Montag, 7. Januar 2013

W336II: Viel Show, wenig Niveau – Freiluft-Eishockey in Nürnberg

“Thomas Sabo” Ice Tigers Nürnberg ------------------ 4
Eisbären Berlin --------------------------------------------- 3
Datum: Samstag, 5. Januar 2013 – Anbully: 16.30
Wettbewerb: Deutsche Eishockey Liga (1. Profi-Eishockeyliga)
Ergebnis: 4-3 nach 60 Min. (3x20) – Drittelergebnisse: 0-0, 1-1, 3-2
Tore: 1-0 33. James, 1-1 40. Busch, 2-1 43. Schüle, 2-2 43. Rankel, 3-2 47. Reimer, 4-2 54. Jaspers, 4-3 60. Mulock
Strafminuten: Reimer 2, James 2, Chouinard 2 (Nürnberg = 6 Minuten); Sharrow 2, Mulock 2, Hördler 2 (Berlin = 6 Minuten)
Spielort: Frankenstadion bzw. sogenanntes „Stadion Nürnberg“ (Kap. 50.000, davon 44.308 Sitzplätze)
Zuschauer: „50.000 ausverkauft“ gemeldet (real ca. 48.000, davon ca. 6.000 Gästefans)
Unterhaltungswert: 5,0/10 (Gutes 3. Drittel nach zwei sehr schwachen Spielabschnitten - übertriebenes und eher durchwachsenes Showprogramm - erwartungsgemäß durchwachsene Stimmung)
DSC01528 Photos with English Commentary:

Nachdem wir ein Jahr lang kein Spiel der Eisbären gesehen hatten, wollten wir im Zusammenhang mit einem Europa-Rekord gleich unser erstes Auswärtsspiel des Berliner Eishockeyclubs sehen. Die Skepsis meinerseits bezüglich eines solchen „Events“ sollte sich als noch zu zurückhaltend erweisen, da ich nicht mit der schlechten Leistung beider Teams, insbesondere der der Eisbären gerechnet hatte, sodass es 40 Minuten Eishockey des untersten professionellen Niveaus zu sehen gab und erst dann das zu erwarten gute Spiel.

Für schweinisch teure 29,50€ (die Ermäßigung von 3,50€ war schon lächerlich zu nennen) pro Karte in der Ecke des Oberranges – ein Preis, der mit der Nachfrage von Eventfans und nicht mit dem tatsächlichen Kostenaufwand der Veranstaltung im Zusammenhang zu stehen schien – bestellten wir natürlich schon Wochen vorher unseren Zugang zu diesem gehypten Event.

Schon über zwei Stunden vor dem eigentlichen Spiel gab es Eishockey zu sehen: zwei Altherrenmannschaften, ein Team von Lorenz Funk und das andere von Peter John Lee geleitet, traten gegeneinander an. Dass das ansehnliche Resultat von 4:4 dem sportlichen Zufall geschuldet war, glaubten auch nur die wenig erfahrenen Eishockeyfans. Aber immerhin hat es sich gelohnt, bei diesem Spiel ehemaliger Topakteure des deutschen Eishockeys zuzusehen.

Lohnend zuzuhören war es bei der Darbietung von „BossHoss“, die sehr gute Rockmusik einspielten und sogar [Conny mal den Text in den ~ nicht mitlesen ;-)] ~ eines der beschissensten international bekannten Lieder nach „One Day“ von Avidan welches das beschissenste überhaupt ist, das je geschrieben wurde: Hey Ya von OutKast ~ in eine gut hörbare Form brachten. Die andere Band, „Boots“, wirkte unprofessionell, kam nicht gut rüber und fiel gegenüber „BossHoss“ massiv ab. Noch nervender für die Ohren als „Boots“ waren nur der Sprecher und die Sprecherin, die meinten nach Vorbild US-amerikanischer Moderatoren herumplärren zu müssen. Die Stimmung hat das nicht wirklich angeheizt, da die Fans, die wirklich Stimmung gemacht haben, keine Aufforderungen solcher lächerlicher Clowns brauchen.

