Dienstag, 23. März 2010

W189-SY15: Do you know what Idlib is famous for? Olives and Gays!

Nady ‘Afrin (نادي عفرين) - Umayya Idlib (أمية الإدلبي)
Montag, 8. März 2010 - Anstoßzeit 14.30
Daury As-Suriyy Al-Mukhtarafiyn (دوري السوري المخترفين): Syrische Profifußballliga
Ergebnis: 1:1 nach 99 Min. (48/51) - Halbzeit 0:1
Tore: 0:1 9. Samer Al-Yazidjy, 1:1 85. Zakariya Budaqa
Verwarnungen: Hadjy Qader, Hussayn Mustafa, Zakariya Boudaqa, Usama Haddad (Afrin), Djihad al-Agha, Zakariya Yousef, Shady Bakhoury, Ummar Zakkour (Umayya).
Platzverweise: keine
Spielort: Mal’ab Al-Hamdaniyya (ملعب الحمدنية/ Hamdaniden-Stadion Aleppo, Kap. 20.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 3.000 (davon ca. 500 Gästefans)
Spiel: 3,5/10 (Zerfahren und aufgeregt mit zu wenigen Torszenen)

Al-Huriyya Halab (الحرية الحلبي) - Al-Wahda Dimashq (الوحدة الدمشقي)
Montag, 8. März 2010 – Tipp-off 18.00
Daury Al-Auwal li l-Kurat as-Salla (دوري الأول لكرة السلة): Syrische Basketballliga; Halbprofiliga
Ergebnis: 62:73 nach 40 Min. – Viertel: 15:21, 17:13, 7:14, 23:25
Scorer: ?, Fouls: ?
Spielort: Sala Assad (صالة الأسد) / Assad (oder Löwen)-Sporthalle, Kap. 4.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 300 (davon vllt. 5 Gästefans)
Spiel: 6,5/10 (Gutes Spiel mit ein paar Durchhängern vor erbärmlicher Kulisse)
Sightseeing: 6,5/10 (Nicht so gut erhaltene Ruinen in herrlicher Landschaft – und nicht alles Geplante geschafft)
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Football Afrin vs Umayya :
http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623665177546/

Basketball Huriyya vs Wahda :
http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623665401514/

Sightseeing North-Western Aleppo Region :
http://www.flickr.com/photos/fchmksfkcb/sets/72157623531146275/detail/?page=3

Von Aleppo aus ging es auf einer Schnellstraße nach Norden auf die Türkei zu. Irgendwann hörte der zweispurige Ausbau abrupt auf und wurde einspurig. Den ersten Abzweig nach Tell Naby Houry (Dem Prophet Houry sein Hügel) hatten wir zwar verpasst, aber wozu gibt es einen zweiten. Mittlerweile hatten wir einige Orte passiert, die die wirtschaftliche Schwäche dieser Region um ’Afrin herum widerspiegeln. Slums wie in Kalkutta gibt es zwar nicht, aber die zumeist kurdischen Bauernfamilien leben nicht gerade in Reichtum. Die Straßen werden immer schlechter, je weiter es nach Norden geht. Fast in der Türkei macht die Straße einen Knick und fühlt dem Grenzverlauf nach. Endlich in Tell Naby Houry! Links von der Moschee dieses Propheten des 14. Jhdt. fährt man bis zum Südtor der römischen Stadt Cyrrhus. Von dem ist wenig erhalten, doch wenn man der kahlen Straße nachfolgt, kommt man zum Theater. Rechts davon sind noch ausgedehnte Grundmauern, doch wir beschränkten uns auf das herrlich in den Berg gebaute Theater, dessen Sitzreihen nur noch zur Hälfte erhalten, dessen Bühne nur noch ein dünner Steinstreifen und dessen Halbrund vor der Bühne völlig mit Trümmer zugemüllt ist, und auf die Zitadelle, die hoch oberhalb der Talstadt auf dem Hügel thront. Diese ist ziemlich schlecht erhalten, eröffnet aber einen schönen Blick über die Landschaft, wobei der beste Blick allgemein von der obersten Reihe des Theaters aus ist.

Auf dem Rückweg überquerten wir zwei römische Brücken. Die wurden zwar saniert, aber das Pflaster war dennoch holprig. Die völlig durchlöcherten und abgehobelten Straßen zu den Brücken waren mindestens 20 Jahre, die Brücken selbst fast 2.000 Jahre alt. Die beiden römischen Brücken führen über die Flüsse Sabun und ’Afrin. Diese fließen auch durch die Stadt ’Afrin, die ein ähnlich verkommenes Kurdenkaff ist, wie ’Izaz, wo wir zuvor noch Essen und Trinken eingekauft hatten. In ’Afrin muss man sich ohne Beschilderung orientieren. Irgendwie findet man dann aber nach Ayn Dara, wo man einen 3.000 Jahre alten Hettitertempel auf einem steilen Siedlungshügel für 75/10 Pfund (1,20€/ 0,20€) besichtigen kann. Vom Erhaltungszustand her fast eine Nullnummer, doch von architektonischen Details aus eine sehr schöne Sache. Eine kurdische Familie mit sieben Kindern tobte neben uns her durch die kleine Ruinenstätte, in der es von Löwenfiguren nur so wimmelt. Die größte Figur steht etwas abseits vom Tempel auf dessen Schwellen Fußabdrücke in Schuhgröße 400 zu finden sind. Alles ist übrigens in schwarzem Basaltstein gehalten.

