Mittwoch, 25. Mai 2022

W3.0072IIb: Sinti gegen Syrer auf dem Aschenplatz in Asterstein

SV Reinhardt’s Elf Koblenz-Asterstein ... 6
FC Syrien Koblenz ..................................... 0

- Datum: Samstag, 21. Mai 2022 – Beginn: 18.30
- Wettbewerb: Kreisliga D, Koblenz (11. und unterste Spielklasse, 6. Amateurliga)
- Ergebnis: 6-0 nach 90 Minuten (45/45) – Halbzeit: 4-0
- Tore: 1-0 23. Amando Reinhardt, 2-0 Amando Reinhardt, 3-0 28. Enrico Köppen, 4-0 31. Amando Reinhardt, 5-0 75. Manjano Gerhartz, 6-0 84. Enrico Köppen
- Gelbe Karten: je 1x gegen jede
- Rote Karten: keine
- Austragungsort: Sportplatz am Asterstein 2 (Kap.: 800 Stehplätze)
- Zuschauer: ca. 200 (davon ca. 25 Gästefans)
- Spielbewertung: 6,5/10 Reinhardt’s Elf Koblenz-Asterstein 6:0 FC Syrien Koblenz Photos with English commentary:
11th Division: Reinhardt’s Elf vs. Syrien Koblenz

Nach dem Voltigierturnier und den Besichtigungen im Westerwald ging es zu einem ungewöhnlichen Fußballspiel der untersten Liga in Koblenz. Im Stadtteil Asterstein steht eine kleine, verfallene Festung. Direkt daneben befindet sich ein halb zugewucherter Hartplatz mit wenig ansprechend aussehendem Sportlerheim. Die Schäden am Sportlerheim mögen durch ein Feuer entstanden sein – unklar wohl, wer das zu verantworten hat – aber der Zustand des Platzes ist schon einfach Vernachlässigung und Unfähigkeit; ob von Stadt oder Verein weiß ich natürlich nicht.