Erwartungsgemäß waren die eben erwähnten Eishockeyfans in der absoluten Minderheit. Es war erschreckend, dass außer einem großen Teil der etwa 6000 Berliner nur etwa 1000 Nürnberger Stimmung machten. Teilweise waren selbst diese 1000 Eishockeyfans völlig leise. Vielleicht auch resigniert, da die anderen knapp 40000 die auf ihrer Seite waren, nur LaOla und Klatschpappen unter „Stimmung“ verstanden. Erst beim „Oh wie ist das schön“ kurz vor Schluss sangen ein paar Leute mehr mit. Aber so ist das halt bei einem solchen „Event“ bei dem der Sport nur den Rahmen für Show bietet: die Hälfte des Publikums war noch nie bei diesem Sport und ein Viertel ist es nur selten und kann sich dann entsprechend doch nicht so mit den Teams identifizieren.

Was die größte Choreo im europäischen Eishockey anging, kann man immerhin festhalten, dass sie so misslungen nicht war. Schade, dass bei den rot-weiß-blauen Ponchos der Berliner solche Lücken klafften – siehe Bild von der Eisbären-Website http://www.eisbaeren.de/meldungen/winter-game-knapp-verloren/ – aber nach den ganzen Erklärungen des Clowns zu den weißen Klatschpappen, klappte immerhin das hochhalten dieser Dinger gut. Die Glitzerfahnen der Nürnberg Fans wirkten auch ganz ordentlich. DSC01601 Die Anfeuerungen während des Spiels ebbten auch in den Blöcken der eingefleischten Fans bald ab, wobei sie im Gästesektor nie ganz versiegten. Dass die Stimmung auch unter den Besuchern, die vor Betreten des Stadions wussten, dass beim Eishockey eine Scheibe mit Schlägern geschossen und kein Ball mit Füßen getreten wird, zunehmend verhalten erschien, hatte mit der Qualität des Spiels beider Teams zu tun.

Man kann einige Ausreden finden von wegen stumpfes Eis oder störender Regen, aber de facto waren beide Teams einfach schwach. Die ersten 20 Minuten sahen ein hin und her plätscherndes Spiel mit vereinzelten Torschüssen, die aber kaum einmal vom Goalie vereitelt werden mussten, da diese meist den Kasten verfehlten. So ging es folgerichtig 0:0 in die Pause. Eine Schande, dieser Hype um so ein Gegurke!

Das zweite Drittel war eigentlich noch schlechter, obwohl BossHoss mit dem zweiten Auftritt noch mal die Stimmung etwas anhob. Endlich fielen auch mal Tore. Die Nürnberger hatten sich merklich mehr Chancen erspielt – was bei so einer schwachen Leistung des Gegners auch nicht weiter schwer ist, der hinten dauernd alles offen ließ, sodass die Eistiger Konter fuhren – und kamen auch zum erlösenden 1:0 nach mehr als der Hälfte der Spielzeit. Die erste wirkliche gute Aktion des ganzen Spiels war der hervorragende Schlagschuss von Busch, Sekunden vor Ende des zweiten Drittels, zum Augleich.

Nach dem zweiten Auftritt von „Boots“, der noch schlechter war als der erste – wieso haben die eigentlich das „Sweet Caroline“ für diesen lächerlichen Chor gesungen?! – wurde plötzlich an den tollen Treffer von Busch angeknüpft. Die Nürnberger gingen wieder in Führung und konnten in einem offenen Schlagabtausch nach erneutem Ausgleich der Berliner das Spiel mit zwei weiteren Treffern für sich entscheiden. Nach dem erst per Videobeweis ersichtlichen Treffer zum 4:3 vergab Berlin noch die letzte Chance und zeigte sich als fairer Verlierer. Insgesamt nur 12 Strafminuten von den strengen Schiris (für beide Teams zusammen): für die DEL extrem fair!
DSC01633 Was als Fazit bleibt, ist dass die Überschrift auf der Website der Ice Tigers „Mega-Event mit zufriedenen Gesichtern“ sehr vielsagend ist. Allerdings versteht nur der Fan, der sich ganz gut oder sehr gut mit Eishockey auskennt, was hinter so einer Zeile – vom Autor sicher nicht beabsichtigt – wirklich steckt: Da BossHoss trotz ihrer Deutschkenntnisse dauernd beim albernen Ami-Englisch blieben, ein passendes Zitat im britischen Englisch gegen diese Ice-Tigers-Überschrift: „much ado about nothing“.

