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Montag, 3. März 2014

W396I-VI: Fußball in der West-Sahara; Geheimpolizei im Stadion von Laâyoune und entscheidendes Eigentor im südlichsten und abgelegensten Ground Marokkos

---------- Club Mouloudia Dakhla (مولودية الداخلة) ----------
........................................ 1:0 (1:0) ......................................
Club Amal Souk Sebt/ Oulad Nemma (نادي أمل سوق السبت)
- Datum: Sonntag, 2. März 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: GNF Amateur 1, Groupe Sud [بطولة القسم الوطني الأول هواة] (d.h. 3. Marokkanische Fußballliga, 1. Amateurliga)
- Ergebnis: 1-0 nach 94 Min. (47/47) – Halbzeit: 1-0
- Tore: 1-0 10. Eigentor Nr. 6 CASS (Vorlage Nr. 9 CMD)
- Verwarnungen: Nr. 12 (CMD); Nr. 8, 20 (CASS)
- Platzverweise: keine
- Spielort: Stade Massira [ملعب المسيرة بالداخلة] (Kap. 2.000 Sitzplätze)
- Zuschauer: ca. 1.000 (darunter ca. 5 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 5,5/10 (Flachte ziemlich ab nach einer guten ersten Hälfte…)

Jeunesse Sportive Massira Laâyoune (شباب المسيرة العيون)
...................................... 0:1 (0:0) .......................................
-- Club Omnisport De Meknès - (النادي الرياضي المكناسي) --
- Datum: Samstag, 1. März 2014 – Anstoß: 14.30
- Wettbewerb: Botola 2/ GNF 2 [2 البطولة الوطنية المغربية] (d.h. 2. Marokkanische Fußballliga, Halbprofiliga)
- Ergebnis: 0-1 nach 100 Min. (51/49) – Halbzeit: 0-0
- Tor: 0-1 47. Abdelkarim Ghaly
- Vergebener Elfmeter: 29. Min., Nr. 6 von JSM (übers Tor)
- Verwarnungen: Nr. 23 (JSM); Nr. 10 (CODM)
- Platzverweise: Nr. 18 von CODM (28. wg. Notbremse)
- Spielort: Stade Moulay Rachid [ملعب مولاي رشيد] (Kap. 2.000 Stehplätze)
- Zuschauer: ca. 1.300 (davon ca. 200 Gästefans)
- Unterhaltungswert: 7,0/10 (Ganz ordentliches Niveau, spannend bis zum Schluss und sehr gute Stimmung)
Photos with English and Arabic Commentary:
Sports:
a) Football in Western Sahara: JSM Laâyoune vs CODM Meknés (2nd Division at Moulay Rachid Stadium)
b) Amateur Football in West-Sahara: Mouloudia Dakhla v Amal Souk Sebt (3rd Division, Southern Morocco)
Sightseeing:
a) Between Ouarzazate and Marrakech: Ait Ben Haddou, Telouet and Kasbahs in between the two
b) Tafilalt & Ziz: Midelt Old Town and Ahouli Mining Ghost Town; Rissani, Erfoud, Maadid Kasbahs; Merzouga Erg Chebbi Dunes 
c) Todhra Valley: Kasbahs and Gorges between Erfoud and Ouarzazate 
d) Agadir Region: Tiznit Old Town and Sidi Ifni Town and Surroundings 
e) Moroccan/ Western/ Spanish Sahara: Tantan, El-Ouatiya, Tarfaya, Laayoune, Dakhla  
Nach Ende des Semesters in Fès fehlte nur noch ein Ground der 1. und 2. Ligen Marokkos, nämlich der des Zweitligisten JSM Laayoune in der West-Sahara. Da noch ausreichend Zeit war und der Anreiz auf einen exotischen Länderpunkt hoch, war ich mir schnell mit meinem Vater einig, einfach über die West-Sahara nach Mauretanien zu reisen und dann wieder hoch nach Marokko und zurück nach Deutschland. Am Dienstag den 25. Februar begann diese mehr als 20.000km lange und knapp vier Wochen dauernde Reise mit dem Abschied von meiner Gastfamilie, die mich wirklich wie ein Familienmitglied bei sich aufnahm. Der angehende Friseur Mohammed verpasste mir noch einen militärischen Kurzhaarschnitt, beim Frühstück blödelten die anderen drei Kinder noch ein letztes Mal mit mir rum und dann kam auch schon ein Bekannter mit einer Sackkarre der meine Sachen zum Auto brachte, wo wir uns voneinander verabschiedeten. Ich gab natürlich ein ganz Groundhoppertypisches Versprechen zu Wiedersehen: spätestens zur Afrikameisterschaft 2015 in Marokko…

Dann ging es auf die Piste: die Strecke bis Boulemane war mir bereits bekannt, gleich nach dem Ort kommt ein toller Tunnel der durch einen Felsüberhang gebohrt wurde. Danach ist die Strecke zwar immer noch kaum befahren und schnell, aber teils zu eng. Einige Einheimische schockte ich auch gut mit meiner rücksichtslosen Fahrweise: dass ein Ausländer wie ein einheimischer Taxifahrer stur draufhält bei Gegenverkehr hätten die nicht gedacht... Ein unsicherer Fahrer streifte dann mit seinem Renault-Kangoo-Außenspiegel meinen Dacia-Sandero-Stepway-Außenspiegel – meiner ist noch dran und nicht gesprungen; seiner lag auf der Straße… Ich passte mich natürlich den landestypischen Gepflogenheiten an und gestikulierte nur mit der flachen Hand fünf Mal mit der Handkante hoch und runter aus dem Fenster (diese Geste heißt: „auf’s Maul?!“) und fuhr weiter.