Über Kharab Shams, wo eine Basilika das Highlight einer byzantinischen Ruinenstadt bildet, die wie auf Stelzen steht, und die wir uns am nächsten Tag genauer ansahen, fuhren wir nach Halab, wo ’Afrin noch eine Rolle spielen sollte.
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Seit der Klub aus der 60.000-Einwohner-Stadt 1. syrische Fußballliga spielt, können sie nicht mehr auf ihrem versifften Hartplatz spielen. Nach einem Abstieg in die zweite Liga, die mittlerweile auch höhere Anforderungen stellt, kehrten sie wieder in die erste Liga zurück. Teilweise spielten sie im Stadion des 7. April (siehe Vortag), meist aber im Hamdaniden-Stadion, was nach der Dynastie der Hamdaniden, die von ca. 890 bis 1003 in Nordsyrien und dem Nordirak herrschte und vor allem unter Saif ad-Daula die Macht von Aleppo aus aufrecht erhielt, benannt ist. Die Gastgeber sind also mehr oder weniger ein Exilteam: ’Afrin liegt immerhin knapp 60km nördlich von Aleppo (Halab).
Derzeit sieht es für ’Afrin nach Widerabstieg aus, da sie Tabellenletzter sind. Doch noch sind sie nicht abgeschlagen. Klar besser platziert jedoch der heutige Gegner, der allerdings ein schwaches Torverhältnis hat: Umayya Idlib, die nach den Banu Umayya bzw. Umayyaden benannt wurden, welche die erste Dynastie des Islam war (661-750) und von Damaskus aus ein bedeutendes islamisches Reich regierte. Einige der Schlösser und Moscheen der Dynastie habe ich ja bereits besucht. Jetzt also auch noch den Fußballverein – und weil der Name so schön ist, gingen wir in den Gästesektor (wie üblich rechts vom besten Sektor der Haupttribüne), wo wir die Sensation waren.

Der harte Kern der Fans bat uns gleich zu sich. Nach und nach bekamen wir mal wieder eine ganze Menge geschenkt: Sonnenblumenkerne, Kaffeebohnen, Falafel und sogar eine rot-grüne (Vereinsfarben) Flagge, die mir als Stirnband umgebunden wurde. Wir lernten auch ’Amar kennen, der perfekt Englisch sprach, da er seit einigen Jahren diese Sprache fleißig studiert.

Nach der Aufstellung gab es die Nationalhymne aus schlechten und leisen Lautsprechern und Umayya begann etwas Druck auszuüben, was die schwache ’Afrin Abwehr sogleich überforderte. Ein schöner Schuss von Samer Al-Yazidjy, einem der bekanntesten und beliebtesten Spieler des Vereins, führte zum 1:0. ’Amar wies uns auf eine Unsitte des Umayyaden-Teams hin: bei Führung mit hinten reinstellen anfangen – was sie sogleich auch taten. Die Heimmannschaft wurde jetzt unruhig und aggressiv – die ständigen Fouls zerstörten den meisten Spielfluss, die mäßige Schiedsrichterleistung den Rest. Die Spieler standen sich sehr viel auf den Füßen herum und die wenigen Chancen wurden schwach vergeben. Auf dem Feld hagelte es gelbe Karten – auf den Rängen Pöbeleien. ’Amar machte passende Bemerkungen wie „Die sind so aggressiv, weil das Kurden sind! Typisch! Die sind auch bei euch in Deutschland so!“ – andere gingen jetzt heftiger ab: „Fick deine Schwester, ’Afrin – du kurdische Hure!“ Die zahlenmäßig überlegenen ’Afrin-Fans habe ich nur mit Blasinstrumenten vernommen – die Sprechchöre waren wegen der Krakeeler neben uns nicht zu verstehen.

