieben von Spielorten oder das Umbenennen der Vereine – je nach dem wer gerade sponsort – gibt, ist dem Fan bekannt. Wer wie mein Lieblingsklub – FK Chmel Blšany – nur vier Umbenennungen (von Sokol Blšany (1946) zu TJ Sokol Blšany, dann TJ JZD Blšany und SK Chmel Blšany, 1992 schließlich FK Chmel Blšany) erfahren hat, ist noch echt gut dabei. Der Kultklub Bohemians 1905, der auch immer gern auf Gegen-den-modernen-Fußball macht, wechselte z.B. 11 Mal den Namen. Auch Sparta hieß lange nicht „Sparta“, denn 1893 hießen sie noch AC Královské Vinohrady, ein Jahr später AC Sparta, nach dem zweiten Weltkrieg benannten sie sich in fünf Jahren vier Mal um tragen erst seit 1965 wieder konstant den Namen „Sparta“ in unterschiedlichen Formen. 2003 war die letzte der neun Umbenennungen. Was ein typischeres Anzeichen für übertriebene kommerzielle Interessen diverser Subjekte im tschechischen Sport ist, ist die Menge von Sportanlagen (Generali-Arena ist nur eine von Dutzenden), Ligen (Fincentrum Krajský přebor ist auch nur eine von Dutzenden) und selbst Vereinen (FK BAUMIT Jablonec oder SK Mondi Štětí sind nur zwei von Dutzenden) die nach mehr oder weniger sinnvollen Sponsoren, die in vielen Fällen den Verein schon nach wenigen Jahren nicht mehr unterstützen können/ wollen und ihn so mitunter in den Ruin treiben aber zumindest in mehrschichtige Schwierigkeiten bringen, benannt sind. Aber als deutscher Fan muss man da zuerst vor der eigenen Bude kehren, wenn man sich den SSV Markranstädt/ Rasenball/ Redbull Leipzig, Sparkassen/ Baufirmen/ Energieunternehmen Sponsorennamen-Amateurligen in vielen Bundesländern, die ganzen Brauerei-Landespokale oder LR-Kosmetik Ahlen anguckt.

Was man sich bei der Fußball AG Athletik Club Sparta Prag aber mal vor Augen halten muss, ist das asoziale Preisniveau der Eintrittskarten. Außer Slavia habe ich noch keinen Club gefunden, der derart hohe Preise (ist ja wie in der 3. Bundesliga bei uns!) verlangt. Sicher ist das Einkommen der Tschechen bis auf 75% vom Deutschen Einkommen gestiegen, klar sind die Preise mindestens genauso gestiegen, doch liegen sie in vielen Bereichen weiterhin unter den deutschen Preisen und sind auch für Einheimische meist fair. Gerade Sport ist sehr erschwinglich: vergleicht man mal z.B. mit den kranken Preisen die in Polen verlangt werden (Fußballkarten für die erste Liga erst ab 6€, Basketball ab 8€) wird man über Eintrittskartenpreise für 3€ bis 4€ für ordentliche Sitzplätze in Fußballstadien und Eishockeyhallen erstaunt sein. Aber bei den größenwahnsinnigen Hauptstädtern fängt die Preisspanne da an, wo sie bei den meisten anderen Vereinen aufhört oder gar nicht erst hinkommt: die billigste Sparta-Karte kostet 130 Kronen (5,50€) und die teuerste 435kc/ 18€. Dauerkarten sind zwischen 37€ und 169€ angesiedelt. Für die Verhältnisse in anderen Teilen Tschechiens wie gesagt saumäßig überteuert.
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Als wir das Stadion nach sehr laschen Kontrollen über den Ost-Eingang betraten, wurden wir den ersten Eindruck von Fotos im Internet und Außenansichten nicht los: eine 0815-„Arena“, die in Premier League, Bundesliga oder wo auch immer dieser langweilige Baustil gepflegt wird, überall gleich aussieht. Abwechslung bieten in der 1. tschechischen Liga ohnehin nur noch wenige Stadien: geschmackvoll modernisiert wurden zum Beispiel die Spielstätten in Brno und Olomouc, architektonisch nicht doll aber gut in die Landschaft eingepasst ist das Stadion von Slovan Liberec, doch wirklich interessant sind nur die älteren Anlagen von Hradec Králové und natürlich Bohemians Praha. Letztere sind zwar in Sachen Eintrittspreise auch schon bei 6-12€, aber haben ein viel besseres und schöneres Stadion als Stadtrivale Sparta. Die von der Generali-Versicherung namentlich verunzierte Anlage ist nämlich ein stellenweise verbauter Allseater, der auf seltsamen Stahlträgerkonstruktionen am Rande des eigentlichen Stadions die Imbissbuden und ähnliches unterbringt und auf ebenso komischen Stahlträgerkonstruktionen oberhalb des Mittelteils der Haupttribüne Presseplätze angebracht hat. Der obere Teil der Haupttribüne ist teilweise durch Balken verbaut, die Hintertorseiten ragen auch noch seitlich rein, der Vorbereich ist kahlster, hässlichster Beton und außer einem „Sparta“-Schriftzug findet sich auch nichts Auffälliges an den Sitzen.