In Midelt traf ich auf einen Marokkaner, der genauso gut fährt wie ich – er ist schließlich Taxifahrer in Casablanca. Khadijas Cousin Abdellah zeigte mir die kleine, recht unspektakuläre und aus Lehm- und Betonbauten bestehende ummauerte Altstadt und fuhr noch mit mir und seinem ältesten Sohn Yousef nach Ahouli raus. 25km nordöstlich der 45.000-Einwohner-Stadt Midelt liegt dieser ehemals bedeutsame Bergbauort: ordentliche französische Arbeiterhäuser und einfach gemauerte berberische Bauernhütten stehen hier dicht an dicht und boten von 1926 bis Ende der 1970er gut 10.000 Menschen Platz. Dann waren die Minen der Umgebung erschöpft und so gut wie gar niemand verblieb im Ort. Diese Geisterstadt kann frei besichtigt werden, selbst in die ungesicherten Stollen kann man reinsteigen oder in die aufgegebene Moschee latschen. Die tolle Berglandschaft und die (nun natürlich hoffnungslos verfallene) ehemals moderne Infrastruktur machen diesen Ort richtig interessant. Die Bergarbeiterstadt hatte echt alles, was eine Stadt so braucht! Außer einem Fußballstadion – die Mannschaft der Minenarbeiter spielte laut Abdellah immer in Midelt, wo nun fast alle der ehemaligen Kumpel mitsamt Familien hingezogen sind…

Nachdem ich noch weitere Verwandtschaft durch die Essenseinladung von Abdellah kennenlernte, setzte ich meine Fahrt gen Süden fort. Auf dem Weg nach Rachidia gibt es schöne Berglandschaft, ab Rachidia (einer sehr gepflegten aber nicht unbedingt sehenswerten Kreishauptstadt) fangen Palmenhaine an in den Schluchten von saisonalen Flüssen zu gedeihen. Kurz vor Maadid bei Erfoud wurde es dann dunkel, doch bis zu dieser Stelle wollte ich ohnehin am folgenden Tag zurückkehren um nach Ouarzazate zu gelangen. Durch die Dunkelheit fuhr ich also, den Erg Chebbi nur erahnend, bis Merzouga durch. In dieser Gegend günstige Herbergen zu finden ist fast unmöglich, da völlig von reichen marokkanischen und allen möglichen ausländischen Touristen überlaufen. Aber gerade jetzt in der Nebensaison kann man Sonderangebote herausholen: da nur zwei weitere Gäste außer mir da waren, bekam ich für 160 Dh. (15€) in der Kasbah-Pension „Chez Julia“, die von einer österreichischen Künstlerin und Restauratorin geführt wird, ein Zimmer. Genau beim Einchecken rief mich Khadija an, sodass sich alle Blicke der Angestellten und Gäste vielsagend auf mich richteten: „boah, ein Ausländer telefoniert Arabisch…“ Die 15€ verstehen sich übrigens inklusive Begrüßungstee, kleinem Frühstück am Abreisetag und Terrassenblick zu den Dünen des Erg Chebbi. Die letzten drei Dinge rechtfertigen auch den Preis, denn die primitiven Zimmer (Wüstendeko soll dabei über den niedrigen Standard hinwegtäuschen) mit gemeinschaftlichen Sanitäranlagen würden in den meisten marokkanischen Städten für 60-120 Dh. angeboten werden, da man keinen mit dieser Authentizität (die Restauratorin Julia hat da wirklich ganze Arbeit geleistet!) locken kann. Dafür sind Hotelangestellte aber auch selten so gesprächig (und trotzdem höflich und unaufdringlich) wie die Tifilalt-Berber im Chez Julia.  
Kurz vorm Sonnenaufgang hieß es aufstehen, denn bei Sonnenauf- oder -untergang sind die Farben der Dünen besonders schön. Der Erg Chebbi ist schon sehr eindrucksvoll, aber die Sandberge sind nervtötend überlaufen. Touristen halten es wohl für ein Abenteuer wenn man 1km weg von der Stadt ganz „wüstenromantisch“ campiert und schon um 7 Uhr sind die Kamelkarawanen und Händler unterwegs: die lassen aber einen schnell in Ruhe, wenn man wie ein Marokkaner reagiert; „Wa Malek sohbi?! Sabah hada“ (Was willste, Alter? Es ist früh am Morgen!)…

Ich guckte jeweils nur kurz die historischen Sehenswürdigkeiten auf dem Weg ins Todhra-Tal an: in Rissani gibt es eine ummauerte Altstadt und die Ruinen aus Stampflehm von Sijilmassa, der ehemaligen Hauptstadt eines berberischen Königreiches. In El-Jorf (dort stehen auch eindrucksvolle Klippen, sonst würde der Ort wohl kaum „Die Klippe“ heißen), Ksar Touroug und Tinejdad stehen ansehnliche Kasbahs. In Tinejdad leider auch Verkehrspolizei am Ortsausgang, sodass ich um 300 Dirham wegen 71km/h statt den erlaubten 60 gebeten wurde. Natürlich musste ich keine 300 zahlen, sondern nur 100 (knapp 10€) ohne Quittung, wobei der junge Mann seine Korruptheit sogar entschuldigte: „Guck mal Kumpel, ich habe erst angefangen mit dem Polizeidienst und 3.000 Dirham im Monat sind echt nicht viel. Ich will meine Freundin heiraten und naja, wir brauchen ja alle Geld... Gib mir einfach 100 Dirham und dann gute Fahrt!“

In Tinghir (Tinerhir), einem herrlich gelegenen, mit Lehmburgen befestigten und Palmgärten übersäten Oasendorf beginnt die Todhra-Schlucht die bis zu 300m hohe Steilwände hat. Entsprechend touristisch ist diese wirklich sehr schöne Gegend: man hat nirgendwo Ruhe, soll immer etwas kaufen oder spenden und wenn man höflich ablehnt, sind die asozialen Berber auch noch unfreundlich, aber so wie ich es noch nirgendwo in Marokko erlebt habe. In dieser Gegend ist auch die Hochburg der berberischen Aggressionen gegen arabische Marokkaner. Auf dem Fußballplatz von Tinghir lief gerade ein Freizeitturnier, also guckte ich zu, bis das erste Turnierspiel abgepfiffen wurde. Aus guten Gründen stellte ich mich zu einem der Ordner, denn die Menschen in diesem Kaff sind leider echt daneben. Nachdem mir mehrere Jugendliche Nippes andrehen wollte und nach freundlichem Ablehnen nicht Ruhe gaben entwickelte sich folgender Dialog auf Arabisch:
Ich: „Lass mich in Ruhe zugucken!“
Ordner: „Genau, jetzt lass ihn…“
Junge: „Oh, du sprichst ja richtig Arabisch! Was bist du denn für einer?“
Ich: „Gibt’s ein Problem?“
Junge: „Ja, Araber stinken!“
Ich: „Was ist dein Problem?“
Junge: „Wir sind Berber und keine scheiß Araber.“
Ordner [lacht]: „Gut jetzt! Weißt du, Monsieur, wir sind Berber vom Stamm [hab ich nicht verstanden]. Aber wir können auch Arabisch, kein Problem.“
Anderer Junge: „Doch ist ein Problem! Araber, fickt eure Mütter!“