Ein bis auf das letzte Drittel schwaches Spiel, eine durchwachsene Show, allenfalls mittelmäßige Stimmung und ein alberner Hype um ein Showevent bei dem der Sport schon fast in den Hintergrund rückt und von den meisten Zuschauern nur besucht wurde, um mal Teil eines „coolen Mega-Events“ zu seien, ohne wirklich Interesse am Eishockey zu haben oder Interesse jemals in eine Eissporthalle zu einem Spiel der DEL oder anderer Ligen zu gehen. Das ganze natürlich für horrende Preise und penetrante Werbung: Mehr als 26,50€ bzw. 29€ haben wir beide nur mal für sehr gute Plätze in der Mitte der Haupttribüne des Wellblechpalastes für Eisbären gegen Hannover Scorpions bezahlt, mehr Werbung als von Schmuckunternehmer (also quasi „Großjuwelier“) Thomas Sabo, der den bankrotten und v.a. von Bionorica (Stichwort: Sinupret) herab gewirtschafteten Club übernahm um so neben einer guten Tat für das Nürnberger Eishockey auch eine gute Tat für seine Werbemöglichkeiten zu tun, habe ich auch noch nicht gesehen. Mich wundert, dass neben einigen mehrminütigen Werbeeinblendungen und unübersehbaren Bannern, nur der ganze Club, die „Thomas Sabo“ Ice Tigers und die „Thomas Sabo“ Eiscrew (lächerliche Cheerleader) von ihm benannt wurden. Mensch Thomas! Da fehlen die „Thomas Sabo-Eismaschine“ und der „Thomas Sabo-Familienblock“! Und was ist mit dem „Thomas Sabo-Bully“ oder dem „Thomas Sabo-Plexiglas“? Die berühmte Thomas Sabo-Eckfahne gibt es ja beim Eishockey leider nicht, obwohl die Nutella sicherlich gerne mal einführen würde, um Manni Breuckmann zu ärgern...

Wie den Bildern zu entnehmen ist, hat sich bald mehr als der Besuch des Spiels der Besuch der Stadt Nürnberg gelohnt. Mal abgesehen vom architektonisch wie historisch interessanten Reichsparteitagsgelände mit dem Zeppelinfeld (ob ich mir dort nicht doch mal noch ein Spiel dieser beschissenen Sportart „American Football“ angucke?) gibt es auch in der Altstadt Interessantes zu sehen. Eine tolle Burganlage, mehrere sehenswerte Kirchen (besonders St. Sebaldus), imposante Brückenbauten und vereinzelte Fachwerkhäuser machen Nürnberg zu einer der schöneren Städte Deutschlands, wobei es aufgrund der sichtbaren Kriegszerstörungen (heute freilich nur noch anhand der Bausünden und primitiven Betonersatzbauten erkennbar) nicht für einen Platz unter den sehenswertesten 20 deutschen Städten reicht... DSC01478 Statistik:
Grounds: 842 (heute 1 neuer; diese Saison: 74 neue)
Sportveranstaltungen: 1.686 (heute 1, diese Saison: 109)
Tageskilometer: 570 (570km Auto)
Saisonkilometer: 25.850 (24.260 Auto/ 1.460 Fahrrad/ 80 Schiff, Fähre/ 50 Bahn, Bus, Tram/ 0 Flugzeug)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 12 [Letzte Serie: 6, Rekord: 141]
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 336

Keine Kommentare: