Donnerstag, 21. September 2023

W3.0143I: Ukrainisch-Portugiesisches Champions-League-Duell in Hamburg

FK Shakhtar Donezk

1 : 3 (1:3)

Futebol Clube do Porto

- Datum: Dienstag, 19. September 2023 – Beginn: 21.00

- Wettbewerb: UEFA Champions League, Gruppe H (Meister der Ukraiynska Premyer Liga; 1. ukrainische Profifußballliga gegen Vizemeister Primeira Liga, sog. Liga Portugal Bwin; 1. portugiesische Profifußballliga)

- Ergebnis: 1-3 nach 97 Minuten (48/49) – Halbzeit: 1-3

- Tore: 0-1 8. Galeno, 1-1 13. Kelsy, 1-2 15. Galeno, 1-3 29. Taremi

- Gelbe Karten: Konoplia, Stepanenko, Sikan (Shakhtar); David Carmo, João Mário (Porto)

- Rote Karten: keine

- Austragungsort: Volksparkstadion (Hamburg; Kap. 57.000, davon 47.000 Sitzplätze – heute 51.000 Sitzplätze)

- Zuschauer: 46.723 (davon ca. 3.000 Porto-Fans, ca. 15.000 Ukrainer, der Rest überwiegend deutsche HSV-Fans)

- Spielbewertung: 7,5/10

Shakhtar Donezk 1:3 FC Porto

Photos with English commentary (FLICKR):

a) Champions League: Shakhtar Donezk vs. FC Porto (in Hamburg/ Germany)

b) Hamburg: Volkspark public garden  

Klingt erst einmal nach einer kuriosen Ansetzung: In der Gruppenphase der Champions League treffen der ukrainische Meister und der portugiesische Vizemeister in Hamburg aufeinander. Im Stadion eines Zweitligisten, der trotz seiner Unfähigkeit aufzusteigen, mehr Zuschauer bei höheren Eintrittspreisen zieht, als viele Erstligisten in vergleichbaren europäischen Ligen... Aber klar: In der Ukraine ist Krieg und Donezk ist auch besonders stark betroffen. Vor dem Krieg waren je etwa 48 % der Bevölkerung Ukrainer (teils Ukrainisch-, teils Russischmuttersprachler) und Russen. Die restlichen 4 % überwiegend russifizierte (d. h. von den russischen Herrschern assimilierte) Tataren, Griechen etc. Die Stadt ist bzw. war ein Zentrum des Kohlebergbaus und der Schwerindustrie. Eine ideale Gemengelage also, um Opfer des russischen Imperialismus zu werden. Der böse Westen provoziert Russland ja immer dazu, sich die Bodenschätze anderer Gebiete mit Gewalt zu holen, vor allem solche Gebiete, in denen ethnische Russen leben... Seit 2014 tut Russland das in Donezk und Umgebung, also der Region Donbass. Damals war in der allgemein russlandfreundlichen Stimmung in Deutschland das noch kein Thema, während in Osteuropa schon Rufe laut wurden, sich Russland gegenüber so zu verhalten, wie es erst seit dem Angriff von 2022 der Fall ist. Beim russischen Bombenterror 2014 wurde auch das Stadion von Shakhtar beschädigt. Seitdem spielen sie in sichereren ukrainischen Städten bzw. in Polen. Fußball in Kriegszeiten ist natürlich problematisch, viele Deutsche z. B. wollen auch nicht kapieren, dass man nicht 24 Stunden und 365 Tage im Jahr im Krieg sein muss, wenn man angegriffen wurde, und gönnen der Ukraine oder z. B. auch Syrien nicht, dass es einen funktionierenden Sportbetrieb gibt. Diesen gab es jedoch in Deutschland auch bis 1944 und dann für ein Jahr nur stärker eingeschränkt, aber selbst Anfang 1945 wurde noch Sport getrieben und veranstaltet. Größtes Problem war stets, dass die Allierten damals bzw. die Russen oder das Assad-Regime heute, zivile Menschenansammlungen zum Verbreiten von Angst und Terror gezielt angegriffen haben. So wurden Spiele entweder nur mittels Mund-zu-Mund-Propaganda am selben Tag angekündigt oder wie heute in der Ukraine ohne Zuschauer ausgetragen und in Stadien, deren wenige dort aufhältigen Sportler und Offizielle schnell in Luftschutzbunker evakuiert werden können. Aber die Ukraine hat sowas ja wenigstens, in Syrien ist das in den vom Regime befreiten Gebieten viel schwieriger und gefährlicher, wenn das Stadion evakuiert werden muss. Hallensportarten sind wegen der Auffälligkeit beleuchteter Sporthallen und deren schwierige Evakuierung noch stärker eingeschränkt, als Freiluftsportarten. Wegen Ressourcenknappheit, sind aber Motorsportarten in einer Konfliktsituation stets am schlechtesten dran.