Auch in jedem der anderen Berberdörfer bis Agoudal traf ich nur unsympathische, aggressive und unhöfliche Menschen. Man kann das natürlich nett entschuldigen, dass die armen Berber einfach immer die reichen Touristen in ihren völlig verarmten Orten sehen und sich deshalb so feindselig verhalten – diese Gegend zählt in der Tat zu den ärmsten des Landes: wenn man Kinder in dreckigen Klamotten durch die staubigen Straßen rennen sieht, die nichts anderes machen, als den ganzen Tag Touristen anzubetteln (sieht man sich die Bettelkinder näher an, entdeckt man bei vielen Infektionen im Gesicht, verfaulte Zähne oder andere Krankheiten) tun einem die Leute schon Leid; aber andererseits ist der Rassismus gegen Araber, Schwarze und auch Europäer bei Berbern einfach so weit verbreitet – selbst bei denen, die es in gute Ämter und zu ordentlichem bis hohem Einkommen geschafft haben – dass man einfach selber rassistisch denkt. Hier gibt Eines das Andere: die berberische Landbevölkerung auf der einen und die Touristen aus den marokkanischen Städten und allen Ländern der Welt auf der anderen Seite, passen einfach nicht zusammen.

In diesem abartigen Kaff Agoudal führt eine tolle Piste nach Boumalne am Ende der Dades-Schlucht ab, die im Sommer auch für alle ordentlichen Autos befahrbar ist, doch jetzt bei der Schneeschmelze nur für Allradfahrzeuge machbar ist. Ich kämpfte mich bis zum zweiten Pass auf 2.800m Höhe, 20km südlich von Agoudal durch und drehte dann vor einem Schneefeld um, das so halb geschmolzen war und mich auf die Hangkante hin zu drängen drohte. So eine Passage ist einfach zu gefährlich, zumal in diesem Bereich so gut wie niemand wohnt und Hilfe über Handy nicht geholt werden kann, da kein Funkempfang in diesem Tal besteht.

Ich drehte also um und fuhr bis zum Ausgangspunkt Tinghir zurück, wo sich wieder die gehirnamputierten Touristen in für diese Strecke zu großen und sperrigen Fahrzeugen drängten. Dann ging es nach Ouarzazate, wo ich 20.30 Uhr ankam und im Hotel Saghro einen Sonderpreis von 150 Dirham (Frühstück und schnelles Inet inklusive) herausholte. 14,20€ sind nicht unbedingt niedrig, aber keinesfalls zu hoch für die gebotene Qualität.  
Von Ouarzazate brach ich nach dem guten Frühstück im Hotel gen Ait Ben Haddou auf. Da ich das befestigte Berberdorf aber bereits 2011 ausführlich besuchte, ließ ich den überlaufenen Ort rechts liegen und fuhr die mittlerweile asphaltierte Bergstraße nach Telouet hoch. Auf dem Weg zu dieser spektakulären Kasbah reiht sich in einer fruchtbaren Flussschucht, die rechts und links von völlig kahlen Bergen begrenzt wird, Wehrdorf an Wehrdorf. Die Bauten sind alle aus braunem Stampflehm und schön anzusehen. Im Sommer schützen sie durch ihr geschickt genutztes Material gegen die gröbste Wärme und im Winter gegen die härteste Kälte – doch trotz Stromanschluss ist das Leben dort ziemlich hart. Die verarmten Bauernfamilien schicken ihre Kinder also statt zur Schule lieber zum Touristen-Anbetteln.

Telouet ist architektonisch am herausragendsten nach Ait Benhaddou: die wuchtige, aber zum Großteil verfallene Kasbah hat einen museal genutzten Teil der für 20 Dihram besichtigt werden kann. In den Räumen befinden sich keine Ausstellungsgegenstände, aber dafür feinste Mosaikkunst an den Wänden und Steinmetzarbeiten über Türen und Fenstern. Vor der Kasbah befinden sich zwei Bolzplätze, auf denen oftmals das Spiel unterbrochen wird, wenn neue Touristen ankommen, die man um Geld, Stifte oder am besten einen neuen Fußball anbetteln kann…

Da der eigentliche Flug von meinem Vater gecancelt wurde, war ich viel zu früh am Flughafen von Marrakesch. Der macht schon mehr daher, als dieser Dorflandeplatz in Fès – aber dort sieben Stunden rumzuhängen, bis diese Drecksmaschine ihren Weg von München über Casablanca nach Marrakesch gefunden hat, ist natürlich auch scheiße und die Planung mit Übernachtung in Taroudant, Besichtigung dieser Stadt und Fahrt über Tafraoute nach Tiznit und weiter nach El-Ouatiya war natürlich auch für den Arsch!

Nachdem mein Vater endlich gelandet und durch die Passkontrolle war, bretterten wir mit einem Halt auf der Raststätte bei Chichaoua gleich nach Agadir durch, wo wir ein preisgünstiges Hotel hinter der großen Moschee zwischen Inbiate-Stadion und Festung fanden: da wir erst um 2.15 Uhr dort aufkreuzten, gab uns der freundliche Hotelier sogar noch 40 Dirham Rabat (140 Dh. DZ = 13,25€).  
Tiznit wollten wir uns dann doch nicht entgehen lassen und fuhren am Freitag gegen 10 Uhr von Agadir aus direkt dorthin. Wie in Salé oder Neubrandenburg macht die historische Stadtmitte außerhalb der Mauern mehr her als innerhalb: eintönige, hässliche und relativ neue Bebauung umgeben von schön anzusehenden, massiven und historischen Stadtmauern.

Von dort fuhren wir nach Sidi Ifni, das in herrlich von Kakteen und anderen kleineren Pflanzen bewachsenem, recht bergigem Küstenhinterland liegt. Das Küstenstädtchen ist sehr gepflegt und von blau-weißen spanischen Bauten durchzogen. Touristen frequentieren den hübschen Ort ziemlich stark, trotzdem geht es sehr entspannt zu. Wir fuhren über erst kürzlich asphaltierte Nebenstraßen nach Guelmim, einer staubigen und überlaufenen Garnisonsstadt. Drei Mal mussten wir nach dem Weg nach Laayoune fragen, da Straßenschilder kaum vorhanden sind. Kurz nach dem Ort fängt dann aber so tolle Beschilderung an, von wegen: Dakhla 1.000km – dafür ist die Bundesstraße N1 (Tanger bis zur mauretanischen Grenze, d.h. fast 3.000km immer die Atlantikküste entlang) die nächsten 80km weniger toll da recht eng und alt, und v.a. fangen jetzt die Polizeikontrollen an.