Apropos Schriftzüge: wenn man an der Stadionmauer die Keltenkreuze und Sparta-Graffiti mit dem „S“ in Runenschrift sieht, weiß man was für asoziale Gestalten mitunter anzutreffen sind. Allerdings hört man bei Sparta auf den Tribünen auch Deutsch, Englisch, Vietnamesisch und Türkisch ohne dass sich diese Leute fürchten müssten, von den eigenen Mit-Fans angegangen zu werden. Für den Rekordmeister ist es aber trotzdem ärgerlich, dass sich auch solche rechtsradikalen Spaste bei ihm einfinden – und das in dreistelligen Zahlen.
Die heutige Zuschauerzahl war mit knapp 7.000 nicht so doll, aber besser als bei den anderen Gambrinus-Ligisten. Die Stimmung war auch bis in die zweite Hälfte hinein für die tschechischen (insbesondere böhmischen) Verhältnisse wirklich gut, da bei den Wechselanfeuerungen zwischen Hintertorbereich und Gegentribüne so viele mitgingen, dass es richtig laut wurde. Emotionen ist man ja in Tschechien gar nicht gewohnt. Höchstens noch von den mitunter ziemlich derb und aggressiv – aber eben auch stimmungsvoll – auftretenden Prager und Mährischen Fans. Ansonsten waren natürlich nur die Ultras anfeuerungsmäßig in Aktion. Alles aber bekannte Melodien und 0815-Texte. Die Gästefans waren kaum zu hören und erst recht nicht so einfallsreich. Die Jungs aus Teplice waren aber auch zahlenmäßig sehr wenige.

Das heutige Spiel war eine Spitzenbegegnung zwischen dem nach einem schlechten Start mittlerweile auf Platz 2 stehenden Rekordmeister (19 tschechoslowakische und 13 tschechische Meistertitel und zahlreiche Pokalsiege) Sparta und dem ebenso schlecht gestarteten aber jetzt auf dem 5. Platz stehenden FK Teplice, der in seiner Vereinsgeschichte drei Pokale gewann. Tabellenführer ist derzeit aber Viktoria Plzeň, was deren erste Meisterschaft wäre. Im Übrigen fallen noch die schlechte Platzierung (13. von 16) von Slavia Praha, die sonst fast so erfolgreich wie Sparta sind, und die gerade einmal drei Siege des Vereins aus Brünn, dem derzeitigen Tabellenletzten auf. Richtig übel fällt aber auf, dass der 1. FC Brno nun „FC Zbrojovka Brno“ heißt: Zbrojovka war zwar schon 1948 bis 1956 Namensbestandteil, somit also eine Rückbenennung, aber das der Industriebetrieb Česká Zbrojovka den Klub sponsort und den Namen gekauft hat ist eine Verhöhnung des Sports und in vielen europäischen Ländern aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem sportlichen Fairplay gar nicht möglich; denn die auch noch stark auf Kundschaft aus den USA orientierte Česká Zbrojovka ist ein Waffen- und Rüstungsbetrieb. So ein Sponsor ist wirklich unpassend für Sportvereine!