Da mir der Hamburger Volkspark noch fehlte und ich die Partie auch interessant fand, wartete ich ab, ehe endlich Einzeltickets verkauft wurden. Aus Gier werden ja dauernd Dreierpacks oder ähnliches angeboten. Die angegebenen 46.723 Zuschauer halte ich für zu hoch gegriffen. 43.000 oder 44.000 maximal. Gegen Antwerpen wird die Bude halb leer sein, aber wieder an die 50.000 Zuschauer gemeldet sein. Die werden, aufgrund der Idioten, die nach Auslosung des FC Barcelona als Gruppengegner, gleich mal so ein Abo abgegriffen haben, nur gegen Barca ihren Weg in den Volkspark finden. Das Stadion ist aber eines der besseren modernen mit schöner Dachkonstruktion und angenehmen blauen Sitzfarben. Drei Ränge, wenig ansprechende Außenform, direkt am namensgebenden Volkspark gelegen. Das ist eine der wenigen halbwegs attraktiven Ecken dieser hässlichen und überschätzten Großstadt. Geparkt haben wir gegenüber von einem dieser vielen hässlichen Hamburger Hartplätze. Mit 38€ sind die Champions League Karten noch im Rahmen gewesen; aber HSV ist maßlos teuer für zweitklassigen Profifußball und unbewachtes Parken am Stadion. Na gut, die Fischbrötchen für 5€ waren noch halbwegs akzeptabel...

Das Publikum war der Partie entsprechend zu mindestens einem Drittel ukrainischer Herkunft. Das werden überwiegend Kriegsflüchtlinge, sogenannte Flüchtlinge und Migranten aus der Ukraine, welche sich in Norddeutschland niedergelassen haben, sein. Die Hamburger Fans schienen überwiegend Donezk zu unterstützen. Aber auch sicher 3.000 Portugiesen, darunter auch viele in Deutschland ansässige, unterstützten den FC Porto. Die Frage werden sich einige sicher gestellt haben, deswegen habe ich das mal recherchiert: Anders als man vielleicht zusammenfantasieren könnte, hat Shakhtar keine pro-russische Fan-Base. Der Verein ist seit Jahren entwurzelt aus der überwiegend russifizierten Region des Donbas und weder Fans noch Vereinsführung sind sonderlich begeistert vom Umstand, dass die Russen deren Stadion zerschossen haben. Die russischen Besatzer, Terroristen und Separatisten sind ja lediglich bei einem Teil der ostukrainischen, russischsprachigen Bevölkerung als Befreier von den ukrainischen Nazis angesehen. Ich entschuldige mich bei den politisch nicht interessierten Lesern meines Blogs für die langen politischen Ausführungen, bestehe aber darauf, dass diese hierher gehören, da dieses ganze Spiel ein Politikum ist. Außerdem finde ich, dass man sich auch als unpolitischer Mensch mal die Absurdität der Situation in der Ukraine vor Augen führen kann: Da kämpfen russische Nazis gegen ukrainische Nazis, die alle die gleichen Hackfressen haben, die auch noch so ähnliche Sprachen sprechen, dass sie sich gegenseitig weitestgehend verstehen können, weil unter dem Vorwand der Entnazifizierung und Rettung der vermeintlich malträtierten russischen Minderheit, die russischen Nazis sich die Bodenschätze, Arbeitskräfte und Ländereien, welche sie mal zeitweilig ausgebeutet haben, wieder unter den Nagel reißen wollen. Da fragt man sich doch, ob die Ukraine nicht in den 90ern besser wirklich das gemacht hätte, was ihnen die Russen seit ein paar Jahren im Donbass so haltlos vorwerfen: einen Völkermord. Wäre ja auch nur Gleiches mit Gleichem vergelten, so wie die Russen sich überall aufführen, mit den Genoziden und Deportationen der letzten fast 200 Jahre...

Noch so ein Politikum: Vor Spielbeginn gab es eine Schweigeminute für die Opfer der Katastrophen in Nordafrika am zweiten Septemberwochenende. Das waren einmal das Erdbeben in Marokko, wo es im Hohen Atlas etwa 3.000 Tote gab und außerdem die Flutkatastrophe/ das Starkregenereignis/ der Dammbruch im Osten Libyens, wo 11.000 oder mehr Menschen umgekommen sind. Menschen, die den meisten Deutschen, Portugiesen und Osteuropäern jetzt nicht so nahe stehen, wie Ukrainer – also gab es schon mal einige Störungsrufe bei der Schweigeminute. Beim Länderspiel Deutschland gegen Frankreich in Dortmund war das ebenso deutlich im TV zu hören und tags darauf beim FC Bayern hat sowas auch zu Streitigkeiten geführt. Mir steht ja v. a. Marokko persönlich viel näher – meine Freunde da waren aber nicht betroffen, da sie viel weiter nördlich wohnen, da spürte man nur ein leichtes Wändewackeln. Hauptproblem bei dem Beben in Marokko: Alte, verfallene Bausubstanz und dahingepfuschte neue Bausubstanz, die gegen die an sich auf dem Papier intelligenten Bauvorschriften verstößt. Also Korruption und anderes menschliches Versagen, was zu unnötigen und v.a. unnötig vielen Toten führte.