Ab Guelmim bis zur mauretanischen Grenzen wird man mindestens alle 50km gestoppt und nach der Route oder den Wagenpapieren gefragt. Die ersten sind unfreundlich, insbesondere Berber verhalten sich wenig höflich wenn man Arabisch mit ihnen spricht, erst dann in Tantan war ein sehr freundlicher junger Beamter, dem es Spaß machte sich mit einem Ausländer auf Arabisch zu unterhalten. Als Sinn der Kontrollen wird angegeben, dass man um die Sicherheit der ausländischen Reisenden bemüht sei, da man ihre Routen wegen der Gefahr von Überfällen und Entführungen zur Lokalisation nachvollziehen will – tatsächlich sind die Sicherheitsrisiken in diesem äußersten Süden Marokkos nicht höher, da dieses Gebiet weniger touristisch ist vielleicht sogar geringer als im Rest des Landes, und in erster Linie sind diese Polizeikontrollen einfach nur belästigend, da eine Kennzeichenerfassung im Vorbeifahren völlig ausreichen würde!

Über recht eintönige, weite, kahle und von ganz vereinzelten ärmlichen Gehöften durchsetzte Bergtäler ging es wieder auf den Atlantik zu, den wir 25km nach Passieren des berühmten Kamelstandbildes im ersten Kreisverkehr von Tantan, in El-Ouatia zu Gesicht bekamen. Da es dunkel wurde und wir die Steilküste vor Sidi Akhfenir sehen wollten, fuhren wir nicht bis in diesen Ort, der das Steuerfreigebiet „Marokkanische Sahara“ markiert, sondern nahmen uns ein Hotel im ziemlich ausgestorbenen El-Ouatia. „Vue France“ heißt der Schuppen gegenüber eines Campingplatzes am Strand: 250 Dirham für akzeptable Doppelzimmer und Frühstück sind eher der obere Preisbereich für diese Hotelklasse.  
Bevor wir am Samstag meinen letzten Zweitligaground abhakten, gab es einiges an schöner Küstenlandschaft zu sehen. Nach dem ordentlichen Frühstück fuhren wir bis Sidi Akhfenir wo wir günstig tankten (0,90€ für Superbenzin statt den sonst üblichen 1,20€), wobei wir auf dem Weg dahin drei in den Atlantik mündende Wadis passierten und an zwei Stellen an die Abbruchkanten der Steilküste heran gingen. Nach Akhfenir fuhren wir an einer Salzpfanne vorbei und über die stark von Sandverwehungen verengte Zufahrtsstraße ins Küstenstädtchen Tarfaya. Dort arbeitete Antoine de Saint-Exupéry Ende der 1920er als Leiter des Landeplatzes (und schrieb nebenbei natürlich Bücher), weswegen ein Museum an ihn erinnert. Aus seiner Zeit steht noch die Ruine des Forts, ansonsten ist der Ort weitestgehend neu errichtet und bietet gute Versorgungsmöglichkeiten für Reisende: die Dirhams, die man an den drei, vier Geldautomaten der Kleinstadt abheben kann, werden hier aber nicht so schnell alle wie in den meisten anderen Orten Marokkos, da zwischen El-Ouatia und Akhfennir bereits die Grenze zur „Marokkanischen Sahara“ verläuft, die eine Steuerfreizone ist.

Die Grenze zur „Spanischen Sahara“ verläuft beim Dorf Tah, wo ein entsprechendes Denkmal steht. Laâyoune ist danach recht schnell erreicht, nur ab dort dauert die Erfassung an den Kontrollposten bis zu 10 Minuten. So belästigend diese Kontrollen (alle 50 bis 150km) auch sind, so angenehm ist der Umgangston der Polizei: die sind nicht nur freundlich, weil ich immer Arabisch mit denen rede – dadurch dass hier v.a. städtische Araber aus Nord- und Westmarokko leben, ist der Bildungsstand höher und damit einhergehend auch das Benehmen besser. Der Staat lockt mit höheren Löhnen und billigeren Lebenshaltungskosten immer mehr halbwegs bis sehr gut ausgebildete Marokkaner (bevorzugt Araber, aber die sind ohnehin meist viel besser ausgebildet als Berber) in die West-Sahara um den Sahraoui-Separatisten jeglichen Wind aus den Segeln zu nehmen, wo sie doch jetzt schon nur noch eine Minderheit von höchstens 30% in dieser West-Sahara sind.

Nicht nur die Polizei ist freundlicher als sonst, auch die Normalbevölkerung fällt hier recht positiv auf: das Einkommen stellt die meisten zufrieden, die Bildung ist durchweg besser – da ist es auch kein Wunder, dass man nicht wie in vielen anderen Gegenden Marokkos angebettelt, zugelabert oder ums Kaufen von Unfug gebeten wird. Vor allem Kinder grüßen immer wieder freundlich ohne Profitgedanken – ansonsten hat man einfach nur Ruhe. Selbst beim Fußball ist der Umgang der Fans miteinander besser als sonst: es gibt zwar auch mal Randale, aber bei einem Spiel wie heute wird der Gästeanhang freudig begrüßt, da er mit 200 Leuten ganze 1.500km per Bus zurückgelegt hat (und dann nochmal 1.500 zurück).

Zünftig angefeuert wurde trotzdem: die Sahraoui Ultras mit ihrem 200-Mann-Block auf der linken Tribünenseite sangen herrliche Melodien mit teils stark spanischsprachigen Texten – und von rechts tönte es, teils noch lauter, von ebenfalls gut 200 Anhängern immer wieder auf dem üblichen Arabisch-Französisch-Spanisch-Italienisch-Englisch Mix wirklich gute Melodien. Beide Lager zündeten auch ab und an kleine Fackeln und Nebelkerzen.