Zurück nach Prag, wo die beiden Teams dem Spitzenspiel im positiven Sinne nicht ganz gerecht wurden. Das Spiel war zwar nicht schlecht, hatte aber den ein oder anderen Durchhänger. Über Geschwindigkeit und technische Fertigkeiten konnte man sich zwar nicht beklagen, aber dass die aktivere Mannschaft, Sparta, so derartig dilettantisch vorm Tor agiert, war nicht so toll. So traf Teplice mit einem Glückstreffer, d.h. einem von einem Sparta-Spieler enorm abgefälschten Ball, vor der Pause zum 0:1. Aber egal: Hauptsache kein torloses Unentschieden!
Nach der Pause war wieder das gleiche Bild wie zuvor zu sehen: Teplice zeigte die ein oder andere Attacke, was jedoch selten gefährlich war und auch alles in allem nicht so aktiv aussah wie bei Sparta. Das Tor erzielte aber wieder der Gast: diesmal auch ein schöner Kopfball und kein Murmeltor. Der Endstand betrug somit 0:2.
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Nach dem Spiel brauchten wir eine ganze Stunde um zum Hotel zu kommen: selbst mit Stadtplan ist Prag ziemlich unübersichtlich. Gut, dass wir nicht zum ersten Mal dort sind. Als Mehrfachfahrer kann ich nur sagen: wer eine schönere Hauptstadt zu kennen meint, der soll sie mir mal zeigen. So eine herausragend schöne und geschlossene sowie flächenmäßig große Altstadt gibt es kein zweites Mal! Wer Prag nicht gesehen hat ist reisetechnisch nicht mehr als eine Flachzange und kann nicht behaupten, viel von der Welt gesehen zu haben.

Zum Hotel muss man sagen, dass das „Easy Journey“ zwar nicht so einfach zu finden ist, da es in der Straße Plzenska kaum erkenntlich in Hausnummer 22 untergebracht ist, aber für 30€ das Doppelzimmer (kann man wohl auch mit bis zu fünf Leuten belegen) einen fairen Preis macht. Die Zimmer sind einfache, aber saubere und geräumige Buden mit Bad. Auch der Hotelier ist völlig O.K. Beim ihm bezahlt man gleich in bar.

Zum Abschluss des Tages mussten wir noch mal zur Tanke, da das der einzige Ort im zwei Kilometer Umkreis vom Hotel war, der etwas zu essen zu bieten hatte. Dort wurde man dann mal wieder von der Sorte Bedienstete bedient, die in der Tschechischen Republik ein echtes Problem darstellen. Wer etwas von „Servicewüste Deutschland“ faselt, soll sich mal in Tschechien umgucken. Da ist man in Deutschland so was von meilenweit voraus, was Umgang mit Kunden und unter den Mitarbeitern angeht, dass es auch Tschechen mitunter peinlich ist, wie schlecht ihre Kellner, Tankstellenmitarbeiter, Supermarktkassierer etc. sind. Diese Saubande ist so derartig unfreundlich, arrogant und unmotiviert, dass man die eigentlich nur fragen kann: „Wollt ihr Wichser eigentlich was verkaufen oder soll ich wieder gehen?“

Allerdings sollte man sich weder von der oft kühlen Art der Einheimischen, noch der erschreckenden Defizite im Dienstleistungssektor abschrecken lassen. Die ab und an anzutreffenden herzlichen und höflichen Einheimischen zum einen und vor allem die enorme Dichte an Sehenswürdigkeiten auf annehmbarer, hoher und höchster Qualität machen das wieder um ein Vielfaches wett. Auch wenn ich mindestens ein Land – nämlich Syrien – noch mehr schätze und als Reiseziel auch noch mehr empfehlen kann: Tschechien ist so sehenswert, dass kein Weg dran vorbei führt – denn wo gibt es sonst so viele herrliche Burgruinen, tolle Schlösser und Paläste oder altmodische Sportanlagen auf so engem Raum?!
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Statistik:
Ground Nr. 484 (drei neue Grounds; diese Saison: 34 neue)
Sportveranstaltungen Nr. 1.156 - 1.159 (diese Saison: 47)
Tageskilometer: 210 (Auto)
Saisonkilometer: 10.780 (7.480 Auto/ 1.440 Fahrrad/ 850 Bahn, Bus, Tram/ 800 Schiff, Fähre/ 0 Flugzeug)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 71
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 220

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