Noch schlimmer in Libyen: Die verlogene deutsche Presse hat das weitestgehend verschwiegen, da das deutsche Staatsfernsehen und die regierungshörigen Zeitungen z. B. ohnehin die Diktatoren im arabischen Raum nicht so negativ betrachten. Da gibt es zum einen die grüne Wahnvorstellung, wir Menschen würden eine Einfluss aufs Klima haben und es sei unsere Schuld im sogenannten „Globalen Norden“, dass im sogenannten „Globalen Süden“ (hieß früher Entwicklungsländer oder Dritte Welt) eine „nie dagewesene Springflut“ wahnsinnigen Schaden in Libyen angerichtet hat. Wenn man halbwegs gebildet ist und sich vielleicht sogar – wie ich – in der Region auskennt oder einfach mal nur Al Jazeera (English) liest, erkennt man aber schnell, was in ARD, ZEIT und der ganzen anderen Lückenpresse für eine toxische Mischung an Klimahysterie und Gaddafi-Nostalgie herrscht. Die Infos zu den beiden gebrochenen Staudämmen oberhalb von Derna, welche für fast alle Toten verantwortlich sind, muss man sich von besseren, neutraleren Nachrichtenseiten wie eben Al Jazeera English holen: In den 70ern von den Jugos gebaut, seit 1998 Schäden bekannt, sollten in den 2000ern längst vom Gaddafi-Regime repariert werden – doch die Gelder des keinesfalls armen, sondern nur von den korrupten Sozialisten falsch gemanagedten Libyen, wurden abgezweigt, da Derna im Osten schon lange überwiegend Anti-Gaddafi war und daher bei der Staatsführung im Westen des Landes unbeliebt – und nach dem Sturz von Gaddafi hat sich niemand mehr gescheit darum gekümmert. Mit dem bei ARD genannten Bürgerkrieg hat das auch nur in so weit zu tun, dass die Russen-Marionetten von General Haftar im Osten Libyens einfach die letzten Idioten sind, dass trotz erneuter ingenieurtechnischer Studien vor zwei Jahren, nichts an den baufälligen Staudämmen gemacht wurde, die eigentlich auch auf solche Regenmengen ausgelegt sind. Auch hier wieder eine schädliche ausländische, auch gerade russische Einmischung festzustellen, die ungern im Westen so genannt wird. Lieber wird die Klimaagenda gefahren.

Ein Spiel gab es ja auch noch, wie gesagt. Die Partie begann furios mit voller Offensive auf beiden Seiten. Der italienische Schiri verteilte früh Karten, die Partie sollte aber sehr fair sein. Einmal spielte ein Portugiese sogar den Ball ins aus, obwohl er frei vorm Tor war – denn ein Gegenspieler hatte sich verletzt. Porto ging früh 0:1 in Führung, Donetzk glich per Kopf aus, kassierte aber nach grobem Abwehrfehler keine zwei Minuten später das 1:2. Nach einer knappen halben Stunde netzte noch ein iranischer Nationalspieler für den FC Porto zum 1:3 ein. Die bis zum Ende hin gute Partie sah leider keine weiteren Treffer mehr. Zu Beginn der zweiten Hälfte hatte Shakhtar seine beste Phase, aber man merkte, dass der portugiesische Vizemeister dem ukrainischen Rekordmeister qualitativ doch deutlich überlegen war.

Der Spielbesuch hat sich aber auf jeden Fall gelohnt. Ein richtig faires Miteinander wie gesagt – und ein wirklich gutes Spiel.

Ankunft in Braunschweig: kurz vor 2 Uhr...

Shakhtar Donezk 1:3 FC Porto

Statistik:

- Grounds: 3.489 (1; diese Saison: 66 neue)

- Sportveranstaltungen: 4.908 (1; diese Saison: 87)

- Tourkilometer: 360km (360km Auto)

- Saisonkilometer: 8.250 (6.650 Auto, davon 0 Mietwagen/ 0 Flugzeug/ 1.420 Fahrrad/ 0 Bus, Bahn, Straßenbahn / 180 Schiff, Fähre)

- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 120 [letzte Serie: 12, Rekordserie ohne 0-0: 178]

- Jede Woche mindestens eine Sportveranstaltung seit: Kalenderwoche 2 des Jahres 2021 (04.-10.01.), d.h. seit 143 Wochen in Folge [letzte Serie: 30 Wochen von KW22/2020-51/2020; Rekordserie: 711 Wochen von KW 31/2006 bis KW 11/2020].

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