Interessant war, dass man das Stadion nur gegen Vorzeigen des Personalausweises aber kostenlos betreten durfte. Wir wurden aus Freundlichkeit durchgewunken, aber der Einsatzleiter schickte dann noch vorm Anpfiff eine Zivilstreife der Geheimpolizei zu uns hoch, dass die mal unsere Personalien aufnimmt und fragt wo wir hinreisen, übernachten und warum wir eigentlich im Urlaub Fußball in Laâyoune gucken… Bei allem freundlichen Auftreten konnte sich der Eine dann auch nicht verkneifen das Algerien-Visum im Pass missbilligend anzugucken und direkt nachzufragen, ob ich in Algerien gearbeitet hätte. Bei diesen fragwürdigen Fragen, die mitunter auch bei anderen Kontrollen in der Sahara kamen, habe ich mich dann gefragt, wie die Polizisten wohl aufgetreten wären, wenn ich mit meiner Gastfamilie, einem der minderjährigen Söhne von Khadija oder gar alleine mit Fayza hier herunter gereist wäre. Zumindest bei letzterer Kombination hätte es garantiert auch von diesen sehr umgänglichen Sicherheitskräften richtig unverschämte und dumme Fragen gegeben…

Das Stadion Moulay Rachid dient als Ersatz für das im Umbau befindliche Cheikh Laghdaf und ist mit einer zehnreihigen überdachten Stehtribüne und Stehmöglichkeiten hinter den Toren eigentlich viel zu klein. Auf den umliegenden Häusern machten es sich auch gut 50 Leute bequem. Auf dem Feld ging es gar nicht bequem zu in den ersten 20 Minuten: da ging es zügig hin und her mit Chancen auf beiden Seiten. Nach kurzem Leerlauf köpfte ein Meknesser Verteidiger den Ball zu kurz zum Torwart zurück und riss einen dazwischen sprintenden Stürmer von Laâyoune um. Notbremse, Rot und Elfmeter – doch der unfähige schwarzafrikanische Kapitän zimmerte den Ball gut 50cm über die Querlatte. 0:0 ging es in die Pause, doch nur zwei Minuten nach Wiederanpfiff eine ähnliche Szene im Heimstrafraum und per Kopf aus nächster Nähe am Torwart vorbei netzte Meknés zum Goldenen Tor des Nachmittags ein. Angetrieben – ob von ihren abfeiernden Fans oder dem mutmachenden 1:0 Vorsprung sei mal dahingestellt – drängte Meknés den Gastgeber mit 10 Mann hinten rein. Nur drei gute Szenen hatte JSM noch: zwei Mal knapp daneben aus vollem Lauf und einmal kommt eine Ecke von links, die wird von allen verpasst, der zweite Ball erneut herein gebracht, per Kopfball an die Latte verlängert und von dort per Kopf aufs Tor gebracht aber vom Gästekeeper im Sprung gefangen. Wäre der Schlussmann von CODM nicht so stark gewesen (selten so eine sichere Torwartleistung in Marokko gesehen!) hätte JSM Laâyoune diesen recht unterhaltsamen Kick garantiert noch auf 2:1 gedreht. So blieb es aber bei der 0:1 Pleite, die nun die letzten Aufstiegshoffnungen zerstört haben dürfte, während Meknès wieder an den Aufstiegsrang 2 heranrückt.

Nach dem Spiel fuhren wir noch kurz auf den Meshwar-Platz mit den vier Pylonen und der Hauptmoschee, am im Umbau befindlichen 30.000er-Stadion Cheikh Laghdaf und der älteren der beiden Sporthallen vorbei, und schauten noch in die Saguia El-Hamra („Das Rote Flussbett“ oder auch Bewässerungskanal) hinein. Nach Passieren einer etwas langen Kontrolle mit einem Polizisten der mir beim Warten auf die Pässe von seinem abgebrochenen Studium und ungebrochenen Begeisterung für klassische arabische Poesie – enorm, auf was für einem hohen Niveau er Hocharabisch sprach! – erzählte, ging es auf recht eintöniger Strecke mit nur einem Ort (Lemsid: dort sind mehrere Häuserblocks bezugsfertig aber unbewohnt) und einer weiteren freundlichen Kontrolle nach Boujdour. Die Kontrolle am Ortseingang war die allerfreundlichste der Fahrt, da der Polizist aus Fès stammte. Boujdour hat zwei markante Straußenfiguren am Ortseingang stehen und unheimliche breite Straßen. Wir fanden schnell ein Hotel – mittlerweile dürfte es ein halbes Dutzend dort geben – wobei man ein so gutes Preis-Leistungs-Verhältnis wie im „GOS“ (150 Dirham für ein gutes, sauberes Zimmer mit Bad, Glotze und WiFi) und so einen freundlichen Besitzer selten finden dürfte.  
In einem Cafehaus in Boujdour frühstückten wir für gerade einmal 2€ und fuhren dann ohne Behelligung durch die Polizei über die ziemlich leere Straße nach Dakhla. Ab und an hielten wir für schöne Aufnahmen der abbröckelnden Steilküste oder der erodierten Tafelberge (oder Tafelhügel). Nach passieren einer Geistersiedlung namens Bir Anzarane Centre (nicht identisch mit dem Garnisonsstützpunkt Bir Anzarane im Hinterland, wo 300 marokkanische Soldaten 3.000 angreifende Polisario-Kämpfer in den 1970ern vernichtend schlugen - früher hieß das Straßendorf wohl Echtoucan) fuhren wir durch eine weitere Geistersiedlung (in N’tireft sind allerdings schon einige Häuser bezogen) und wurden tatsächlich geblitzt. Da die Polizei in der West-Sahara nicht nur freundlicher sondern auch korrekter und viel weniger korrupt als im restlichen Marokko ist, wurden wir in aller Höflichkeit und mit Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten zur Zahlung von 300 Dirham aufgefordert, da 9km/h zu schnell im Ort. Keine Spielchen mit 100 Dirham ohne Quittung, sondern korrektes Ausfüllen des Strafzettels und vollständiges Bezahlen.

Nach Abbiegen auf die Landzunge von Dakhla dauerte die Personalienfeststellung mit gut 15 Minuten etwas länger als normal, sodass wir gleich in den Stadtteil Massira fuhren, wo sich das größte Stadion der Stadt befindet. Sehr guter Kunstrasen, weiträumige Pflasterflächen, zwei Tribünen mit 6 bis 11 Reihen lehnenloser Schalensitze in marokkanischen Staatsfarben grün und rot und überdachtem Mittelsektor. Daneben ein Bolzplatz mit Kunstrasen und Tennisplätze. Dafür dass es sich um die abgelegenste und südlichste Fußballsportanlage Marokkos handelt, ist die Anlage wirklich sehr gepflegt. Um sich die extremen Ausmaße vor Augen zu halten: der nächste Sportplatz mit Spielbetrieb ist jener im 360km nördlich gelegenen Boujdour (mit 180km deutlich näher und daher eigentlich noch abgelegener ist nur das Stadion von Awserd, doch im UN-Lager ist kein Spielbetrieb) und der Gastverein aus Souk Sebt bei Marrakesch reiste 1.500km an (und 1.500km wieder zurück und zwar per Bus mit Spielern, Trainerstab und fünf Fans) um ein Spiel der 3. Marokkanischen Liga, der 1. Amateurliga des Landes, zu bestreiten.