Der Platz lebt von der Lage, das Spiel von dem interessanten Hintergrund der Vereine: zu Gast war der FC Syrien Koblenz, ein Verein mit zwei Männermannschaften, in denen fast nur kurdische und arabische Syrer spielen. Wie bei vielen solcher Neugründungen spielen zumindest erstmal nur Migranten aus der entsprechenden Gruppe – bei den meisten türkischen oder griechischen Vereinen zum Beispiel sind ja mittlerweile mehr oder weniger viele Deutsche ohne türkischen / griechischen Hintergrund dabei. Hier wurde aber beim FC Syrien entsprechend nur Arabisch und Kurdisch kommuniziert, da hier kein einziger Meier/Müller etc. dabei war...
Die Minderheit, welche im SV Reinhardt’s Elf dominiert, ist über die Jahrhunderte zwangsweise so assimiliert worden, dass da vielleicht einige noch Sintitikes beherrschen, aber diese Sprache nun nicht mehr auf dem Fußballplatz verwenden würden. Der originelle Name des Vereins rührt davon her, dass der Sinti-Clan der Reinhardts aus Koblenz diesen Verein 1976 gegründet hat. Viele der Reinhardts sind – soweit man das recherchieren kann – Musiker; die mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden weilende ältere Generation hat im Dritten Reich viel Gewalt inklusive Internierung im KZ erlebt. Heute eilt dem Clan freilich auch ein zweifelhafter Ruf in Sachen Kriminalität voraus, wobei man sich auf dem Sportplatz nicht unbedingt unsicher fühlen muss. Aber als Außenstehender fällt man schon auf...
Kurios bei dieser Paarung übrigens auch eine historische Randnotiz von großer Reichweite, die mangels entsprechender Bildung kaum einem der beteiligten Spieler so bekannt sein dürfte: Im 8. Jahrhundert eroberten die Umayyaden von Damaskus (Syrien) aus viele Gebiete in Asien, so auch Teile der heute in Pakistan befindlichen Region Sindh. Dass die Sinti ebenso wie die Roma und Domar aus Indien stammen, ist unstrittig und sehr wahrscheinlich ist es, dass die Sinti aus Sindh stammten und dort aufgrund der Eroberungszüge der syrischen Umayyaden nach Europa flohen. Damals war Europa aber keineswegs ein attraktives Ziel, sondern ein unerschlossenes – viele indische Flüchtlinge ließen sich auch im viel weiter entwickelten Nahen Osten oder Kleinasien nieder, wo sie als Domar bekannt sind und sich genauso in all den Jahrhunderten immer am Rande der Gesellschaft befunden haben, wie ihre Verwandten in Europa.
Ein Spiel der untersten Liga (Kreisliga D) und dann locker 200 Zuschauer, die zum Teil 3€ Eintritt zahlen mussten. Ein eher ungewöhnliches Drumherum... Bis auf vielleicht zwei Dutzend Syrer – Kumpels, Brüder, Spielerfrauen – waren das ganz überwiegend Sinti, die in Teils originellen und typischen Klamotten das Spiel verfolgten. Als offensichtlicher Nicht-Sinto und Nicht-Syrer – wobei ich mich bei Nachfrage als kaukasischer Syrer hätte ausgeben können – wurde ich entsprechend beobachtet von einigen Heimfans, aber weder auf den Rängen noch auf dem Platz wurden die beiden Vereine dem schlechten Ruf gerecht, der ihnen mehr angedichtet wird als vorauseilt. Denn Spielabbrüche haben die beiden meines Wissens noch nie verursacht... Die Partie war ein munteres, aber leider sehr einseitiges Gebolze. Wieso FC Syrien auf einem starken dritten Rang rangiert und kaum ein Spiel verloren hat, wurde heute nicht klar. Tabellenführer Reinhardts Elf war drückend überlegen, führte 4:0 bei Pause und gewann am Ende 6:0 in einem unterhaltsamen aber unspektakulären Spiel. Mit diesen drei Punkten haben sie vorzeitig den Aufstieg sicher, was auch mit Sekt- und Wasserspritzerei und einem kleinen Platzsturm gefeiert wurde. Einige junge Männer gingen auch die gesamte Partie über gut mit. Randnotiz der anderen Art: die Partie begann über 30 Minuten später da der Schiri – ebenfalls zu einer Minderheit gehörend: ein Türke... – so spät erst aufkreuzte... Reinhardt’s Elf Koblenz-Asterstein 6:0 FC Syrien Koblenz Die Syrer bleiben also in der untersten Liga und die Sinti gehen hoch in die Kreisliga C. War schon echt ein interessanter Spielbesuch! In vielen Ländern sind Teams aus alteingesessenen Minderheiten oder Ureinwohnern ganz normal; aber in Deutschland gibt es ja fast keine alteingesessenen Minderheiten. Reinhardts Elf als