Dass das 1:0 bis zur 85. Minute bestand haben sollte, hätten wir nicht gedacht. Die mangelnde Professionalität, die mir einige Fans klagten, ließ sich da nicht von der Hand weißen: lasches Abwehrverhalten, grober Torwartfehler, ’Afrin stolpert den Ball rein und die Umayyaden belappen sich erst mal untereinander. Nachdem es endlich weiter geht, vergibt ’Ammar Zakkour eine Chance, die jeder 60jährige Altherrenfußballer hätte zum 2:1 versenken müssen. Die Stimmung in unserem Block wurde jetzt aggressiv: der Streit über die Schuld und das Unvermögen von Torwart Djihad al-Agha endete in einer Schlägerei zwei Reihen vor uns. Die Sicherheitskräfte dachten gar nicht daran einzuschreiten. Noch zwei Chancen für ’Afrin, die ohnehin in der gesamten zweiten Halbzeit klar besser waren – aber kein Tor. Wenigstens ein 1:1 für Umayya, mit dem aber niemand der Idlibi zufrieden waren. Die Leute aus Idlib sind übrigens, wie mir von zweien erklärt wurde, für zwei Dinge berühmt: Oliven und Schwuchteln. Ersteres kommt halt daher, da der Bezirk Idlib der Hauptproduzent für Oliven und Olivenölprodukte in Syrien ist – die Bäume stehen da auch echt an jeder Ecke! – Letzteres ist auch den Idlibi unbekannt, warum andere Syrer immer behaupten, dass die ganze Stadt voller Homosexueller sei.
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Die großen Auseinandersetzungen blieben aus – vor der Saison hatte man ja ein Freundschaftsspiel zwischen beiden Mannschaften wegen Zuschauerausschreitungen abgebrochen. Wir quatschten noch ein bisschen mit ’Amar, fuhren zu dem Parkplatz am Rande der Altstadt, wo wir an jedem der fünf Tage nach den Rundfahrten zu den Sehenswürdigkeiten kostenfrei geparkt hatten und liefen zum Hotel. Von dort aus dann weiter zum Sala Assad, der Assad Halle (der Name des Staatspräsidenten heißt übrigens „Löwe“) wo, wie erst auf Radio „Saut ash-Shabab“ (Stimme der Jugend) am Morgen beim Autofahren gehört, das 1. Liga Basketballspiel zwischen Al-Huriyya und Al-Wahda stattfand. Al-Huriyya bedeutet „Die Freiheit“ und ist im Fußball der Klub Nummer 2 in Aleppo (hinter Al-Ittihad, die Eintracht (oder Union)) und im Basketball Nr. 3. Während Huriyya im Schnitt nur 250 Zuschauer anzieht, also etwa so viele wie der vierte Aleppiner Erstligist Al-Yarmouk, zieht Al-Ittihad über 1.000 Zuschauer pro Spiel und Al-Jalaa (Die Befreiung) doppelt so viele. Aber beide Teams spielten zu dieser Zeit nicht, sodass die Partie 8. (von 12) gegen 3. für uns ausreichen musste. Al-Wahda (= die Einheit) ist im Fußball wie im Basketball die Nr. 1 in Damaskus, doch Fans brachten sie beinahe keine den weiten Weg nach Halab mit.
Unverschämte 200 Pfund pro Karte übrigens! Aber mal wieder jeder der Ordner mit „Welcome, Sir“ und ähnlichen freundlichen Bemerkungen.

Für die 3,20€ bekam man im schönen, aber leider schlecht beleuchteten Assad-Saal gepolsterte Sitze (andere Möglichkeiten sind gepolsterte Bänke oder Kunststoffschalensitze) und ein gutes Spiel geboten, was viel zu wenige Zuschauer verfolgten, die bis auf eine kleine Gruppe mit Megaphon und Flagge auch kaum anfeuerten. Beim Basketball wurde übrigens kaum gepöbelt – der Frauenanteil bei den Zuschauern war auch viel höher als beim Fußball, wobei das nur logisch ist: der beliebteste Vereinssport bei Syrerinnen ist Basketball. Jedoch selbst diverse Kampfsportarten erfreuen sich viel mehr weiblicher Mitglieder, als Fußballvereine, deren führende Teams übrigens manchmal aus den unmöglichsten Käffern wie as-Salamiya oder Haush al-Arab kommen.
Al-Huriyya hielt besser mit als erwartet: ein athletisches und schnelles Spiel mit oft extrem scharfen Pässen und recht viel Anrempeln hielten die Aleppiner bis zum dritten Viertel offen. Im dritten Viertel, was den Durchhänger des Spiels bedeuten sollte, zeichnete sich ein Sieg für den Favoriten ab, der zwar auch schlechter war im dritten Spielabschnitt, aber im richtigen Moment mit Dreiern punktete. Die letzten drei Minuten sahen dann noch mal Punkte am Fließband und ein wildes Hin und Her, was den Sieg für Einheit Damaskus nur bestätigen sollte. Kurioseste Gestalt des Spiels war übrigens der ca. 2,15 große und sicherlich kaum 80kg leichte Schwarzafrikaner von Al-Wahda.

Noch schnell was in der Nähe des Hotels essen und dann trotz diverser kurzer Stromausfälle im Stadtbezirk (musste ja auch irgendwann mal passieren in Syrien) die Bilder bearbeitet.
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Statistik:
Ground Nr. 401 (zwei neue Grounds; diese Saison: 70 neue)
Sportveranstaltungen Nr. 964 und 965 (diese Saison: 107)
Tageskilometer: 210 (Auto)
Saisonkilometer: 23.520 (16.080 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 2.320 öffentliche Verkehrsmittel/ 2.120 Fahrrad)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 52
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 189

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