Der Zuschauerzuspruch war mit knapp 1.000 Leuten nur durchschnittlich – könnte mehr sein, bei der Lage – und außer dem Raja Fanclub Dakhla machte kaum jemand Stimmung. Vielleicht schreckt auch das extreme Polizeiaufgebot vor Stimmung ab. Diesmal nervte uns aber niemand von der Geheimpolizei im Stadion.

Das Spiel begann sehr flott und nach nur 10 Minuten schlug Dakhla eine Flanke in den Strafraum, die ein Verteidiger von Souk Sebt noch vor dem Stürmer der Heimelf erwischte und spektakulär gegen die Laufrichtung des eigenen Schlussmannes zum 1:0 versenkte. Danach gab es Chancen auf beiden Seiten, die aber nicht nur bis zur Pause ungenutzt blieben. Die Erwartungen an die zweite Hälfte waren dann etwas zu hoch: dort war viel Kampf und Krampf zu beobachten. Dakhla verteidigte den 1:0 Vorsprung gut und sicher.

Wir fuhren nach dem Spiel noch in die Lagune von Dakhla raus, die landschaftlich wirklich herausragend ist mit weißem Sand und türkis bis dunkelblauem Meer. Vorgelagert ist eine gezackte Felsinsel, klettert man auf eine der Anhöhen sieht man hervorragend über die sandigen und salzigen Ebenen zu den nächsten kahlen Kalkbergen, Sanddünen und Steilküsten.

Bei Rückkehr in die Stadt wurden wir nicht mehr kontrolliert und suchten nach einem Hotel. Wir gönnten uns angesichts des Mauretanienaufenthaltes ein wirklich gutes staatlich zertifiziertes an der Corniche. Normalerweise ist uns 350 Dh. (32€) zu viel, aber das „Touareg“ wartet mit sehr guten Zimmern mit sehr ordentlichem Bad und Meerblick (bzw. Lagunen- und Steilküstenblick) und auch hervorragendem Internet und Gratisgetränk auf, sodass das Geld gut angelegt ist. Auch das nicht ganz billige Restaurant Samarkand hat sich gelohnt: den Tipps aus dem Reiseführer gehe ich in Sachen Gastronomie selten nach, aber „sehr gute einheimische Küche zu mittleren Preisen“ klingt so gut wie es dann auch wirklich war. Usbekisches Essen gab es aber nicht…

Am darauffolgenden Montag steht das Abenteuer Mauretanien auf dem Programm… Mehr dazu im Laufe des Monats!  
Statistik:
- Grounds: 1.081 (Sa: 1, So: 1; diese Saison: 110 neue)
- Sportveranstaltungen: 1.995 (Sa: 1, So: 1; diese Saison: 139)
- Tageskilometer: 2.920 (Di: 550km, Mi: 580km, Do: 520, Fr: 430, Sa: 490, So: 450km Auto)
- Saisonkilometer: 40.220 (39.090 Auto/ 1.080 Fahrrad/ 40 Schiff, Fähre/ 10 öffentliche Verkehrsmittel/ 0 Flugzeug)
- Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 7 [letzte Serie: 2, Rekordserie: 178]
- Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 396

Mittwoch, 4. Januar 2012

W282III: Ein etwas anderer Heiligabend – Stadtrundgang und Fußball in Casablanca

Racing Athlétic Club de Casablanca
2:2 (1:1)
Tihad Sportif Club de Casablanca
Datum: Samstag, 24. Dezember 2011 – Anstoß: 14.10
Arab.: Nady ar-Rassîngh ar-Riyadhiy Dâr al-Bayđa´ [نادي الراسينغ الرياضي دارالبيضاء] – Nady al-Ittiħad al-Maghriby Dâr al-Bayđa´ [دارالبيضاء نادي الاتحاد المغربي]
Wettbewerb: Groupement national de football 2 (Botola 2 [بطولة 2] = 2. Marokkanische Profifußballliga, Nationale Meisterschaft 2)
Ergebnis: 2:2 nach 95 Min. (47/48) – Halbzeit: 1:1
Tore: 0-1 21. (Nr. 32), 1-1 38. (Nr. 28), 2-1 50. (Nr. 4), 2-2 73. (Foulelfmeter, Nr. 5)
Verwarnungen: Nr. 4, Nr. 18, Nr. 23 (Racing), Nr. 1, Nr. 7, Nr. 21, Nr. 32 (Tihad)
Platzverweise: Wechselspieler Racing (65., Schiedsrichterbeleidigung)
Spielort: Stade Père Jégo [Mal’ab al-Ab Djîkô / ملعب الأب جيكو] (Kap. 10.000, davon 7.500 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 1.000 (davon ca. 400 Gästefans)
Unterhaltungswert: 8,0/10 (Sehr gutes und ausgeglichenes Spiel mit vielen Torszenen)

Raja Club Athletic de Casablanca
1:0 (0:0)
Jeunesse Sportive El Massira Laâyoune
Datum: Samstag, 24. Dezember 2011 – Anstoß: 20.00
Arab.: Nady ar-Radja´ar-Riyadhiy Dâr al-Bayđa´ [دارالبيضاء نادي الرجاء الرياضي]
- Nady ash-Shabâb al-Massîra ar-Riyadhiy al-’Ayûn [العيون الرياضي نادي شباب المسيرة]
Wettbewerb: Groupement national de football (Botola 1 [بطولة 1] = 1. Marokkanische Profifußballliga, Nationale Meisterschaft 1)
Ergebnis: 1:0 nach 97 Min. (47/50) – Halbzeit: 0:0
Tor: 1-0 73. Zakaria Jaouhari
Verwarnungen: Hossamdine Sanhaji (Raja), Abderahmane Achkoud, Mamado Saw (JSM)
Platzverweise: keine
Spielort: Stade Mohammed V [Murakkab Muħammad al-Khâmis / مركب محمد الخامس] (Kap. 67.000, davon 40.000 Sitzplätze)
Zuschauer: ca. 20.000 (davon ca. 35 Gästefans)
Unterhaltungswert: 8,0/10 (Typisches Spiel der Botola: viel Bewegung, viel Kampf, etliche Torszenen, aber nur ein einziger Treffer – im Übrigen war die zweite Hälfte deutlich besser als die erste und die Stimmung durchweg topp)
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Photos and English Version:

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Während gewisse Leute aus unserem Bekannten- und Verwandtenkreis – also eigentlich alle von denen – an diesem Heiligabend den ganzen Tag zuhause rumhockten oder noch der Arbeit nachgehen mussten, um dann abends bei der Bescherung im Kreise der Verwandten Weihnachtslieder plärrend zu sitzen, verbrachten wir einen echt schönen Tag in Casablanca, also ad-Dar al-Bayda, auch Maison Blanche, also Weißes Haus, genannt.