Sinti-Team könnte wirklich singulär sein, sonst gibt es nur noch ein paar Sorben-Teams im Osten von Sachsen, die ganzen Türkspor und Hellas Ethniki usw. sind ja eine andere Kategorie als neue Migrantenteams. Aber die Sorben wären vielleicht mal was für den nächsten Besuch für den Sportfreund aus Koblenz, der in seinem Artikel über ein Spiel am Asterstein so lustig von „Kurzurlaub“ und „anderer Welt“ in fußläufiger Entfernung zum Wohnort schreibt. Leider ist sein Artikel alles andere als gehaltvoll  – und auch wenn ich den Autor Paul Schiffgens für das Aufgreifen dieses Themas loben möchte; er soll sich vielleicht noch mal manche Aussagen durch den Kopf gehen lassen wie: „[Mein Verein] wurde bereits vor über hundert Jahren gegründet [..] Seit jeher stehen eine intakte Vereinsstruktur und die Gemeinnützigkeit im Vordergrund. Willkommen, ist jeder, egal wie alt, wie gut, welche Familienherkunft und welche Nationalität...“ Bei dem Verein (ich glaube von 1911) ist also seit jeher jede Familienherkunft und Nationalität willkommen?! Was ist das für eine Geschichtsbildung, Sportfreund??? Dass es schon genauso lange wie deinen Verein jüdische Sportvereine in Deutschland gibt, hängt nicht nur am Hang zur Bildung einer Parallelgesellschaft seitens der Juden... Auch nach 45 hat man Tendenzen von Mehrheits- und Minderheitengesellschaften, sich in jeweils ethnisch/religiös passenden Vereinen abzukapseln. Bei den deutschen Amateurvereinen ist eigentlich erst in der Breite in den 80ern, 90ern und dann verstärkt deutschlandweit ab den 2000ern eine Tendenz zur Durchmischung zu erkennen – bei den Migrantenteams auch erst seit den 2000ern und auch nur dann, wenn diese schon eine ganze Weile (10, 20 Jahre) existieren. Das sind auch sich gegenseitig bedingende Entwicklungen. Aber noch etwas anderes: Es gibt einfach generell zu wenige Infos zum Heimverein, wobei Reinhardts Elf sicher auch keinerlei Lust auf Presse hat, was bei FC Syrien anders sein dürfte. Abschließend möchte ich noch jedem empfehlen, der sich – wie der o. g. Autor offenbar – für solche Kicker aus Parallelgesellschaft interessiert, mal einige Spiele in den USA, Kanada, Algerien, Marokko und/oder dem Nahen Osten – mit Migranten aus aller Welt, Ureinwohnern bzw. Berbern, Kurden, Kaukasiern in entsprechend ethnisch aufgestellten Clubs – besuchen und dann mal (als Ausländer/ deutscher Touri bekommt man bei entsprechenden Fragen sicher keinen Ärger) die Meinung der Betroffenen bzw. außenstehenden Spieler einholen sollte. Nach meinen Erfahrungen wird dieses Phänomen ethnische Teams in Europa (also nicht nur DE, auch Schweden, Dänemark, UK, Frankreich, Roma-Teams in Osteuropa etc.) skandalisiert und in Ländern außerhalb Europas selbstverständlich hingenommen. Nicht aus Zensurgründen, sondern aus sachlichen Gründen würden solche Artikel wie in der WZ eher nicht herausgebracht werden (zwei Drittel der Sportgerichtsurteile betreffen Migranten – schon mal daran gedacht, dass knapp zwei Drittel der Fußballer in so einer Stadt eben auch Migranten sind und die Deutschen mit Namen wie Martin Pützchen oder Andreas Schöneseiffen nur noch in der Minderheit auf alle unteren Klassen in Düsseldorf/ Köln etc. gesehen und die Migranten somit weniger überproportional als vom Artikel angedeutet für den Ärger verantwortlich sind?!) Zum Vergleich ein typischer Ansatz an das Thema aus US-Sicht: https://prismreports.org/2021/08/02/for-immigrants-soccer-is-often-more-than-a-sport/ Reinhardt’s Elf Koblenz-Asterstein 6:0 FC Syrien Koblenz Statistik:
- Grounds: 3.098 (2; diese Saison: 276 neue)
- Sportveranstaltungen: 4.439 (2; diese Saison: 331)
- Tourkilometer: 200 (200km Auto)
- Saisonkilometer: 74.530 (46.480 Auto, davon 12.710 Mietwagen/ 24.470 Flugzeug/ 3.580 Fahrrad/ 30 Schiff, Fähre / 0 Bus, Bahn, Straßenbahn)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 13 [letzte Serie: 164, Rekordserie ohne 0-0: 178]
- Jede Woche mindestens eine Sportveranstaltung seit: Kalenderwoche 2 des Jahres 2021 (04.-10.01.), d.h. seit 72 Wochen in Folge [letzte Serie: 30 Wochen von KW22/2020-51/2020; Rekordserie: 711 Wochen von KW 31/2006 bis KW 11/2020].

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