Mittwoch, 31. Dezember 2008

Freitag, 19.12.08: Tunis; historische Gassen und reizvolle Lage, aber dreckige Straßen und hohe Preise

http://s181.photobucket.com/albums/x68/fchmksfkcb/081219%20TUNIS%20-%20HAUPTSTADT%20TUNESIENS/ Schon kurz nach sieben ging es wieder aus dem Bett. Es war recht kühl und bewölkt. Etwas Regen fiel auch, doch schon um sieben war es hell. Nach einem Frühstück mit Croissants, heißer Milch, Eiern, Feigenmarmelade, Weißbrot und Grapefruitsaft marschierten wir gegen 9.00 in die Habib Bourguiba Straße. Erstaunlich, wie Verkehr ohne Verkehrsregeln funktioniert, erstaunlich, wie viele Polizisten, teils mit Maschinengewehren bewaffnet, herumstanden, und erstaunlich, wie präsent der Staatschef Ben Ali ist: Plakate, Wimpel, Flaggen, Wandmalereien... Noch präsenter als islamische Symbole auf Autos: v.a. die Hand der Fatima und kalligraphierte Koranverse. Was islamische Kleidung angeht, war es so 50/50: vor allem jüngere Frauen trugen Jeans und andere westliche Klamotten, wobei manch eine Tunesierin in meinem Alter mit hohen Absätzen, Jeans, modischer Jacke und dazu Kopftuch herumlief, obwohl letzteres weder ein Zeichen für Altmodischkeit sein muss, noch gerne von den Behörden gesehen wird, in ihren sozialistischen und laizistischen Anfällen. Die älteren Frauen liefen zumeist in Röcken und langen Mänteln herum. Auffällig gekleidete Männer; langer, weiter Mantel und rote oder braune Mütze, konnte man sufistischen Bruderschaften zuordnen. Wir fanden den Weg zum Sportzentrum von Espérance im zweiten Anlauf. Ein paar Baustellen, die man in Deutschland weiträumig abgesperrt hätte, konnten wir locker passieren, indem wir einfach mitten hindurch liefen. Am Sportzentrum angekommen warteten schon dutzende Fans aufs öffentliche Training. Wir fragten nach Karten für das Spiel am darauf folgenden Samstag zwischen Étoile du Sahel und Espérance und wurden an einen Offiziellen verwiesen, der uns auf den morgigen Tag vertröstete, da das Gästekartenkontingent erschöpft war und man nur in Sousse selbst noch an Karten kommen konnte. Die Leute beim Fußball waren ausnahmslos freundlich, auch wenn einige der Ultras einfach nur zwielichtig aussahen und die Offiziellen mächtig in Hektik waren. Neben ein paar freundlichen Männern mittleren Alters, die uns einfach wegen unserer Herkunft auf der Straße grüßten, waren diese Leute die einzigen freundlichen an diesem Tage.
Also auf in die engen Gassen der Altstadt: die islamische Baukunst bewundernd, sich durch überfüllte Ladenstraßen quetschend. Entgegen vielfacher Behauptungen waren die Händler gar nicht aufdringlich. Kaum einer rief einem Touristen zu „Monsieur! Buy my carpets!“ Nur einige nervige Leute wollten uns herumführen. Der, der uns schließlich durch drei wirklich sehenswerte osmanische Baudenkmäler führen durfte, wollte dann von uns 20€ Trinkgeld, weil er spart, um illegal nach Europa per Schiff zu emigrieren. 5€ bekam er dann für sein Vorhaben, da er die Führung wirklich gut gemacht hatte. Wir drängten uns durch den dichten Verkehr am Rande der Altstadt kreuz und quer hindurch. Oft teilten sich Fußgänger, Radfahrer und Autos eine Fahrbahn. Die Kreuzung von Fußgängerüberwegen läuft folgendermaßen ab: ein Schritt auf die Straße und die nächsten beiden Autos durchlassen, dann fünf Schritte bis zur Mitte, den nächsten Wagen durchlassen und wenn der Verkehr stockt oder kurz abreißt zügig auf die andere Seite und locker vor oder hinter dem Vollpfosten, der seinen versifften Citroen mitten auf dem Fußgängerüberweg geparkt hat, gehen. Als Autofahrer sollte man immer eine Hand an der Hupe lassen... Noch mehr Geld als der illegale Touristenführer bekam der Ladenbesitzer, der von seiner Dachterrasse aus Touristen die Möglichkeit gibt, einen hervorragenden Blick auf die Altstadt zu bekommen, weil dieser Abzocker nicht weiter runterzuhandeln war. Alles in allem trotz Blick auf die Zeitouna Moschee und Überblick bis Jellaz viel zu teuer. Auch waren in den Restaurants die Preise überzogen. Tunis erinnerte mich irgendwie an die Italienklassenfahrt, nur dass ich in Tunis auch Leute traf, die sagten: „Herzlich Willkommen in Tunesien“ - und zwar ohne uns irgendwelche Dienste aufschwatzen zu wollen. In Italien natürlich undenkbar. Zumindest im Norden. In Venedig und Verona z.B. habe ich nur nervige Nippesverkäufer, unfreundliche Bedienungen (das konnte man dem schwarzen Tunesier im kleinen Restaurant am Bab Al-Bahr aber nicht vorwerfen) und kühle, arrogante Einheimische erlebt. Alles in allem ist die tunesische Hauptstadt aber einfach zu südeuropäisch; überteuert, auf Geld aus Tourismus geil und dreckig. Aber ein paar der Moscheen, die Kathedrale St. Vincent de Paul sowie einige mittelalterliche Straßenzüge in der Medina sind den Besuch wert. Nicht vergessen werden sollte aber, dass es nicht nur unehrliche und geldgierige Dienstleister gibt, denn als mein Vater einem Ober 1,40€ Trinkgeld gab, kamen 0,80€ gleich darauf zurück, da er meinte, das sei zu hoch gewesen. Zurück im Hotel ließ ich mich von einer nicht funktionierenden Steckdose schocken. Als ich das Kameraakkuladegerät dann in die andere Dose steckte, merkte ich dann aber zum Glück, wie unwichtig der Hinweis war: „einfache Hotels haben einen dreipoligen Anschluss, der mit einem Zwischenstecker benutzt werden muss“. Der Zimmerfernseher hatte auch einen zweipoligen Anschluss und funktionierte genauso gut wie mein Ladegerät und der Laptop in diesen alten Steckdosen ohne Zwischenstecker. Für den, der einen Kulturschock erleben will, lohnt sich Tunis nicht, es sei denn, ein paar Autoaufkleber „Allahu Akbar“, Frauen mit Kopftuch und überfüllte Souqs reichen dem schon. Im Vorbeigehen habe ich zwar auch eine Freitagspredigt erlebt, doch nicht einmal eindrucksvolle Gebetsrufe gab es. Und ein paar Koranrezitationen vom Band in manchen Läden sind ja nun wirklich noch kein Kulturschock... Wir hofften also nach 8 Stunden Marsch durch die verwinkelte Altstadt und die Randbereiche mit sozialistischer- und 2000er-Jahre-Architektur, in anderen Orten Tunesiens „etwas mehr Orient“ zu erleben. Nach einem Tag in der tunesischen Hauptstadt will man dann doch lieber ins Hinterland aufbrechen. Oder erstmal zum Fußball nach Sousse. Da bekommt man dann vielleicht einen Fußballkulturschock...

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