Von El Jadida aus fuhren wir doch etwas zu weit nach Norden, sodass wir uns von Sbata an die Küste kämpfen mussten. Aber in diesem Teil Casablancas wurde mal endlich richtig großstädtisch Auto gefahren: vier Spuren, zu fünft nebeneinander, dauernd die Spuren wechseln, Kreuzungen blockieren und viel hupen – und wenn es mal freier ist, dann 60, 70 in der 40er-Zone fahren. So ist’s richtig! Wir kamen erst halb zehn an der Moschee Hassan II, die mit ihrem Minarett der höchste Sakralbau der Welt ist – und nicht nur wegen diesem sehr eindrucksvoll, aber insgesamt auch sehr klotzig rüberkommt – an. Führungen sind immer nur zur vollen Stunde um 9, 10, 11 und 14 Uhr (freitags nur 9 und 14). Diese sind auch teuer und schlecht gemacht, wobei es sicher nicht unlohnend ist, diesen riesigen Klotz der da am Meer thront mal von innen zu besichtigen. Wir sparten uns das aber, weil wir uns um 10 mit Conny verabredeten hatten. Sie wohnt und arbeitet zwar erst 7 Wochen in Casa, aber kennt sich schon sehr gut aus führte uns kompetent durch die Altstadt. Die ist wie viele andere arabische Altstädte ein Symbol alten Glanzes, der ziemlich angegraut und verfallen ist. Es wird viel Handel getrieben in den Gassen. Aufdringlich waren die Händler aber nicht. Zwischen den vielen alten Wohn- und Geschäftshäusern befinden sich auch einige Moscheen, die meist in deutlich besserem Zustand sind. Etwas weiter, im neueren Teil, finden sich diverse französische Einflüsse in der Architektur: Jugendstil, maurischer Stil und Beton-Kirchen. Letztere sind übelste Klötzer, aber viele der Jugendstilgebäude machen echt was daher. Alles in allem ist Casablanca ähnlich wie Berlin: sehr interessant, aber nicht sonderlich attraktiv.
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Für meinen Alten und mich war es das erste Fußballspiel an Heiligabend – für Conny das erste überhaupt im Stadion. Gleich mit Marokko zu beginnen und das auch noch am 24.12., ist natürlich auch topp... Jedenfalls drängten wir uns durch den sehr dichten Verkehr zum gegenüber des ehemaligen Militärflughafens Anfa gelegenen und nach einem frühen marokkanischen Fußballer (Jahrgang 1900, spielte v.a. für Wydad) benannten Stadion, das sich am Südende eines ausgedehnten Komplexes befindet, durch. Der Namensgeber dieses schönen, kleinen Stadions hieß eigentlich nur mit Spitznamen so französisch Père Jégo und mit bürgerlichem Namen Affani Mohamed Ben Lahcen. Das Vater-Jégo-Stadion fasst 10.000 Zuschauer, wobei außer den Hintertorstehblöcken nur Sitzplätze, aber auf recht harten Stufen, zu finden sind. Die Gegentribüne steigt schön steil an, die Haupttribüne ist noch mal in drei Sektoren untergliedert wovon der mittlere überdacht ist. Unter der linken Seite des Daches hatte sich der Racing-Fanclub „Green Fans“ platziert und supportete dauernd mit den üblichen, klangvollen maghrebinischen Gesängen. Rechts davon saßen Tihad Fans, die nur nach den Toren und bei einigen anderen guten Aktionen in Wallung kamen. Alles in allem ging es ungewohnt vernünftig zu.

Lustig war dann noch der junge Mann der vor uns mit seiner Freundin oder Frau saß: der sprach uns nach einer Weile auf Deutsch an. Das hatte er im Studienkolleg in Halle gelernt – der Stadt, wo ich Arabisch lerne. Genial war auch, dass er uns von einigen Spielbesuchen in Deutschland erzählen konnte: er hatte nicht nur Bayern München gesehen, sondern auch Hansa Rostock und – ganz cool – Anker Wismar!

Den rund 1.000 Zuschauern wurde für 20 Dirham (knapp 2€) recht viel geboten: Racing Casablanca (übersetzt: Rennsport- und Athletik-Verein Weißes Haus) und Tihad ad-Dar al-Bayda (sozusagen Sport Club Eintracht Weißes Haus) lieferten sich ein ausgeglichenes, temporeiches, teilweise hart aber nie unfair geführtes Spiel mit etlichen Torraumszenen und schließlich vier gerecht verteilten Toren. Die zwei sind übrigens ziemlich alte Vereine: Racing wurde 1917 und Tihad 1935 gegründet. Zuerst ging nach 20 Minuten der Gast aus dem Stadtteil Ain Sebaâ (der idyllische Name „Siebenquell“ täuscht: Ain Sebaâ ist ein übles Industrieviertel: hinter dem Tihad-Stadion sind gleich Lagerhallen und Tanks) in Führung – gutes Passspiel, sodass ein Stürmer den Torwart umspielen konnte – dann glich Racing noch vor dem Seitenwechsel per Flachschuss ins Eck aus. Nach der Pause war das Spiel immer noch spannend, gut und schnell – also so wie es sein sollte. Nun ging Racing mal in Führung – ein sehr schöner Kopfball unters Tordach – doch 20 Minuten vor dem Ende ließ sich ein Tihad-Stürmer mehr fallen als dass er gefoult wurde, woraufhin der Schiri Elfmeter gab, der erst mal drei Minuten der Diskussion bedurfte und einem Wechselspieler von Racing seine Einwechslung kostete: der bekam nämlich außerhalb des Feldes eine rote Karte wegen unsportlichem Verhalten. Der Elfer wurde sicher verwandelt und obwohl beide Teams noch gute Chancen auf den Siegtreffer hatten, blieb es beim 2:2.
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Nach dem Spiel fuhren wir noch ins sehr ordentliche Viertel Habous. Dort ist in französischer Besatzungszeit ein sehr feiner Nachbau einer mittelalterlichen arabischen Stadt entstanden. Sieht wirklich nett aus und günstig essen kann man dort auch. Besonders cool war der Tipp, den uns Connys Kollegen von der Handelskammer, die wir noch trafen, gaben: zu einer Kamelfleischerei gehen, dort 500 Gramm Hack und 500g Würstchen holen, diese in einem Grill um die Ecke gegen geringes Entgeld grillen lassen, dazu einen Salat und Getränke dort kaufen. Die Kamelfleischer sind zwar nichts für Weicheier und Vegetarier – für letztere eh nicht zu Einkaufen, aber echt nicht mal zum angucken, so wie die ganzen Köpfe (teilweise mit Halswirbel dran und Blättern im Maul) der Tiere da hängen – aber das lohnt sich für alle, die ein bisschen Erfahrungen mit den ausgefalleneren Sachen der arabischen Küche machen wollen.

Wir brachten Conny noch nach Hause – ein Fußballspiel zu Heiligabend reicht ja auch fürs erste – und guckten uns zu zweitt noch ein weiteres Spiel an. Diesmal erste Liga. Raja Casablanca – einer der beiden großen Vereine der größten Stadt Marokkos (der andere heißt Wydad) – spielte gegen meine Lieblingsmannschaft, die aus der West-Sahara kommende Jeunesse Sportive Massira Laâyoune (oder Shabâb Massîra al-’Ayûn). Wenn man den Vereinsnamen mal wieder einer Übersetzung unterzieht, kommt da „Athletik-Verein Hoffnung Weißes Haus“ gegen „Sport-Verein der Jugend des Grünen Marsches Quellen(stadt)“ heraus. Der Grüne Marsch war eine 1975 durchgeführte Propagandaaktion, bei der 350.000 Demonstranten die damals noch vom faschistischen Spanien besetzte West-Sahara betraten, die bald darauf an Marokko gegeben wurde.
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Gespielt wurde im Stadion Mohammed V, was schon eine eindrucksvolle Schüssel ist. Der Sprecherturm ist ganz lustig mit seinen wellenförmig angeordneten Fenstern, wobei die Lautsprecheranlage nicht richtig funktioniert. Die Haupttribüne ist überdacht, die Stehplätze der Kurve und die Pelouse (Gegengerade) natürlich nicht. Auf der Gegengerade, aber auch in einigen Sektoren der Haupttribüne, fallen klaffende Lücken in der Bestuhlung auf. Diese wird einfach des Öfteren geworfen und nicht gleich wieder ersetzt. Kaum hatten wir an einem der Coca-Cola Kassenhäuschen die Pelouse-Karten für knapp 3€ erstanden, wurden wir auch schon vertraut mit den Gepflogenheiten bei Raja. Ganz anders als beim entspannten kleinen Stadtderby in der zweiten Liga gab es selbst bei diesem wenig bedeutenden Spiel viel Stress. Die Polizei schnauzte grundlos mehrere Gästefans an, da die sich ans falsche Kassenhäuschen anstellten; vor dem Einlass zur Pelouse gab es Tumulte, an denen die wirklich unfreundlichen Sicherheitskräfte wohl auch nicht ganz unschuldig waren und innen sah man dann auch, was für Gestalten zu den Rajawy zählen. Manche waren mit Skimasken oder Keffiye-Tüchern vermummt – und die zündelten auch mehrfach während des Spiels und lieferten sich Rennereien mit der Polizei. Die Gräben vor den Tribünen sind zwar so tief, dass es wohl kaum zu einem Platzsturm kommen dürfte, doch das Spielfeld ist nicht außer Reichweite der Bengalo-Weitwerfer in der Kurve. Noch krasser waren ja einige Knalltüten auf der Haupttribüne, die im überdachten Bereich mit Bengalos und Leuchtspuren hantierten, die auch mal im Publikum – von der hintersten in die fünfte Reihe vorgeworfen – landeten. Die Gästefans waren leider nur etwa 35 Mann und nie zu hören.

Die Raja-Spieler auf dem Platz waren leider auch etwa so überlegen, wie die Raja-Fans auf den Rängen. Herrlich, was die Fans für melodiöse Gesänge brachten und wie minutenlang ein Wechselgesang mit extrem langem Text – nicht irgendwie nur „Hansa ... Rostock“: das war richtig kompliziert und ausgefeilt und mit drei Tribünenseiten – durchs Stadion schallte. Auch die Spieler wussten vor allem in der zweiten Hälfte zu überzeugen. Al-Ayoun verteidigte zwar aufopferungsvoll, aber die Sahrawis erspielten sich nur sehr wenige Torchancen – bei den Kontern haperte es enorm bei den Abspielen. 0:0 ging es in die Pause, die knapp 20 Minuten dauerte, doch nach 73 Minuten war der Abwehrriegel mit einem Schuss ins lange Eck geknackt. Der Grundschüler neben mir, der mich immer mal zum mit-pogen animiert hatte, wenn die Jugendlichen mit den Kaputzenshirts vor uns richtig Stimmung machten, umarmte mich begeistert. Schon viel besser als zwei Altersgenossen, die bei uns 10 Dirham für Getränke schnorren wollten...

Das 1:0 sollte auch der Endstand bleiben, wie bei so vielen Spielen in Marokkos höchster Liga. Über Langeweile kann man sich echt nicht beklagen, aber über Chancenverwertung: im Schnitt gibt es ein, zwei Treffer (genau 1,8) pro Botola-1-Partie. 1:0 und 0:1 sind die häufigsten Ergebnisse: Es gab sogar mal vor wenigen Jahren einen Spieltag an dem jedes der 8 Spiele 1:0 oder 0:1 ausging. Aber die Stimmung wie auch das hohe, technisch starke Spielniveau – die geringe Torzahl hatte hier nichts mit defensivem Abtasten zu tun – machen die Botola zu einer wirklich attraktiven Liga!

Wir fuhren wieder nach El Jadida (diesmal sogar ohne jegliches Verfahren) zurück. Die Stadt guckten wir dann auch endlich mal am nächsten Tag an.
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Statistik:
Grounds: 685 (heute 2 neue; diese Saison: 91 neue)
Sportveranstaltungen: 1.435 (heute 2, diese Saison: 121)
Tageskilometer: 240 (240 Auto)
Saisonkilometer: 19.550 (14.630 Auto/ 3.000 Flugzeug/ 1.910 Fahrrad/ 10 Bahn, Bus, Tram/ 0 Schiff, Fähre)
Anzahl der Fußballspiele seit dem letzten 0-0: 26
Anzahl der Wochen, seit der letzten Woche ohne eine einzige Sportveranstaltung (31.7.-6.8. 2006): 282